Wer war Friedrich der Weise?

Zunächst eine Warnung: Sollten Sie eine festgefasste Meinung über die Geschehnisse der Reformation haben, und sollten Sie dieses Bild nicht in Frage stellen wollen, dann verzichten Sie bitte darauf, diesen Beitrag zu lesen. Er weicht nämlich von dem Mythos ab, den wir in unserer Schulzeit verinnerlicht haben. Hier wird eine alternative Deutung der Person Friedrichs des Weisen vertreten, die eines eher glückloser Politikers, der von der Reformation vereinnahmt wurde und durch hervorragende Propaganda zu ihrer Gallionsfigur mutierte.

Friedrich III. der Weise, Albrecht der Beherzte und Johann der Beständige. Erster Klappmützentaler o. J., geprägt in Annaberg oder Wittenberg. Sehr selten. Sehr schön. Schätzung: 20.000 Euro. Aus Auktion 358 (26. Januar 2022), Nr. 182. Auf der Vorderseite ein Porträt des jugendlichen Friedrichs des Weisen, auf der Rückseite die Porträts der mit ihm um die Macht konkurrierenden sächsischen Herrscher.

Jugendbildnis Friedrichs des Weisen, gemalt von Albrecht Dürer, 1496.

Eine problematische Ausgangsposition

Am 17. Januar 1463 kam Friedrich III., der nach seinem Tod „der Weisen“ genannt wurde, als ältester Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen zu Welt. Nach dessen Tod am 26. August 1486 übernahm Friedrich die Herrschaft. Nicht alleine übrigens. Er teilte sie sich mit seinem jüngsten Bruder Johann, der in seiner Residenzstadt Weimar saß und durchaus eine eigenständige Politik hätte verfolgen können. Ein weiterer Mitspieler war der Onkel der beiden, Albrecht der Beherzte. Der hatte zwar ein Jahr zuvor der Leipziger Teilung zugestimmt, mit der die Trennung der ernestinischen und der albertinischen Linie fixiert wurde, aber wer wollte zu diesem Zeitpunkt sagen, ob sich Albrecht auch daran halten würde? Friedrich III. musste also vorsichtig agieren; das entsprach sowieso seiner Wesensart.

Sein Zaudern verursachte eine politische Niederlage nach der anderen. Zuerst scheiterte er daran, Erfurt in sein Gebiet einzugliedern, obwohl sich ihm diese Möglichkeit geradezu angeboten hatte. Dann gelang es ihm nicht, die einflussreiche Vormundschaft für den minderjährigen hessischen Landgrafen zu behalten. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass seiner Familie nach dem Tod seiner beiden Brüder deren Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Mainz verloren gingen.

Und dann folgte seine größte Niederlage, die er erlitt, weil er wegen eines aufmüpfigen Augustinermönchs den Kampf um die Kaiserkrone nicht einmal aufzunehmen wagte, und das obwohl Friedrich gegen die anderen Kandidaten – Franz I. von Frankreich, Heinrich VIII. von England und der Habsburger Karl I. von Spanien – durchaus gute Chancen gehabt hätte. Er war ein deutscher Fürst, besaß eine Stimme im Kurgremium und war mit Abstand der machtloseste der vier Kandidaten, eine Eigenschaft, die Kurfürsten an Kaisern durchaus zu schätzen wussten. Der Habsburger Rudolf I. hatte dieser Konstellation sein Amt verdankt. Dazu besaß Friedrich einen Anteil an den unerschöpflichen Silberbergwerken des Erzgebirges, verfügte also über genügen Ressourcen, um die notwendigen Bestechungsgelder fließen zu lassen. Die Geschichte wäre anders verlaufen, hätte Friedrich diesen Schritt wagen können. Die Nachwelt nennt ihn deswegen „weise“, seine Zeitgenossen dürften andere Adjektive verwendet haben.

Friedrich und Luther

Aber gehen wir in der Zeit ein wenig zurück, um zu verstehen, warum Friedrich nicht zur Wahl antrat. Am 18. Oktober 1502 gründete er in seiner Residenzstatt Wittenberg eine Universität. Das war nicht ungewöhnlich. Viele Landesherren taten das, weil sie für ihre Kanzleien Juristen brauchten und so eine Universität eine geistige Elite anzog.

Einer, der an der Wittenberger Uni lehrte, war der Augustinermönch Martin Luther. Wir müssen seine Geschichte an dieser Stelle nicht wiederholen. Es reicht zu sagen, dass die Lage für ihn im Jahr 1518 brenzlig wurde. Der Papst strengte gegen ihn einen Prozess an, und das gefährdete auch die Reputation Friedrichs III. und seiner Universität. Ein gebannter Professor! Wer würde an so einer Alma mater noch studieren wollen?

Friedrich III. bemühte sich also, den Prozess niederzuschlagen, auch wenn er selbst Luthers Ansichten nicht teilte. Wir wissen, dass Friedrich fromm war, selbst nach Jerusalem pilgerte und eine gigantische Sammlung von Reliquien zusammengetragen hatte. Nichtsdestotrotz forderte Friedrich von Kardinal Cajetan in einem Brief vom Dezember 1518, Luthers Thesen vor einem Bann noch einmal wissenschaftlich zu diskutieren.

