Von Pavia bis zum Sacco di Roma – Belagerungsmünzen in Italien
Warum eigentlich, so möchte man fragen, zieht es zur Zeit der Renaissance so viele Könige nach Italien? Warum bleiben sie nicht in ihren eigenen Ländern und bauen das auf, was ein, zwei Jahrhunderte später der absolutistische Zentralstaat genannt werden wird? Warum verbrauchen sie irrsinnige Mengen von Geld für die Besoldung von Truppen, um dann in Italien eine kleine Stadt zu erobern, die der Feind ein paar Monate später wieder zurückerobern wird?
Die „Skyline“ von Florenz, Zentrum der reichen Toskana. Foto: Lucarelli / Wikipedia.
Es war der Glanz der längst vergangenen Epoche des Mittelalters, der Menschen wie den französischen König Karl VIII. oder seinen Nachfolger Franz I. nach Italien zog. Das Amt des Kaisers – verbunden mit der monarchia universalis, der Weltherrschaft – berauschte Menschen wie den nüchternen spanischen König Karl V. Und natürlich gab es da noch die prosperierenden Handelsstädte Italiens, deren Steuern dem Gewinner um Oberitalien winkten. Denn im mittleren Italien, da sollte kein deutscher, kein spanischer, kein französischer Fürst je wieder Fuß fassen, da herrschte der Papst, der mittlerweile aus seinem Exil in Avignon zurückgekehrt, die verlorenen Gebiete wieder zurückerobern wollte. Und mit dem Papst mußte sich jeder gut stellen, der den Süden der Halbinsel zu beherrschen beabsichtigte. Denn das Königreich von Sizilien galt als päpstliches Lehen und wurde nach Gutdünken des Papstes besetzt.
Franz I. Gemälde von Jean Clouet, Louvre / Paris. Quelle: Wikipedia.
Das also war die Ausgangslage, als Franz I. von Frankreich und Karl V. von Spanien sich daran machten, in Italien ihre Kräfte zu messen. Karl hatte Franz schon ein paar Jahre früher ausmanövriert, als sich die beiden Fürsten darum stritten, wer denn nun Kaiser der Deutschen werden sollte. Dabei ging es natürlich nicht um die wenig ergiebige Herrschaft über die nach der Reformation streitenden deutschen Staaten; nein, mit dem Kaisertitel war die Oberherrschaft über die italienischen Städte verbunden, und Franz hatte dort schon ein paar Eroberungen gemacht. Karl wollte die Weltherrschaft und Anspruch auf die Weltherrschaft hatte eben der römische Kaiser deutscher Nation. Deshalb starteten die beiden so unterschiedlichen Könige eine Propagandaaktion im Reich und überboten sich mit Wahlversprechungen. Im Juni 1519 entschieden sich die Kurfürsten für Karl. Der hatte einfach mehr gezahlt. Aber natürlich zog sich Franz daraufhin nicht einfach aus Italien zurück. Im Gegenteil, nun sollte die Auseinandersetzung erst richtig beginnen.
Karl V. Gemälde von Jakob Seisenegger. Kunsthistorisches Museum Wien. Quelle: Wikipedia.
Der Krieg brach aus im Jahr 1521. Frankreich führte 32.000 Mann ins Feld, eine riesige Armee, die zum größten Teil aus schweizerischen Reisläufern bestand, den Elitekriegern der damaligen Zeit. Ihr „Gewalthaufen“ – eine militärische Formation, die vom Prinzip her stark an ein galoppierendes Stachelschwein erinnert – galt als durchschlagend in jeder Schlacht. Trotzdem hatte Franz nicht den Erfolg, den er sich wünschte.
Dies lag daran, daß sich das Handwerk des Kriegsführens änderte. Eine revolutionäre Technologie begann sich einzubürgern, die eine ganz neue Waffengattung schuf, die Artillerie. Und da hatten die Habsburger einfach die Nase vorn, was zum großen Teil daran gelegen haben mag, daß Kanonen aus Kupfer angefertigt wurden und es in Europa nur in Ungarn, Tirol, Sachsen und Böhmen Kupfer gab. Über drei der vier ergiebigsten Lagerstätten dieses wertvollen Rohstoffs verfügten also die Habsburger und die hatten spätestens unter Maximilian I. ihren technischen Vorsprung ausgebaut, besaßen die beste und fortschrittlichste Artillerie der damaligen Zeit.
Die Schlacht von Pavia. Gemälde eines unbekannten Meisters, wohl aus den südlichen Niederlanden. Ashmolean Museum / Oxford. Foto: Ursula Kampmann.
