Über Gold und Goldfinger: Fakten und Fiktion
Es lässt sich mit Sicherheit sagen, dass niemand je James Bond geschaut hat, um sich über Gold zu informieren. Doch es gab Zeiten, da war Gold ein zentrales Thema in Bond-Filmen, denn es stand für viel Reichtum und Macht. Schaut man sich die Fakten und Fantasien genauer an, die in diesen Filmen präsentiert und repräsentiert werden, kann man durchaus „Neues“ über Gold und seine Produktion, Bepreisung, Lagerung und Rolle im globalen Finanzsystem lernen. Zudem könnte dies dabei helfen, mit einigen weitverbreiteten Irrtümern aufzuräumen und hartnäckige Legenden zu zerstreuen.
Das Geheimdienst-Briefing der Bank of England: Fehlinformation und Desinformation
Der britische Geheimdienst wusste einst so manches über Gold. In „Liebesgrüße aus Moskau“ (Originaltitel: From Russia with Love; 1963) stattete er seinen Agenten 007 in weiser Voraussicht mit 50 Gold-Sovereigns aus, die ihm bei seiner Reise durch Osteuropa behilflich sein sollten. James Bond war so schlau, deren Anziehungskraft auszunutzen, um auf dramatische Art und Weise sein eigenes Leben zu retten. Im nächsten Bond-Film „Goldfinger“ (1964) stand Gold dann ganz im Mittelpunkt: Nachdem der Vorspann im Tod einer bildschönen Frau gipfelt, die brutal ermordet wird, indem man sie komplett mit Gold ummantelt, kommt man dann zur Sache und beordert Bond zur englischen Zentralbank. Bei einem Brandy nach dem Abendessen wird er über Gold und die Sorgen um dessen Einsatz beim Schmuggel aufgeklärt. Der Gouverneur der Bank of England (BoE) erläutert, dass die BoE ebenso wie Fort Knox Goldbestände lagert, die den „wahren Wert von Dollar und Pfund“ bestimmen. Das Problem dabei ist, dass der offizielle Goldpreis zwar bei 30 US-Dollar je Feinunze liegt, es anderswo aber weit teurer verkauft wird und bis zu „110 Dollar in Pakistan“ einbringt. Offenbar ist Gold, im Gegensatz zu Diamanten, „ideal zu schmuggeln“, da man es nicht nachverfolgen kann. Ausgestattet mit diesen Informationen erhält Bond den Auftrag, dem berüchtigten Auric Goldfinger das Handwerk zu legen, der schon lange des Schmuggels verdächtigt wird. Dazu leiht man Bond (als Köder) einen 400-Unzen-Goldbarren im Wert von „5000 Dollar“ aus einem Nazi-Schatz, der aus dem Toplitzsee in den Österreichischen Alpen gefischt wurde.
Und nun zu den Fakten
Schon zu Beginn des Films wimmelt es also nur so von Fehlinformation, Desinformation und Falschinformation in Bezug auf Gold. Historisch gesehen dienten Goldbestände in Form von Barren und Münzen im System des Goldstandards tatsächlich als gesetzliche Grenzen für die Ausgabe von Banknotenwährungen. Dass im Jahre 1964 aber der „wahre Wert von Dollar und Pfund“ irgendwie durch Änderungen in den Goldreserven bestimmt wurde, ist nicht korrekt. Der große Vorteil der Währungsordnung Goldstandard war nämlich, dass dadurch internationale Wechselkurse eben gerade trotz Fluktuationen in nationalen Goldbeständen stabil blieben. Im Jahre 1964 lag der gesetzlich festgelegte Goldpreis bei 35 Dollar (nicht 30) pro Feinunze, d. h. Gold konnte überall auf der Welt zu Preisen, die sehr nahe an diesem definierten Wert in US-Dollar lagen, legal gekauft und verkauft werden. Preise in Pakistan mögen höher gewesen sein als in London, aber ein 300%-Aufschlag für geschmuggeltes Gold ist nicht zu erklären. In den Nachbarländern Indien und Iran wurde Gold legal zu Preisen nahe den vorgeschriebenen 35 Dollar gehandelt. Es ergibt sich außerdem, dass ein Standard-Goldbarren (400 Unzen, also 12,5 Kilogramm, „London Good Delivery“) 14.000 Dollar wert war, also fast dreimal so viel wie der unerklärliche Preis für das Nazigold im Film; aber 5.000 Dollar waren 1964 schon eine Menge Geld.
Problematisch ist auch die Vorstellung des Toplitzsees oder sonstigen österreichischen Alpenseen als Quelle gehobener Nazi-Goldschätze. Bei umfangreichen und wiederholten Tauchgängen konnten weder im Toplitzsee noch in anderen österreichischen Gewässern Goldbarren gefunden, geschweige denn gehoben und restituiert werden. Dass die Leute 1964 so etwas für glaubwürdig hielten, ist eine Sache, dass bis heute über Nazi-Goldschätze spekuliert wird, eine andere (und zeugt von einer zunehmenden Faszination, die Faschismus, Tiefseetauchabenteuer und das Dritten Reich ausüben, und davon, wie viel bereits in Vergessenheit geraten ist).
