Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen – Teil 3: Der Kampf um Rom
Der Kampf zwischen Kirche und Staat
Dass Rom – das Herzstück Italiens! – dem italienischen Staat nicht angehört, ist patriotisch Beseelten ein besonderer Dorn im Auge. Doch Papst Pius IX. (1846–1878) lehnt einen Verzicht auf seinen weltlichen Herrschaftsanspruch strikt ab. 1864 verkündet er der Welt im „Syllabus errorum“ die 80 hauptsächlichsten Irrtümer seiner Zeit und schleudert seinen Bannstrahl gegen sämtliche Errungenschaften modernen Denkens – von der Gewissens- und Pressefreiheit bis zur Zivilehe. Viktor Emanuel II. wird wegen seines Anspruchs als König von ganz Italien – auf ein Italien inklusive des Kirchenstaates also – kurzerhand exkommuniziert. Den italienischen Katholiken verbietet der Papst im Dekret „Non expedit“ die Teilnahme an politischen Wahlen – ein Verbot, das erst von Papst Pius X. (1903– 1914) teilweise aufgehoben wird.
Die Eroberung Roms
Im Herbst 1870 fällt der Kirchenstaat der übergeordneten europäischen Politik zum Opfer: Frankreich, seine Schutzmacht, erklärt Deutschland den Krieg und erleidet bei Sedan eine vernichtende Niederlage. Kaiser Napoleon III. gerät in preußische Gefangenschaft. Preußen belagert Paris und Frankreich zieht seine Schutztruppen aus Rom ab. Damit ist der Weg in die Ewige Stadt frei: Rom wird von italienischen Truppen besetzt und zur Hauptstadt Italiens ausgerufen.
Damit endet die weltliche Herrschaft des Papstes, die im Jahre 754 mit der Landverleihung des karolingischen Königs Pippin (751–768) begann: Ab September 1870 ist Papst Pius IX. nur noch Herr über ein verschwindend kleines Hoheitsgebiet rund um St. Peter. Der weitläufige Kirchenstaat ist aufgelöst. Der Papst soll alle Ehrenrechte eines Souveräns genießen, im Besitz der Apostolischen Paläste und einer Sommerresidenz bleiben und außerdem eine Jahresrente von über 3 Millionen Lire beziehen. Pius jedoch lehnt ab; er betrachtet sich fortan als „Gefangener im Vatikan“, den er zeit seines Lebens nicht mehr verlassen wird. Als der Sarg mit der Leiche des Papstes drei Jahre nach seinem Tod aus dem Vatikan in die Basilika von San Lorenzo zur endgültigen Ruhe überführt wird, bewerfen ihn italienische Patriotinnen und Patrioten mit Steinen.
Das Geld der Päpste: Vom Scudo zur Lira
Erinnern wir uns, der Kirchenstaat ist ein echter Staat, hat also sein eigenes Geld. Auch die italienische Einigung hinterlässt ihre Spuren bei dieser Währung. Zunächst läuft der „scudo romano“ um, der erstmals Mitte des 16. Jahrhunderts ausgegeben wird. In den folgenden rund 250 Jahren prägen die Päpste Scudi mit den verschiedensten und großartigsten Münzbildern. Auf den Vorderseiten zeigen die Münzen des Vatikans meist das Bildnis des Papstes; die Rückseiten dienen der Propaganda – für religiöse oder weltliche Zwecke oder zur Darstellung päpstlicher Politik.
Der hier abgebildete halbe Scudo stammt von Papst Clemens XI. (1700–1721), der sich als großer Bauherr auszeichnet. Auf dieser Münze zeigt er den von ihm erbauten Hafen Ripetta mit den Kirchen San Rocco links und San Girolamo degli Schiavoni in der Mitte. Im Vordergrund ist der Tiber mit fünf Booten abgebildet. Das Baumaterial für den neuen Hafen entstammt übrigens dem Kolosseum, das bei einem Erdbeben im Jahre 1703 teilweise eingestürzt ist. Der kleine Hafen Ripetta existiert heute nicht mehr; er fiel im 19. Jahrhundert der Tiberregulierung zum Opfer.
Im Jahre 1835 nähert sich auch der Kirchenstaat dem französischen Währungssystem an: Papst Gregor XVI. (1831–1846) erlässt ein Münzgesetz, wonach ein Scudo 5,38 Lire französischen Fußes gleichgestellt und in 100 Bajocci zu je 5 Quattrini unterteilt wird.
Gute 30 Jahre später – im Juni 1866 – übernimmt dann der Kirchenstaat die Lira selbst und führt dabei auch gleich das Dezimalsystem ein: eine Lira nach französischem Fuß gilt nun 20 Soldi oder 100 Centesimi.
In der nächsten Folge erkämpft sich Italien einen Platz als kolonialer Newcomer und schafft dabei neue Währungen in Eritrea und Somaliland.
Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen“.
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