Türkischer Orden aus dem Besitz der Hohenzollern bringt 161.000 Euro
Am 30. Dezember 1883 fertigte der osmanische Herrscher ein Schreiben aus, in dem er Wilhelm I., seinem neuen Verbündeten, den Großen Verdienstorden seines Landes namens Imtiyaz Medalyasi verlieh. Diese Auszeichnung sollte die politischen Bande zwischen dem deutschen Kaiser und dem Reich am Bosporus stärken.
Der Goldene Große Verdienstorden, der 1883 von Abd al-Hamid an den deutschen Kaiser Wilhelm I. verliehen wurde, brachte bei der jüngsten Auktion Gorny & Mosch 197 (2011), 161.000 Euro!
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm Wilhelm II. den Orden mit ins Exil. Er wurde nach dem 2. Weltkrieg als Bestandteil seines Nachlasses in den Niederlanden versteigert. In ihrer letzten Auktion bot die Firma Gorny & Mosch dieses historische Zeugnis im Rahmen der Sammlung Ede-Uçta zum Verkauf an: 161.000 Euro mußte der neue Besitzer bezahlen, um den Orden zu erwerben.
Abd al-Hamid auf seinem Besuch in England / Balmoral Castle 1867. Fotografie aus der Sammlung George Grantham Bain / Library of Congress. Quelle: Wikipedia.
Er war den Konservativen seines Landes mehr als verdächtig, jener Abd al-Hamid II., der am 31. August 1876 zum Herrscher des Osmanischen Reichs ausgerufen wurde. Er kannte Europa, hatte selbst Österreich, Frankreich und England bereist, war ein begabter Schreiner und liebte westliche Opern. Er war unkonventionell und damit genau der Mann, den das verfallende Großreich brauchte. Das nämlich war in einer ziemlich verzweifelten Lage. Die reichen Gebiete des Balkans drohten verloren zu gehen; im Land selbst schrieen die Jungtürken nach politischen Reformen; die Staatskasse war mehr als leer.
Und dann nutzte auch noch Rußland die Lage, um sich einen großen Brocken aus der leichten türkischen Beute zu reißen. Nicht einmal ein Jahr dauerte der türkisch-russische Krieg, doch der Friedensvertrag kam das Osmanische Reich teuer zu stehen. Es mußte Rumänien, Serbien und Montenegro die Freiheit geben und Bulgarien die Autonomie. Rußland erhielt die Dobrudscha und Teile Armeniens sowie eine enorme Kriegsentschädigung. Zwar wurde diese später auf dem Kongreß von Berlin herabgesetzt, aber Abd al-Hamid war gezwungen, den Engländern für ihre Fürsprache auch noch Zypern gegen eine „Pacht“ überlassen. Seine Schulden zwangen ihn, im Dezember 1881 die Kontrolle über die Staatsfinanzen an die Administration de la Dette Publique Ottomane abzutreten, ein britisch-französisches Konsortium, das beliebig den Geldhahn auf- und zudrehen konnte. Kein Wunder, daß Abd al-Hamid nichts entgegenzusetzen hatte, als das Britische Empire im folgenden Jahr Ägypten und den Sudan eroberte.
Die Hohe Pforte dürfte also zu Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts von der Triple Entente – Großbritannien, Frankreich und Rußland – die Nase ziemlich voll gehabt haben. Man suchte neue Partner und fand sie in den Deutschen, die ihrerseits Bündnispartner für ihre neue Kolonialpolitik brauchten. Um 1880 begann die Diskussion über die Bagdadbahn. Sie sollte für die Osmanen die brachliegenden, fruchtbaren Gebiete des Inneren Anatoliens erschließen, und den Deutschen den Weg in den Fernen Osten öffnen, ohne den unter britischer Kontrolle stehenden Suezkanal benutzen zu müssen.
Wilhelm I. an seinem Schreibtisch. Quelle: Wikipedia.
Die Verleihung des Goldenen Großen Verdienstordens Imtiyas Medalyasi durch Abd al-Hamid II. steht in diesem politischen Zusammenhang. Am 30. Dezember 1883 verfaßte der Sultan je ein persönliches Schreiben an den deutschen Kaiser Wilhelm I. und seinen Verbündeten Kaiser Franz Joseph von Österreich. Beiden Monarchen wurde der Orden zusammen mit dem Schreiben durch den türkischen Botschafter vor Ort übergeben. In Berlin erfüllte Mehmed Said Pascha diese Funktion. Er gehörte damals zu den engsten Mitarbeitern Abd al-Hamids und sollte später zu den Wegbereitern einer demokratischen Türkei werden. Am 6. Februar 1884 jedenfalls konnte er seinem Herrscher in Istanbul vermelden, daß Kaiser Wilhelm I. am Abend zuvor bei einem festlichen Ball im Kaiserpalast den Orden zu Ehren des Osmanischen Reichs getragen habe, eine große Ehre und ein diplomatisches Zeichen an den Sultan, daß Wilhelm eine Annäherung befürworte.
Der Orden verblieb in kaiserlichem Besitz, auch als der Enkel Wilhelms I., Wilhelm II., nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg Berlin verlassen mußte. Er nahm ihn mit in die Niederlande, wo er sich ins Exil zurückzog und 1941 starb. Nach Kriegsende wurde die Medaille mit dem Nachlaß versteigert, und von Dr. Kurt-Gerhard Klietmann, einem damals führenden Spezialisten der Phaleristik, erworben. Auf ihn geht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Stück zurück. Aus seinem Besitz gelangte es in die Hände von Hülya Ede-Uçta, die die Sammlung ihres Vaters, Mehmet Ede, fortgeführt hatte.
17.250 Euro erzielte diese seltene, aber unauffällige Bronzemedaille von 1909 auf das Ratshaus von Istanbul in der jüngsten Auktion Gorny & Mosch.
Der historisch so interessante Orden war das Glanzstück dieser Sammlung, aber auch die anderen 360 Stücke zeigten, wie das Sammelgebiet „türkische Medaillen“ im Kommen ist. Wie bei jedem neuen Gebiet gab es jede Menge Überraschungen. Ein vergoldeter Gnadenpfennig mit polierten Feldern in gutem sehr schön war mit bescheidenen 200 Euro geschätzt, verkauft wurde er mit guten 2.500 Euro. Eine unauffällige Suitenmedaille zu Ehren Mehmets des Eroberers stieg von ihrer Schätzung mit 100 Euro auf 2.300 Euro. Die Schätzung einer vorzüglichen und äußerst seltenen Zinnmedaille von 1854 auf das Drei-Mächte-Abkommen zwischen der Türkei, Frankreich und England betrug – für den Sammler von Medaillen des 19. Jahrhunderts unglaubliche – 2.500 Euro. Diese wurden vom Endergebnis mit 9.775 Euro noch weit übertroffen. Den Vogel schoß eine Bronzemedaille von 1909 auf das Rathaus von Istanbul ab. Das vorzügliche Stück war als sehr selten erkannt und mit 500 Euro geschätzt worden, aber niemand hätte geglaubt, daß es erst mit 17.250 Euro verkauft würde!
Die Sammlung Ede-Uçta ist ein guter Beweis dafür, daß es sich auch finanziell lohnt, neue Sammelgebiete zu erschließen.