Ein völlig verrückter Plan
Sind die Informationen des Gouverneurs der Bank of England über Gold irreführend und falsch, so sind Auric Goldfingers Aussagen zum Thema einfach nur unerklärlich unsinnig und verrückt. Wie Bond herausfindet, besteht Goldfingers geniale Schmuggeloperation aus jährlich sechs Touren von Kent in die Schweiz mit seinem Rolls Royce 1936 Phantom III, dessen Karosserie und Blech durch Teile aus Gold ersetzt wurden. So viel zum Thema Schmuggel. Doch Goldfingers wahrer Plan, zu Reichtum zu gelangen, ist die „Operation Grand Slam“ – und der gefangengenommene Bond hat bei deren Umsetzung einen Logenplatz. Zielobjekt ist das Lager für die US-Goldreserve in Fort Knox, in dem angeblich „15 Milliarden Dollar in Gold“ lagern, „bewacht von 41.000 Soldaten“. Der niederträchtige Plan Goldfingers beinhaltet die Ausschaltung von um die 60.000 Personen rund um Fort Knox, indem er das Giftgas „Delta 9“ versprüht, um Zugang zu dem sagenumwobenen Depot zu erlangen. Das sind ziemlich viele Tote für ziemlich viel Gold, und man stelle sich mal vor, wie viel mehr Menschen sterben mussten, um das Gold überhaupt erst aus dem Boden und in das Depot zu bekommen!
Zum Glück errechnet unser blitzgescheiter Held James Bond, dass „15 Milliarden Dollar in Gold“ 10.500 Tonnen wiegen (15 Milliarden Dollar bei 30 Dollar pro Feinunze macht 17.000 amerikanische Tonnen, aber was soll’s), also kann Goldfinger, der Schmuggler, gar nicht mehr als einen Bruchteil des gesamten Goldbestands transportieren. Doch ebenso, wie er mit Mathe Probleme hat, begreift Bond auch nicht das volle Ausmaß von Goldfingers bösem Plan. Dessen Absicht ist es nicht, das Gold aus Fort Knox zu stehlen, sondern es durch Zünden einer schmutzigen Bombe „für 58 Jahre“ unbrauchbar zu machen (man könnte für diesen Angriff den alten geldpolitischen Begriff der „Sterilisation“ gebrauchen). Nach Ansicht des genialen Bösewichts Auric Goldfinger sollte dies den Wert seiner eigenen Goldreserven um „mindestens“ das Zehnfache erhöhen. Das würde bedeuten, dass die herbeigeführte Knappheit den Goldpreis in die Höhe triebe, obwohl das Gold von Fort Knox dort seit 1932 lagert und eben ausdrücklich als „Bestand“ gehalten wird, mal ganz abgesehen von dem unveränderlichen, altehrwürdigen gesetzlichen Goldpreis. Einmal aufgedeckt ergibt die „Operation Grand Slam“ wirklich überhaupt keinen Sinn. Aber vielleicht lernen wir aus „Goldfinger“ etwas anderes Wesentliches über den Charakter von Gold: Menschen kämpfen und sterben dafür! Und kurioserweise fühlen wir uns trotzdem unterhalten von dem gewaltigen, stilisierten Spektakel, der Mischung aus Fakten und Fiktion, greifbar gemacht durch spitzen, schwarzen Humor und einen scheinbar unerschöpflichen Quell rassiger Bond-Girl-Sexsymbole.
Zuletzt sei angemerkt, dass mit dem Thema Gold in der 007-Filmreihe zehn Jahre später dann abgeschlossen wurde, als man den Goldstandard in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (Originaltitel: The Man with the Golden Gun; 1974) völlig außer Acht ließ: Ein Auftragskiller versucht darin, Bond mit seiner goldenen Waffe zu erschießen. Wie passend, dass die goldene Kugel (mit Bonds Namen eingraviert) ihr Ziel verfehlt. Seitdem ist James Bond erfreulicherweise goldfrei.
Uns ging beim Lesen dieses Artikels von Simon Bytheway das berühmte Titellied „Goldfinger“ von Shirley Bassey nicht aus dem Kopf. Ging es Ihnen ebenso? Dann können Sie ihn sich hier auf YouTube anhören und dabei ein paar ikonische Szenen aus dem Film sehen.
Lesen Sie mehr über den Autor Simon Bytheway in unserem Who is Who.
Zur Ehrung des einzigartigen James Bond haben die die Royal Mint und die Perth Mint kürzlich eine Reihe von Gedenkmünzen und -barren ausgegeben.