Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen – Teil 3: Der Kampf um Rom

Das Königreich Italien ist ein unfertiger Staat. Die Vereinigung aller Italienerinnen und Italiener in einem einzigen Land ist noch nicht vollendet – es gibt ja noch immer die „terre irredente“, die „unerlösten Gebiete“. Das sind die außerhalb der italienischen Staatsgrenzen liegenden Gebiete mit italienischsprachiger Bevölkerung: Rom und Venetien, aber auch Triest und Tirol.

Dieses Gemälde von 1853 zeigt eindrücklich, was es bedeutet, wenn Papst Pius IX. in seinem Prunkwagen durch den Titusbogen zieht. Dieser Papst verzichtet nicht einfach auf seinen weltlichen Herrschaftsanspruch, weil ein italienischer Nationalstaat seine Gebiete beansprucht.

Der Kampf zwischen Kirche und Staat

Dass Rom – das Herzstück Italiens! – dem italienischen Staat nicht angehört, ist patriotisch Beseelten ein besonderer Dorn im Auge. Doch Papst Pius IX. (1846–1878) lehnt einen Verzicht auf seinen weltlichen Herrschaftsanspruch strikt ab. 1864 verkündet er der Welt im „Syllabus errorum“ die 80 hauptsächlichsten Irrtümer seiner Zeit und schleudert seinen Bannstrahl gegen sämtliche Errungenschaften modernen Denkens – von der Gewissens- und Pressefreiheit bis zur Zivilehe. Viktor Emanuel II. wird wegen seines Anspruchs als König von ganz Italien – auf ein Italien inklusive des Kirchenstaates also – kurzerhand exkommuniziert. Den italienischen Katholiken verbietet der Papst im Dekret „Non expedit“ die Teilnahme an politischen Wahlen – ein Verbot, das erst von Papst Pius X. (1903– 1914) teilweise aufgehoben wird.

Die „Breccia di Porta Pia“, also der Durchbruch durch die Porta Pia in Roms historischer Stadtmauer, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Stadt. Am 20. September 1870 nehmen die Truppen des jungen Staates Italien ihre künftige Hauptstadt ein und beenden so die päpstliche Herrschaft über die Ewige Stadt. Xilografie von 1890.

Die Eroberung Roms

Im Herbst 1870 fällt der Kirchenstaat der übergeordneten europäischen Politik zum Opfer: Frankreich, seine Schutzmacht, erklärt Deutschland den Krieg und erleidet bei Sedan eine vernichtende Niederlage. Kaiser Napoleon III. gerät in preußische Gefangenschaft. Preußen belagert Paris und Frankreich zieht seine Schutztruppen aus Rom ab. Damit ist der Weg in die Ewige Stadt frei: Rom wird von italienischen Truppen besetzt und zur Hauptstadt Italiens ausgerufen.

Papst Pius IX. sieht sich nach dem Verlust Roms als Gefangener im Vatikan und lehnt jede Kompromisslösung ab. Bis zu seinem Tod 1878 macht er keinen Frieden mit dem neuen Staat Italien; ebensowenig sein Nachfolger Leo XIII.

Damit endet die weltliche Herrschaft des Papstes, die im Jahre 754 mit der Landverleihung des karolingischen Königs Pippin (751–768) begann: Ab September 1870 ist Papst Pius IX. nur noch Herr über ein verschwindend kleines Hoheitsgebiet rund um St. Peter. Der weitläufige Kirchenstaat ist aufgelöst. Der Papst soll alle Ehrenrechte eines Souveräns genießen, im Besitz der Apostolischen Paläste und einer Sommerresidenz bleiben und außerdem eine Jahresrente von über 3 Millionen Lire beziehen. Pius jedoch lehnt ab; er betrachtet sich fortan als „Gefangener im Vatikan“, den er zeit seines Lebens nicht mehr verlassen wird. Als der Sarg mit der Leiche des Papstes drei Jahre nach seinem Tod aus dem Vatikan in die Basilika von San Lorenzo zur endgültigen Ruhe überführt wird, bewerfen ihn italienische Patriotinnen und Patrioten mit Steinen.

Das Geld der Päpste: Vom Scudo zur Lira

Erinnern wir uns, der Kirchenstaat ist ein echter Staat, hat also sein eigenes Geld. Auch die italienische Einigung hinterlässt ihre Spuren bei dieser Währung. Zunächst läuft der „scudo romano“ um, der erstmals Mitte des 16. Jahrhunderts ausgegeben wird. In den folgenden rund 250 Jahren prägen die Päpste Scudi mit den verschiedensten und großartigsten Münzbildern. Auf den Vorderseiten zeigen die Münzen des Vatikans meist das Bildnis des Papstes; die Rückseiten dienen der Propaganda – für religiöse oder weltliche Zwecke oder zur Darstellung päpstlicher Politik.

Mezzo Scudo 1706, Silber, Clemens XI., Kirchenstaat. Aus Auktion Künker 322 (2019), 1597.

Der hier abgebildete halbe Scudo stammt von Papst Clemens XI. (1700–1721), der sich als großer Bauherr auszeichnet. Auf dieser Münze zeigt er den von ihm erbauten Hafen Ripetta mit den Kirchen San Rocco links und San Girolamo degli Schiavoni in der Mitte. Im Vordergrund ist der Tiber mit fünf Booten abgebildet. Das Baumaterial für den neuen Hafen entstammt übrigens dem Kolosseum, das bei einem Erdbeben im Jahre 1703 teilweise eingestürzt ist. Der kleine Hafen Ripetta existiert heute nicht mehr; er fiel im 19. Jahrhundert der Tiberregulierung zum Opfer.

Im Jahre 1835 nähert sich auch der Kirchenstaat dem französischen Währungssystem an: Papst Gregor XVI. (1831–1846) erlässt ein Münzgesetz, wonach ein Scudo 5,38 Lire französischen Fußes gleichgestellt und in 100 Bajocci zu je 5 Quattrini unterteilt wird.

Kirchenstaat. Pius IX. 1 Soldo 1867. Aus der Sammlung des MoneyMuseum.

Gute 30 Jahre später – im Juni 1866 – übernimmt dann der Kirchenstaat die Lira selbst und führt dabei auch gleich das Dezimalsystem ein: eine Lira nach französischem Fuß gilt nun 20 Soldi oder 100 Centesimi.

 

In der nächsten Folge erkämpft sich Italien einen Platz als kolonialer Newcomer und schafft dabei neue Währungen in Eritrea und Somaliland.

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen“.

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