Stein des Anstoßes
Am 25. Juni 1991 proklamierte das slowenische Parlament die Unabhängigkeit von Jugoslawien. Die Gründe dafür lagen im wirtschaftlichen Bereich. Slowenien und Kroatien waren die am weitesten entwickelten Teilrepubliken von Jugoslawien. Als nun nach dem Tode Titos ein wirtschaftlicher Rückgang einsetzte, lastete der Norden das dem Süden an, der traditionell von den Serben dominiert wurde. Diese verweigerten im Mai 1991 dem kroatischen Staatspräsidenten, die turnusmäßige Übernahme des Vorsitzes im Staatspräsidium, um sich nicht mit den Forderungen des Nordens auseinandersetzen zu müssen. Einen Monat später erklärten die nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit.
Das Regierungsgebäude in Sarajevo brennt während der Belagerung von 1992. Foto: Mikhail Evstafiev / CC BY-SA 2.5
Was folgte, war ein grausamer Krieg, der ganz Jugoslawien erfassen sollte. Slowenien hatte dabei Glück. Hier verlief der Kampf um die Freiheit relativ unblutig. 10 Tage dauerten die kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie kosteten acht slowenische Polizisten, fünf Zivilisten, zehn Ausländer und 39 jugoslawische Soldaten das Leben.
Auf Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft kam das Brioni-Abkommen zustande, das festlegte, dass Jugoslawien seine Truppen abziehen würde, wenn Slowenien mit seiner Unabhängigkeitserklärung noch drei Monate wartete. Am 7. Oktober 1991 war es dann so weit. Die Slowenen wurden unabhängig.
1 Tolar aus der ersten Münzemission Sloweniens, Prägejahr 2004. Foto: Armin Michael Kohlross / MA-Shops.
Der Tolar
Am 4. Januar 1993 wurden die ersten Münzen der jungen slowenischen Republik ausgegeben. Ein jugoslawischer Dinar wurde mit einem slowenischen Tolar zu 100 Stotinov gleich gesetzt. Die Motive waren damals unverbindlich: Grottenolm (10 Stotinov), Waldohreule (20 Stotinov), Honigbiene (50 Stotinov), Bachforelle (1 Tolar), Rauchschwalbe (2 Tolarja), Alpensteinbock (5 Tolarjev) und Pferd (10 Tolarjev).
Diese Unverbindlichkeit war genauestens kalkuliert. Schließlich war Slowenien von seinem bisher wichtigsten Wirtschaftsraum abgeschnitten. In Kroatien tobte zum Zeitpunkt der Ausgabe der Münzen noch der Krieg. Und die Frage, ob und wann man wieder mit den anderen Teilrepubliken Jugoslawiens friedliche Handelsverbindungen eingehen würde, sollte offen bleiben.
Historische Karte der Krain, wie Slowenien als Teil der Habsburger Monarchie genannt wurde. Aus: Josef Karl Kindermann, Christoph Junker (Stecher), Gerhard Michael Dienes – Atlas von Inneroesterreich.
Es galt also, neue Wirtschaftsräume zu erschließen. Und was lag da näher, als Kärnten und die Steiermark, mit denen Slowenien einen großen Teil seiner Grenze teilt? Und hier begann es nun politisch empfindlich zu werden, denn diese Grenze ist ein Erbe des 19. Jahrhunderts. Noch bis in die frühe Neuzeit war die Trennung zwischen Österreich und Slowenien nicht so scharf, wie sie sich uns heute darstellt. Eine österreichische Untersuchung um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die den Anteil der Minderheiten eher geringrechnete, konnte nicht umhin, folgende Zahlen zu liefern. Für Krain, das spätere Slowenien: 88 % Slowenen, 8 % Deutsche. In der Steiermark 64 % Deutsche und 36 % Slowenen, in Kärnten 70 % Deutsche, 30 % Slowenen, für Triest mit seiner Umgebung 55 % Italiener, 31 % Slowenen und 10 % Deutsche.
Der slowenische Anteil außerhalb Sloweniens ging erst in dem Moment radikal zurück, als das Nationalbewusstsein sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtig durchsetzte. Hatten 1910 in Südkärnten noch 82.000 Menschen sich selbst als Slowenen bezeichnet, waren es 1923 noch 37.000. 1939, ein Jahr nach der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland, in einer Phase der Zwangsgermanisierung, erinnerten sich nur noch 7.443 Menschen an ihre slowenischen Vorfahren.
Was natürlich in der Realität nichts daran ändert, dass unzählige Österreicher Slowenen in ihrem Stammbaum haben und umgekehrt.
Der Fürstenstein, heute ausgestellt im Großen Wappensaal des Landhauses Klagenfurt. Foto: Johann Jaritz / CC BY-SA 3.0.