Nur einen Monat später starb Kaiser Maximilian I. Ein neuer Kaiser musste gewählt werden. Friedrich brauchte sich nicht um das Amt zu bemühen. Die Tatsache, dass Luther ungebremst mit seinen Thesen Furore machte, demonstrierte allen gemäßigten Kräften im Reich, dass Friedrich nicht einmal genug Autorität besaß um einen Professor seiner Universität zur Raison zu bringen. Das Ergebnis: Karl V. wurde am 28. Juni 1519 gewählt.

Aber Friedrich hatte sich durch seinen kampflosen Rückzug zumindest so viel Rücksichtnahme verdient, dass Luther trotz des am 3. Januar 1521 verhängten Kirchenbanns, noch eine letzte Möglichkeit erhielt, sich im April des Jahres 1521 auf dem Reichstag von Worms zu rechtfertigen. Er gelang ihm nicht. Er verfiel der Reichsacht. Und Friedrich III. ließ ihn nicht fallen, sondern handelte für seinen Protegé aus, dass dessen Reichsacht auf sächsischem Gebiet nicht gelten sollte.

Für Luthers Anhänger bedeutete das einen Freibrief. Bereits im Mai 1521 heirateten in Sachsen die ersten Priester. Im Januar 1522 beschloss der Wittenberger Rat – nicht der sächsische Herzog! – eine neue (protestantische) Kirchenordnung. Friedrich verbot sie noch im gleichen Monat. Doch das Geschehen hatte sich verselbständigt. Luther kehrte im März nach Wittenberg zurück. Damit verlor Friedrich jeden Einfluss auf das Geschehen. Irgendwann dürfte ihm nichts anderes mehr übrig geblieben sein, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich von der Reformation vereinnahmen zu lassen. Friedrich starb bereits am 5. Mai 1525. Protestantische Quellen behaupten, er habe sich auf dem Totenbett zum Protestantismus bekehrt.

Friedrich III. der Weise. Guldengroschen o. J. auf die Generalstatthalterwürde. Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro. Aus Auktion 358 (26. Januar 2022), Nr. 185.

Bildnis Friedrichs des Weisen, gemalt von Lucas Cranach dem Älteren, ca. 1515.

Reformations-Marketing

Und damit war der Weg frei, Friedrich den Weisen zu einer Ikone des Protestantismus zu machen. Dabei half einer der genialsten Künstler seiner Zeit: Bereits 1505 hatte Friedrich III. Lucas Cranach zu seinem Hofmaler erhoben und ihm eine Werkstatt im Wittenberger Schloss eingerichtet. Cranach war ein Genie, nicht weil er so gut malen konnte, sondern weil er es verstand, einen Bildtypus mit Wiedererkennungswert so zu gestalten, dass ihn seine Gehilfen in Arbeitsteilung schnell und günstig produzieren konnten.

Friedrich der Weise und Johann. Dicker Guldengroschen 1523, Annaberg. Sehr selten. Gutes sehr schön. Schätzung: 8.000 Euro. Aus Auktion 358 (26. Januar 2022), Nr. 184.

Friedrich der Weise, Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren und seiner Werkstatt. Porträt nach 1525 mit von Luther verfasster Schrifttafel.

Zum ikonischen Bild wurde das Altersporträt des Herzogs. Er ist dargestellt mit weißem Backenbart und schwarzem Samtbarett. Unzählige Bilder von ihm hingen und hängen in allen wichtigen Kunstsammlungen, denn Friedrichs Nachfolger verschickten sein Bild systematisch in die ganze damalige Welt, zumeist gepaart mit ihrem eigenen Porträt. So sicherten sie sich, nach der Anerkennung der Reformation, den Ruhm, Nachfolger des (unfreiwilligen?) Schutzherrn Luthers zu sein.

In welch unglaublichem Umfang diese Porträts gemalt wurden, darüber gibt uns eine zeitgenössische Quelle Auskunft. Am 10. Mai 1533 bezahlte Herzog Johann dem Maler Lucas Cranach 109 Gulden und 14 Kreuzer dafür, dass er 60 kleine Bilder von Friedrich und 60 kleine Bilder von ihm selbst gemalt hatte.

Es wurden übrigens nicht nur diese Bilder verschickt. Die meisten von ihnen zeigen eine Inschrift, die genau erklärt, wie Johann das Schicksal seines Bruders gedeutet sehen wollte. Das von Luther selbst verfasste Gedicht besagt, dass Friedrich durch seine Vernunft, Geduld und sein glückliches Geschick den Frieden im Reich erhalten habe, indem er treu den Kaiser gewählt habe, ohne sein eigenes Wohl in den Vordergrund zu rücken. Er – Friedrich – habe in Wittenberg die Universität gegründet, aus der Gottes Wort hervorgegangen sei (so spricht Luther gerne von sich selbst; Anm. d. Verf.), mit dessen Hilfe die päpstliche Macht gestürzt und der rechte Glauben zurückgebracht worden sei.

Deutsches Kaiserreich. 3 Mark „Friedrich der Weise“. Polierte Platte. Schätzung: 100.000 Euro. Zuschlag: 130.000 Euro. Aus Auktion Künker 350 (29.6.2021), Nr. 2078.

Es ist dieses Bild von Friedrich dem Weisen, das wir verinnerlicht haben, und zwar so sehr, dass sein Porträt noch anlässlich des 400-Jahr-Jubiläums der Reformation im Jahr 1917 anstelle von Luther auf eine Reichsmünze gesetzt werden konnte.

 

Hier finden Sie die Auktion Künker 358.

Und bei uns lesen Sie auch einen ausführlichen Vorbericht zu Künkers Januarauktion 2022.