Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen – Teil 9: Forza Italia

Mit zwölf zu zehn Millionen Stimmen entscheidet sich das italienische Volk im Juni 1946 für die Schaffung einer Republik und gegen die Monarchie. In den folgenden Jahrzehnten erlebt Italien 55 Regierungen, von denen sich über 50 vorzeitig aus dem Amt verabschieden – manchmal bereits nach wenigen Tagen. Die politische Lage jedoch bleibt bemerkenswert stabil. Denn die Regierungen wechseln, aber immer innerhalb des gleichen Systems.

Italiens Regierung: Konstante Wechsel

In keinem anderen europäischen Land nämlich schafft es eine Partei, so lange an der Macht zu bleiben, wie die Democrazia Cristiana in Italien; bis 1981 stellt sie stets den Ministerpräsidenten. Und nirgends in Westeuropa ist eine kommunistische Partei so lange so erfolgreich und doch so erfolglos wie jene Italiens; zwar erreichen die Kommunisten regelmäßig Stimmenanteile von bis zu 30 Prozent, schaffen es aber nie, an einer Regierung beteiligt zu werden. Ebenso einzigartig in Westeuropa ist der dauerhafte Erfolg des faschistischen Movimento Sociale, der sich unverhohlen auf Mussolini beruft.

So produzieren die immer gleichen Kräfte in verschiedenen Koalitionen die immer gleichen Regierungen, und die erste italienische Republik scheint – trotz zahlreicher Krisen, einer unglaublichen Anzahl an aufgedeckten Korruptionsfällen und endlosen Skandalen um Mafiaverbindungen von Politikern – auf Jahrzehnte hinaus sicher.

Das Mailänder Gericht wird zum Symbol für juristische Untersuchungen eines komplexen Schmiergeldsystems, das die erste Republik beendet. Foto: Davide Oliva / CC BY-SA 2.0

„Mani pulite“ und das Ende der Ersten Republik

Doch zu Beginn der 1990er-Jahre macht die italienische Bevölkerung auf einmal nicht mehr mit. In der Presse taucht immer öfter der Begriff „Schmiergeldrepublik“ auf, und unter dem Schlagwort „mani pulite“ (saubere Hände) beginnen Mailänder Untersuchungsrichter, ein raffiniertes Schmiergeldsystem aufzurollen: Bestechungssummen werden nach festen Quoten bezahlt und die Gewinne aus diesen Geldern teilen die Parteien nach einem bestimmten Schlüssel untereinander auf. Auf dem Höhepunkt des Kampfes gegen die Korruption wird Giulio Andreotti beschuldigt, der Mafia anzugehören – Andreotti ist zwischen 1972 und 1992 sechsmal Ministerpräsident Italiens gewesen und dienstältester Politiker des Landes.

Am Ende der ersten Republik steht Italien als ein Land ohne politische Moral da, ist hoch verschuldet und bar einer erfahrenen Politikerklasse in der ideologischen Mitte.

Medienmogul Silvio Berlusconi gründet 1994 seine eigene Partei, Forza Italia, und bestimmt – mehrfach als Ministerpräsident – die nächsten 15 Jahre der italienischen Politik. Hier während eines Treffens der Europäischen Volkspartei 2009. Foto: European People’s Party / CC BY 2.0

Die „Revolution der Richter“ führt in die Zweite Republik

Die „Revolution der Richter“ verändert Italien, es beginnt die so genannte zweite Republik: Die Democrazia Cristiana und ihre jahrzehntelangen Koalitionspartner splittern sich in verschiedene kleine Parteien auf. Und es entsteht ein neuer Parteientypus: Im Jahre 1994 stampft der Medienmogul Silvio Berlusconi innerhalb von kurzer Zeit die Partei „Forza Italia“ aus dem Boden, gewinnt die Wahlen und wird Ministerpräsident. Neben dem Politiker Berlusconi hat Forza Italia auch vieles andere im Angebot: Fußball, Konsumgüter, Versicherungen, Werbung, Unterhaltung, Information.

