Venedig, die Dogen und das Geschlecht der Mocenigo
Eigentlich sehen sie alle gleich aus, die Dukaten bzw. Zecchinen der Republik Venedig. Sie zeigen auf einer Seite Christus in der sternengeschmückten Mandorla. Er hält in der linken Hand das Evangelium. Die rechte Hand ist zum Segen erhoben. Auch die Umschrift bleibt immer gleich: „Sit tibi Christe datus quem tu regis iste ducatus“, also „Christus, Dir sei dieses Herzogtum anvertraut, über das Du herrschst.“
Auch wenn man beim ersten Blick den Eindruck gewinnt, dass die andere Seite genauso unveränderlich ist, stimmt das nicht. Sie präsentiert den jeweiligen Dogen, der vom hl. Marcus das Banner als Zeichen der Herrschaft über Venedig empfängt. Nur die Inschrift macht den dargestellten Dogen zum Individuum. In diesem Fall ist es Tomaso Mocenigo, der von 1414 bis 1423 die Herrschaft über Venedig ausübte.
Tomaso Mocenigo, der erste Doge aus dem Geschlecht der Mocenigo
Dieser Tomaso Mocenigo stammte aus einer Familie, die ursprünglich aus Mailand eingewandert war. Dies dürfte bereits um die Jahrtausendwende geschehen sein. Die Mocenigo hatten es geschafft, vor der „serrata“, der Schließung des Großen Rates im Jahr 1297, in den Stand der Nobili aufgenommen zu werden. Nichtsdestotrotz zählten sie im 15. Jahrhundert immer noch zu den „neuen Häusern“.
Tomaso muss ein unglaublich energischer, kompetenter Mann mit exzellenten Verbindungen zum europäischen Adel gewesen sein. Dazu war er durch den Levante-Handel geradezu unverschämt reich geworden.
Sein politischer Aufstieg begann mit dem Kommando über eine Galeere im Krieg von Chioggia (1378-1381). Damit war er so erfolgreich, dass man ihm 1395 den Oberbefehl über die gesamte venezianische Flotte anvertraute. In dieser Funktion gelang es ihm 1396, Konstantinopel zu entsetzen – und gleich darauf den deutschen König Sigismund zu retten. Natürlich brachte ihm das dessen Gunst ein. So hielt er sich 1414 gerade an dessen Hof in diplomatischer Mission auf, als er in Abwesenheit zum Dogen gewählt wurde.
Unter seiner Herrschaft nahm Venedig einen enormen Aufschwung. Es stieg in die Reihe der italienischen Großmächte auf, sicherte sich die Vorherrschaft über die Adria und schloss die entscheidenden Handelsverträge mit den Türken.
Wie man Doge wird – und warum es viele nicht werden wollten
Und dann dauerte es mehr als ein halbes Jahrhundert, bis der nächste Mocenigo zum Dogen gewählt wurde. Warum dieser einflussreichen Familie das Amt nicht eher wieder zufiel, erklärt auch das ausgeklügelte Wahlverfahren, nach dem von 1268 bis zum Untergang der Republik vorgegangen wurde.
Es war eine Mischung zwischen Zufallsentscheid und sorgfältiger Beratung: Alle Mitglieder des Großen Rats waren potentiell wählbar und wahlberechtigt. Allerdings führte der Große Rat insgesamt zu keinem Zeitpunkt eine Wahl durch. Mit Hilfe zwei hintereinander durchgeführter Losverfahren ermittelte man 9 Personen, die ihrerseits 40 Wahlmänner ernannten. Durch das Los wurden die 40 Wahlmänner auf 12 reduziert, die nun ihrerseits 25 Wahlmänner ernannten. Dieses Verfahren wurde zweimal wiederholt, bis endlich die 41 Wahlmänner feststanden, die tatsächlich den Dogen aus den Mitgliedern des Großen Rats wählten.
Die behielten auch nach der Wahl die volle Kontrolle über ihren Dogen. Er konnte jederzeit abgesetzt werden und musste eine Fülle von Einschränkungen akzeptieren: Der Doge durfte den Dogenpalast nur in staatlicher Mission verlassen. Er musste alle privaten Geschäfte einstellen und durfte keine Geschenke mehr annehmen. Seine Familie war ebenfalls betroffen. Männern war es verboten, eine kirchliche Position zu akzeptieren; Frauen einen fremden Herrscher zu heiraten. Alle Handlungen und Entscheidungen musste der Doge mit seinen Beratern absprechen. Ja nicht einmal einen an ihn gerichteten Brief durfte er ohne Beisein eines Dogenberaters lesen. Und nach dem Tod des Dogen folgte die Endabrechnung: War es zu finanziellen Unstimmigkeiten gekommen, stand die Familie mit ihrem Vermögen gerade. Kein Wunder, dass die Verfassung es verbot, die Wahl zum Dogen auszuschlagen. Kein Mächtiger war willens, sich freiwillig solchen Einschränkungen zu unterziehen.
Pietro Mocenigo: Doge für ein Jahr
Nichtsdestotrotz galt es als eine hohe Ehre, den Dogen zu stellen. Und den Mocenigo wurde diese Ehre mit insgesamt sieben Dogen relativ häufig zuteil. Kein Wunder: Die Mocenigo waren eines der fruchtbarsten Geschlechter in Venedig. Es gab alleine 15 Hauptzweige, dazu etliche kleinere Nebenzweige.
Pietro war ein Neffe des ersten Dogen aus dem Haus Mocenigo. Er war wie sein Onkel Oberkommandierender der venezianischen Flotte und führte in dieser Funktion viele erfolgreiche Kriege und Beutezüge in Kleinasien.