Dies sollte sich vor Pavia erweisen, das von kaiserlichen Truppen bestehend aus deutschen Landsknechten mit ausgebildeten Artillerieabteilungen gehalten wurde. Franz I. verließ sich auch weiterhin auf seine Schweizer, die nicht glauben wollten, daß die Zeit der Gewalthaufen endgültig vorbei war. Mit einem Heer von 25.000 Mann zu Fuß, 10.000 Reitern und – immerhin – 55 Geschützen zog Franz I. persönlich heran, um Pavia einzunehmen. Am 28. Oktober 1524 begann die Belagerung. Die Stadt sah sich von einem Heer eingeschlossen, das sofort jede Versorgung von außen unterband. Zwar saßen dort nur 5.000 deutsche Söldner verstärkt von einer 1.000 Mann starken Garnison von Spaniern, aber nichtsdestotrotz aßen auch schon damals 6.000 Männer im Laufe eines Tages eine gehörige Portion Brot und Fleisch, und tranken dazu nicht gerade wenig Wein.
Eines der großen militärischen Probleme der Zeit beruhte auf der Tatsache, daß bis weit in die Neuzeit hinein die Versorgung eines Heeres noch nicht zentral organisiert war. Jeder Landsknecht bekam den Sold ausgezahlt, von dem er seine Nahrung für sich und die seinen kaufte. Ja, die seinen, denn nicht selten folgten dem Landsknecht seine Frau mit ihren Kindern. Das Kriegshandwerk war ein Gewerbe wie viele andere auch, aber mit einem größeren Risiko. Nein, nicht der Tod in der Schlacht ist damit gemeint. Sterben konnte man im 16. Jahrhundert bei vielen Gelegenheiten. Das Risiko lag darin, daß die Auftraggeber gelegentlich ein Heer mieteten, das größer war als sie es je bezahlen konnte. So blieb der Sold häufig aus. Dies war unangenehm für den Söldner, noch unangenehmer aber für die, in deren Gebiet er sich gerade befand. Wenn nämlich ein bewaffneter Mann kein Geld besaß, um das zu kaufen, was er brauchte, dann war die Gefahr groß, daß er es sich mit Gewalt nahm. In einer belagerten Stadt, die auf das Wohlwollen ihrer Garnison angewiesen war, galt es also als existentielle Aufgabe, die Soldaten mit Geld zu versorgen. Wenn aber kein reguläres Geld mehr da war, um die Krieger zu bezahlen, dann mußte man eine Art Ersatzgeld schaffen, aus billigerem Metall, das aber zum vollen Wert in den Wirtshäusern der Stadt angenommen wurde.
Belagerungsgeld aus Pavia. Dukat 1524, geprägt unter Antonio De Leyva. A L, darüber Kreuz, darunter Jahreszahl. Maillet 360, 1; Tf. XCIII Pavie 1. Aus einer deutschen Privatsammlung.
In Pavia prägte man im Auftrag des spanischen Kommandanten De Leyva also Dukaten und Testone, die zwar nicht so schön und raffiniert aussahen wie die Stücke, die man sonst den Soldaten aushändigte, die ihren Zweck aber durchaus taten.
Wir kennen zwei verschiedene Vorderseitendarstellungen für die Notmünzen, die während der Belagerung von Pavia geprägt wurden. Die Rückseite ließ man aus praktischen Gründen gleich ungestempelt. Eine erste trug die Aufschrift AL für den Kommandanten, der die Prägung befohlen hatte, Antonio De Leyva, dazu das Jahr 1524, in dem die Belagerung begann.
Belagerungsgeld aus Pavia. Testone 1524, geprägt unter Antonio De Leyva. CES / PP / OB, darüber Jahreszahl. Maillet 360, 2; Tf. XCIII, Pavie 2. Aus einer deutschen Privatsammlung.
Die zweite Prägung zeigte die etwas rätselhafte Aufschrift CES PP OB sowie das Datum. Dieses Kürzel wird traditionell übersetzt mit Cesareis Papiae Obsessis, während der Belagerung des kaiserlichen Pavia.
