Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen – Teil 2: Die Einigung Italiens

Im Jahre 1860 betritt Giuseppe Garibaldi die politische Bühne Italiens. Zu dieser Zeit hat Piemont mit französischer Hilfe den Krieg gewonnen; das Kriegsziel ist allerdings nicht erreicht: Die Österreicher sind nicht gänzlich aus Italien vertrieben, sondern herrschen noch immer in Venetien. Aber – der Krieg hat die italienische Nationalbewegung entfesselt: In den mittelitalienischen Herzogtümern erzwingen von Cavour initiierte Volksabstimmungen den Anschluss ans Piemont. In der Romagna und in den Legationen – den päpstlichen Gebieten – brauen sich Aufstände zusammen. Und aus ganz Italien strömen Freiwillige herbei, um in die piemontesische Armee einzutreten.

Viktor Emanuel II. wird am 18. Februar 1861 zum König des geeinten Königreichs Italien ausgerufen.

Garibaldi und der „Zug der Tausend“

Am 5. Mai 1860 macht sich der so genannte Zug der Tausend daran, auch noch den Süden zu einen und an Norditalien anzuschließen: 1000 Freiwillige, die meisten von ihnen intellektuelle Städter, schiffen sich unter der Führung von Garibaldi nach Sizilien ein. Hier finden die Tausend schnell weitere Anhänger. Man vertreibt die königlich-neapolitanischen Truppen, setzt aufs Festland über und zieht wenig später unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung in Neapel ein.

Jetzt setzt sich auch Cavour in Bewegung: Er marschiert mit seiner piemontesischen Armee in die dem Papst gehörigen Gebiete ein, bevor er sich mit Garibaldi und seinen Anhängern vereinigt. Im Oktober 1860 können Cavour und Garibaldi dem herbeigeeilten König Viktor Emanuel II. das Resultat der Volksabstimmungen von Sizilien und Neapel übergeben, welche mit überwältigender Mehrheit den Anschluss des ehemaligen Königreichs Beider Sizilien an das Königreich Piemont-Sardinien befürworten. Am 18. Februar 1861 tritt in Turin das erste italienische Parlament zusammen und beschließt die Ausrufung des Königreichs Italien. Viktor Emanuel II. wird der erste König des geeinten Landes und Florenz wird seine neue Hauptstadt. Der Kirchenstaat um Rom bleibt – wenn auch mit beträchtlichen Gebietsverlusten – vorerst bestehen.

Königreich Italien. Viktor Emanuel II. 2 Lire 1863. Aus der Sammlung des MoneyMuseum.

Aus 90 mach 1: Italiens Lira

Werfen wir nun einen Blick auf die numismatische Situation dieser Zeit. Etwa 90 verschiedene Münzsorten sind 1859 im Gebiet Italiens in Umlauf – ein Münzwirrwarr, der erst mit der Einigung des Landes behoben werden kann. So ist denn die Schaffung einer einheitlichen Währung für das neue Wirtschaftsgebiet von oberster Priorität. Zur Wahl stehen entweder die Übernahme einer bereits bestehenden Währung oder aber die Schaffung eines neuen Währungssystems – man entschließt sich für das Erstere: 1859 wird das Münzsystem von Sardinien-Piemont – 1 Lira = 100 Centesimi – für das ganze Königreich übernommen.

Republik Venedig. Nicolò Tron. Lira Tron o. J. (um 1472). Aus der Sammlung des MoneyMuseum.