Gemeinsames Erbe
Das gemeinsame Erbe findet seinen Ausdruck im Fürstenstein, einer politischen Reliquie des Mittelalters, auf die sowohl Slowenen als auch das österreichische Bundesland Kärnten Anspruch erheben.
Dieser Fürstenstein spielte eine wichtige Rolle beim Amtsantritt des karantanischen Fürsten. Bis zum Jahr 828 gelobte der Fürst in slawischer Sprache, den Willen und die Rechte des Volkes zu achten. Die späteren Herrscher Karantaniens oder besser Kärntens, nämlich die Habsburger, behielten dieses Zeremoniell bis 1414 bei. Deshalb steht der Fürstenstein heute in Österreich.
Hohe Schule mit Lippizanern. Ölgemälde von Ludwig Koch.
Und dies ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Jahrhunderte lang war Slowenien ein Teil der Habsburger Monarchie. Nicht nur die österreichische Küche hat zahlreiche slowenische Spezialitäten wie z. B. die berühmten Krainerwürste übernommen. Das Gestüt Lipica lieferte die Hengste für die Spanische Hofreitschule in Wien.
Es ist und bleibt also schwer, österreichisches und slowenisches Erbe auseinanderzudividieren.
Das slowenische 1-Cent-Stück.
Der Stein des Anstoßes
Am 1. Januar 2007 trat in Slowenien der Euro in Kraft. Und die nichtssagenden Bilder der ersten Emission slowenischer Umlaufmünzen wurden durch neue, dem slowenischen Nationalbewusstsein eher entsprechende ersetzt. Lediglich der Weißstorch auf dem 1-Cent-Stück erinnert an die Unverbindlichkeit der ersten Emission. Er war seit 2000 bereits auf der 20-Tolarjev-Kursmünze zu sehen gewesen.
Das slowenische 2-Cent-Stück.
Von den anderen Bildern wurde vor allem der Fürstenstein auf den 2-Cent-Münzen zum Politikum. Der populistische Landeshauptmann Jörg Haider protestierte energisch. Er machte den Kärntner Anspruch deutlich und ließ im gleichen Jahr den Fürstenstein demonstrativ aus dem Kärntner Landesmuseum ins Foyer der Kärntner Landesregierung bringen. Auf seine Initiative wird der Fürstenstein seit 2007 auf allen amtlichen Dokumenten und dem Briefpapier des Landes Kärnten als Symbol der Landesregierung abgebildet.
Das slowenische 20-Cent-Stück.
Nicht ganz so hoch gingen die Wogen hinsichtlich des 20-Cent Stücks, auch wenn in Wien eine leichte Verstimmung zu erkennen war. Die stolzen Lipizzaner, die Jahrzehntelang das österreichische 5-Schilling-Stück geschmückt hatten, nun als Symbol der Slowenen?
Die Macht der Gewohnheit
Mittlerweile benutzen die Slowenen ihren Euro seit 10 Jahren. Die meisten haben sich an die Motive darauf gewöhnt. Nur hin und wieder füllt ein Bericht darüber in der Sauregurkenzeit die Zeitschriften. So zum Beispiel im Januar 2012, als das Kärntner Landesmuseum berichtete, dass „diese für die Geschichte Kärntens und Sloweniens so bedeutende Frage in Kooperation mit Fachabteilungen der Akademie der Slowenischen Wissenschaften und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt bearbeitet wurde und die Fürstenstein-Frage wissenschaftlich gemeinsam gelöst wurde.“ Der Fürstenstein könne – so die Archäologen und Bauhistoriker – im 8. / 9. Jahrhundert noch nicht als Schwurstein gedient haben, weil er erst um 1000 n. Chr. während des Burgbaues von Virunum nach Karnburg verbracht worden sei. Natürlich reagierte man darauf von slowenischer Seite sofort. Es sei nichts als Unsinn!
Was all die Historiker und Journalisten dabei vergessen, ist die Tatsache, dass die Geschichte der Gegenstände nicht von ihrer realen Vergangenheit bestimmt wird, sondern davon, was man an ihnen festmacht. Das Ideal einer Nation gibt es eben erst seit dem 19. Jahrhundert, als man die Archäologie und die Geschichte bemühte, staatstragende Symbole zu (er)finden. Dabei hat man vergessen, dass es unhistorisch ist, ein modernes Konzept wie die Nation auf eine vergangene Zeit wie das Mittelalter mit seinen völlig anderen Vorstellungen zu übertragen.
Jede Zeit muss ihre Geschichte neu schreiben. Historische Forschung kann nicht neutral sein, weil wir immer unsere eigenen Vorstellungen als Projektionsfläche benutzen.