Der große Schritt in die zweite Republik scheint jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung vollzogen. Zwar haben Italienerinnen und Italiener sich eine Regierung zusammengestellt, die vorwiegend aus neuen Personen mit neuen Gesichtern in neuen Parteien besteht, doch haben sie dabei übersehen, dass Berlusconi, der auserkorene neue Führer, im alten System groß geworden ist. Auch er hat keine saubere Weste. Zu den Vorwürfen gegen ihn gehören Meineid, Bestechung, illegale Parteienfinanzierung, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Mafiakontakte.

Republik Italien. 500 Lire 1982, Acmonital-Bronzital. Foto: Facquis / CC BY-SA 4.0

Anno 2000 rechnen 57 Millionen Menschen in Lire – jener Eurowährung mit dem geringsten Nominalwert. Denn für einen Euro muss man fast 2000 Lire hergeben; so bedeutet die Währungsumstellung für viele Italienerinnen und Italiener das Ende eines Lebens als Millionäre. Immerhin hat die italienische Bevölkerung Gelegenheit gehabt, sich wenigstens äußerlich auf den Euro vorzubereiten: Bimetallische Münzen laufen in Italien nämlich bereits seit 1982 um. Das abgebildete 500-Lire-Stück ist die Erste einer ganzen Serie solcher Münzen, die bis 1999 geprägt werden. Zudem dürfte sie weltweit die einzige Münze sein, deren Wert in der Blindenschrift Braille angegeben ist.

Seit dem Beginn des Jahres 2002 nun zirkulieren in Italien – wie in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion – Euros und Cents. So ist die Lira zwar Vergangenheit, Italien aber immerhin zu den Centesimi zurückgekehrt, deren Prägung bereits 1943 eingestellt wurde. Und die Münzbilder für die italienischen Euromünzen sind vielfältig – die ganze, reiche Geschichte Italiens kommt darin zum Ausdruck. Die Entscheidung über das Aussehen der national geprägten Münzrückseiten haben die Italienerinnen und Italiener übrigens in einer Fernsehshow getroffen: Dabei sind dem Fernsehpublikum mehrere von einer Kommission ausgewählte Entwürfe vorgelegt worden, über die dann per Telefon und Internet abgestimmt werden konnte.

Republik Italien. 2 Euro 2002. Quelle: EZB.

Das abgebildete 2-Euro-Stück zeigt auf der Vorderseite den großen italienischen Dichter Dante Aligheri (*1265, †1321). Die Vorlage für sein Profil stammt von einem weiteren großen italienischen Künstler, dem Maler Raffael (*1483, †1520), der Dante in den päpstlichen Privatgemächern im Vatikan auf einem Fresko verewigte.

Republik Italien. 2 Euro 2002. Quelle: EZB.

Apropos Vatikan – auch der Heilige Stuhl lässt eigene Euromünzen prägen, obwohl er nicht Mitglied der Europäischen Union (EU) ist. Bis 2002 jedenfalls gilt im Vatikan die italienische Währung, denn der Kirchenstaat ist berechtigt, Lire in eigener Regie zu prägen. Diese Regelung wird nun auch auf den Euro übertragen – solange sich der Papst verpflichtet, keine Münzen außerhalb der Gemeinschaftsregelungen der EU auszugeben.

Der Vatikan entschließt sich allerdings, auf der „nationalen“ Seite seiner Euromünzen das Porträt des amtierenden Papstes darzustellen. Und prompt ruft diese Bildwahl in manchen europäischen Ländern Unbehagen hervor. Schließlich sollen die Euromünzen in sämtlichen Mitgliedstaaten umlaufen – so zum Beispiel auch im streng laizistischen Frankreich, wo Staat und Kirche seit 1905 per Gesetz strikt getrennt sind. Kurz vor der Einführung des vatikanischen Euro gibt es denn auch Ärger mit der Europäischen Zentralbank, die darauf besteht, dass keine Kirchenoberhäupter auf den Münzen abgebildet werden dürfen. Doch letztlich lässt sich die Zentralbank vom Argument überzeugen, das Papst Johannes Paul II. (*1978, †2005) schließlich auch ein Staatsoberhaupt sei.

 

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen“.

Und die Euro-Münzen des Vatikan und Italiens finden Sie in der Onlinedatenbank Cosmos of Collectibles: Italien, Vatikan.