Seine Münzen sind extrem selten, weil er praktisch nur ein Jahr amtierte: Er wurde am 14. Dezember 1474 gewählt und starb bereits am 23. Februar 1476 an der Malaria, einer Krankheit, die er sich in Kleinasien geholt hatte.
Giovanni Mocenigo: Der kleine Bruder
Es mag ein Tribut an die Familie Mocenigo gewesen sein, dass nach einem zweijährigen Zwischenspiel der Bruder Pietros, Giovanni Mocenigo, zum Dogen gewählt wurde. Er präsidierte Venedig von 1478 bis 1485. Seine Herrschaft war weniger glücklich als die seines Bruders. Venedig musste große Gebiete aufgeben. Dazu flackerte die Pest immer wieder auf, kostete erst das Leben der Dogaressa, dann des Dogen selbst.
Alvise Mocenigo: Sieger von Lepanto
Damit war die Reputation der Mocenigo beschädigt. Und es dauerte ein knappes Jahrhundert, bis wieder ein Mitglied der Mocenigo zum Dogen gewählt wurde. Alvise Mocenigo trat sein Amt 1570 an und starb 1577. Es waren ihm nur sieben Jahre vergönnt, aber was waren das für Jahre!
1571 besiegte die christliche Flotte die osmanische bei Lepanto. Trotz dieses Sieges kostete es Venedig 300.000 Dukaten, von den Osmanen das Privileg zu erhalten, weiterhin Handel zwischen Abend- und Morgenland treiben zu dürfen.
1574 besuchte der französische König Heinrich III. die Stadt. Alvise Mocenigo empfing ihn unter Aufbietung aller Pracht, konnte ihn aber nicht für ein Bündnis gewinnen.
Und dann brannte der Dogenpalast ab und die Pest brach wieder aus. Es war die schlimmste Pest, die Venedig je heimgesucht hatte. Es war die Pest, der Venedig die Kirche Il Redentore verdankt: Der Senat gelobte am 4. September 1576 diese Kirche, würde die Pest endlich enden. Das tat sie mit Einbruch des Winters.
Alvise starb ein halbes Jahr später, am 4. Juni 1577. Boshafte Zungen behaupteten, er habe sich selbst aufgehängt, weil er es nicht mehr ertrug, wie dringend ganz Venedig auf seinen Tod, einen neuen Dogen und damit auf bessere Zeiten wartete.
Alvise II, III und IV: Nicht mehr als ein repräsentatives Versatzstück
Auch wenn auf dieser Osella des 18. Jahrhunderts ein prächtiges Schiff dargestellt ist, gehörte die venezianische Seemacht zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Vergangenheit an. Nichtsdestotrotz war es den Venezianern gelungen, ein neues Geschäftsfeld aufzutun. Venedig war die Lieblingsdestination aller jungen Fürsten, die von ihren Papas in Begleitung eines Lehrmeisters auf die Grand Tour geschickt wurden. Standen in Florenz die Meister der Malerei, in Rom die Kirchen und in Neapel die antiken Statuen auf der Agenda, war Venedig das pure Vergnügen.
In der Geschichte spielte Venedig kaum mehr eine Rolle. Trotzdem tagte immer noch der große und der kleine Rat, und natürlich wurden Dogen gewählt. Drei Mitglieder der Familie Mocenigo erreichten zwischen 1700 und dem Untergang der Republik im Jahr 1797 dieses Amt. Sie alle trugen den Namen Alvise. Denn der erste Doge diesen Namens war kinderlos geblieben. Er hatte seinen Brüdern sein gesamtes Vermögen hinterlassen mit der Auflage, jeweils ihrem ältesten männlichen Nachkommen seinen Namen zu geben.
Die Münzen dieser Epoche sind größer und prächtiger als die früherer Zeiten.
Sie dienten wie dieser Goldabschlag zu 12 Zecchini von den Stempeln eines Scudo della croce als Geschenke oder zur Entlohnung bedeutender Künstler. Denn schließlich beruhte die Reputation von Venedig nicht nur auf ihren vielen Spielcasinos, sondern auch auf der Qualität ihrer Musik- und Theateraufführungen, ihrer Stierkämpfe und Maskenbälle. Dafür lockte die Serenissima Stars aus ganz Europa in ihre Stadt und belohnte sie mit beeindruckenden Geldgeschenken.
Skandal um den Sposalizio del Mare
Höhepunkt im touristischen Festkalender war der Sposalizio del Mare, die Hochzeit mit der Adria, die jedes Jahr am Fest der Himmelfahrt Christi durchgeführt wurde. Stellvertretend für Venedig fuhr der Doge als Bräutigam auf seinem prachtvollen Staatsschiff, dem Bucintoro, auf das offene Meer hinaus. Dort warf er unter Gebeten einen wertvollen Ring ins Wasser.
Dass dieser Ritus im 18. Jahrhundert nicht einmal mehr vom Dogen selbst ernst genommen wurde, dürfen wir der Tatsache entnehmen, dass Alvise IV. Moncenigo, der letzte Doge seines Geschlechts, in einen Skandal verwickelt wurde, der sich um eben diesen Ring drehte: Der war nämlich nicht im Meer gelandet, sondern fand sich am Finger einer adligen Dame mit zweifelhaftem Ruf.
Nicht dass das der Beliebtheit von Venedig auch nur den geringsten Schaden zugefügt hätte. Im Gegenteil. Bis heute gilt Venedig als eine der großen Sehenswürdigkeiten, die jeder Tourist in seinem Leben zumindest einmal besucht haben muss.
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