Was noch in Pavia geschah, ist schnell erzählt. Ein kaiserliches Heer unter Marchese Pescara entsetzte die Stadt. Dem Feldherrn gelang in der Nacht vom 23. zum 24. Februar die Umgehung des linken Feindflügels. Am Morgen erfolgte der Angriff, doch zunächst wendete sich das Schlachtenglück gegen die Spanier. Die gerieten nämlich in das französische Artilleriefeuer, konnten nicht mehr vor noch zurück. In dieser Situation warf König Franz I. seine Panzerreiter vor, ja er stürmte selbst – begeistert von der Chance auf den Sieg – mitten in das Getümmel hinein… und vergaß dabei ganz, daß sich nun seine Kanoniere nicht mehr auf die Spanier zu schießen trauten. Schließlich hätten sie ja aus Versehen ihren eigenen Monarchen treffen können. Der Marchese Pescara nutzte die Gelegenheit, verstärkte seine Schützen, die aus der Deckung heraus die französischen Reiter einen nach dem anderen gemütlich abschossen. Nun war es Zeit, das Fußvolk ins Gefecht zu führen. Hier konnte sich Georg von Frundsberg mit seinen 12.000 Mann durchsetzen. Die Schweizer Bataillone der Franzosen, die am rechten Flügel des Heeres gelagert hatten, waren zu weit vom Ort des Geschehens entfernt, um rechtzeitig beispringen zu können. Als sie heranzogen, saßen sie schon in der Falle, denn auch die Garnison der Stadt Pavia hatte ihre Festung verlassen und wirkte dabei mit, das französische Heer einzukesseln. 20.000 Mann sollen damals in Gefangenschaft geraten sein. Darunter – was für ein Glücksfall für Karl V. – der französische König in eigener Person.
Monatelang saß Franz I. in spanischer Gefangenschaft, ehe er Karl all die politischen Zugeständnisse gab, die dieser sich wünschte. Der Vertrag war das Papier nicht wert, auf das er geschrieben wurde. Sofort nach seiner Rückkehr nach Frankreich widerrief Franz alles. Der spanische Sieg von Pavia blieb politisch folgenlos.
Für Italien dagegen waren die Folgen schrecklich. Trotz seines Sieges schickte Karl V. nämlich keinen Sold für sein Heer. Und das bedeutete, daß kein Soldat Geld hatte, um für seinen Lebensunterhalt zu bezahlen. Wer wollte schon gerne Hunger ertragen, wenn er wußte, daß er zu einem starken Heeresverband gehörte. Und da erzählte man sich doch im Lager, daß es einen deutschen Mönch gäbe, der vom Papst als dem Antichrist gesprochen habe. Ja, in Rom, da lebten der Papst und seine Kardinäle in Saus und Braus. Und die Landsknechte, die für Kaiser und Papst gekämpft hatten, die hatten nichts zu fressen. Wundert sich da irgendeiner noch, daß der spontane Entschluß gefällt wurde, Rom zu erobern?
Die Belagerung der Engelsburg, gemalt von Maarten van Heemskerck 1556.
Frundsberg, der Anführer seiner Truppe, lag krank und mußte zurückbleiben. Er konnte nicht mehr auf sein Heer einwirken, den Vorschlag des Papstes ernst zu nehmen, der 150.000, später sogar noch mehr, Gulden bot, um die Soldaten von Rom fern zu halten. Das kaiserliche Heer glaubte dem Oberhirten der Christenheit nicht mehr. Am 5. Mai 1527 begann die Belagerung von Rom, am Tag darauf der Sturm. Das kaiserliche Heer stieß kaum auf nennenswerten Widerstand. Ein Zeitgenosse berichtete darüber, was dann geschah: „Im Jahre 1527, den 6. Mai, haben wir Rom mit Sturm genommen, ob sechstausend Mann darin zu Tod geschlagen, die ganze Stadt geplündert, in allen Kirchen ob der Erd genommen, was wir gefunden, ein guten Teil der Stadt abgebrannt und seltsam hausgehalten, alle Copistereien, Register, Briefe und Cortisanei zerrissen, zerschlagen.“…
Italien, Vatikan. 1/4 Dukatone, ohne Jahr (1527). Mario Traina, Gli assedi e le loro monete 59, 118a. Aus einer deutschen Privatsammlung.
Man schätzt, daß über 10.000 Menschen im Sacco di Roma umgekommen sind. Der Papst klagte, die Bürger seiner Stadt hätten während einer Woche Plünderung Güter im Wert von etwa 10 Millionen Dukaten eingebüßt. (Was man davon zu halten hat, weiß jeder, der einmal einen Bericht an die Versicherung gelesen hat, welche Schätze in einem verloren gegangenen Koffer aufbewahrt wurden.) Wie auch immer, Rom sollte sich nie mehr von den Verwüstungen erholen, denen es im Sacco di Roma ausgeliefert war.
freigestelltItalien, Vatikan. 1/4 Dukatone, ohne Jahr (1527). Mario Traina, Gli assedi e le loro monete 59, 118a. Aus einer deutschen Privatsammlung.
Sehr zum Ärger übrigens für Karl V., der sicher nicht eine Zerstörung Roms gewollt hatte. Nun war es nichts mit der so schön geplanten Kaiserkrönung in der ewigen Stadt. Karl mußte auf Bologna ausweichen, um sich dort krönen zu lassen – als letzter deutscher Kaiser übrigens, dem noch ein Papst die Kaiserkrone aufs Haupt setzte.