Erstmals erwähnt wird die Lira in Italien im Jahre 953 als Rechnungsmünze: Der Name stammt vom lateinischen Wort „Libra“ für „Pfund“. Tatsächlich ausgeprägt aber werden Lire erst anno 1472 in Venedig, und zwar unter der Bezeichnung „Lira Tron“: Prägeherr ist der damalige Doge Nicolò Tron (1471–1474), die Vorderseite der Münze zeigt denn auch die Büste dieses Herrn. Auf der Rückseite ist der venezianische Löwe, der Markuslöwe, abgebildet. Allerdings erregt die Lira Tron bald das Misstrauen republikanischer Kreise in Venedig – immerhin ist der Stadtstaat eine Republik, und das Porträt des stolzen Dogen erinnert wahre Republikaner zu sehr an die Selbstdarstellung zeitgenössischer Monarchen. Auf den späteren Lire Venedigs wird der Doge deshalb wieder auf den ihm zustehenden Platz verwiesen: kniend vor der Darstellung des heiligen Markus.

Königreich Italien. Viktor Emanuel II. 1 Centesimo 1861. Aus der Sammlung des MoneyMuseum.

Italien macht bella figura mit seinen neuen Münzen

Nach dem Vorbild der venezianischen Lira werden in der Folge in mehreren Stadtstaaten Oberitaliens silberne Lire in verschiedenen Münzfüßen geprägt. Zur Zeit Napoleon Bonapartes setzt sich im Königreich Sardinien-Piemont wie erwähnt die Lira nach französischem Münzfuß durch. Sie ist es, die das Königreich Italien im Jahre 1859 übernimmt. Mit der Einführung der gesamtitalienischen Währung wird im italienischen Münzwesen auch gleich das Dezimalsystem eingeführt: eine Lira italiana gilt 100 Centesimi.

Der junge Staat Italien legt übrigens höchsten Wert auf eine gepflegte Münzprägung. Nicht nur die Silber- und Goldmünzen, sondern auch die kleinsten Geldeinheiten aus Kupfer sind in feinem Stil entworfen und sorgfältig ausgeprägt. Das Münzbild mit dem Kopf des Königs verrät nichts davon, dass Viktor Emanuel eine derbe, bäuerische Gestalt ist und äußerlich eher einem robusten Gutsverwalter gleicht als einem König.

Königreich Italien. Viktor Emanuel II. 20 Lire 1871. Aus der Sammlung des MoneyMuseum.

Italien tritt der Lateinischen Münzunion bei

1863 stellt Italien die Lireprägung noch einmal geringfügig um: Der Feingehalt wird etwas verringert. Eine Lira wiegt 5 Gramm und damit exakt gleich viel wie der französische Franc. Die Goldmünzen zu 10 und 20 Lire entsprechen den goldenen 10- und 20-Franc-Stücken, und die Prägungen der Frankenländer – Frankreich, Belgien und die Schweiz – sind auch in Italien gesetzliche Zahlungsmittel. Wie nicht anders zu erwarten ist, tritt Italien 1865 denn auch der Lateinischen Münzunion bei.

In ihre erste Krise gerät die Lateinische Münzunion bereits 1866, als Italien wegen des kostspieligen Kriegs mit Österreich einen Zwangskurs für sein Papiergeld einführen muss. Dadurch fließen das italienische Silbergeld und sogar die kleinen Kupfermünzen ins Ausland ab, wo sie ja auch offizielle Zahlungsmittel sind. 1893 werden in der Schweiz in einer groß angelegten Aktion sämtliche italienischen Silbermünzen eingezogen und nach Italien zurückverkauft. Dort werden sie – in einem vergeblichen Versuch, wieder zur Metallwährung zurückzukehren – eingeschmolzen und neu geprägt. Bereits 1894 muss die Einlösepflicht der Banken für Papiergeld wieder aufgehoben werden; die Papiergeldwirtschaft Italiens dauert bis in den Ersten Weltkrieg.

In der nächsten Folge erobern wir eine neue Hauptstadt: Rom! Und natürlich ändert sich damit auch das Währungssystem im Kirchenstaat …

 

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen“.

Mehr zur Lateinischen Münzunion erfahren Sie übrigens in dem Artikel „Der Goldstandard Teil 1: Wie und warum Gold zum wichtigsten Münzmetall wurde“.