Schweizer Geld für Schweizer Bürger
Die Lateinische Münzunion und der Erste Weltkrieg
Die Schweiz war 1865 ein Gründungsmitglied der Lateinischen Münzunion (LMU). Das bedeutete, dass in der Schweiz Münzen von genau definierten Staaten zum gleichen Wert wie ihre Schweizer Äquivalente kursieren durften. Um die Währung stabil zu halten, sprachen sich die Mitglieder der LMU regelmäßig hinsichtlich Prägekontingenten und Edelmetallgehalt der Münzen ab.
Dieses Vorgehen scheiterte im Ersten Weltkrieg, der von allen Kriegsparteien immense finanzielle Opfer verlangte. Frankreich zum Beispiel ersetzte seine Goldmünzen durch 30.250 Mio. Francs in Papiergeld, während in der neutralen Schweiz gleichzeitig „nur“ 733 Mio. Franken in Papiergeld umliefen. Nach dem Krieg hoffte Frankreich, seine Währung durch die hohen Reparationszahlungen, die der Versailler Vertrag dem Deutschen Reich auferlegte, zu sanieren. Immerhin waren Frankreich 52 % der 20 Milliarden Goldmark – zum damaligen Zeitpunkt über 7.000 Tonnen Gold – zugesprochen worden. Diese gewaltige Summe wurde in der Londoner Konferenz von 1921 noch einmal erhöht, auf 226 Milliarden Goldmark, eine Summe, die sich auch bei heftigsten Drohungen nicht mehr aus dem erschöpften Deutschland pressen ließ.
Die Lateinische Münzunion ordnet sich neu
Nichtsdestotrotz genügten die geleisteten Reparationen erst einmal, damit sich die Währungsverhältnisse wieder normalisieren konnten. Die Goldmünzen kehrten in den Zahlungsverkehr zurück. Und da trat schon wieder das nächste Problem auf. Schließlich basierte die Währung der Lateinischen Münzunion auf einem Gold-Silber-Standard.
Durch den kurzfristigen Verfall des Silberpreises – er sollte erst in den 1920er Jahren wieder steigen – waren die Silbermünzen der LMU überbewertet. Die Schweiz hatte einen Exportüberschuss, durch den ausländische Silbermünzen in einem solchen Maße in die Schweiz flossen, dass es der Nationalbank bedrohlich erschien. Lediglich 4,8 % aller in der Schweiz kursierender Fünfliber waren auch in der Schweiz entstanden. 232 Mio. Schweizer Franken in ausländischen Fünflibern lagerten in den Kassen. Wie sollte man sie aus dem Umlauf verbannen? Und wie schnell konnte man sie durch eigenes Geld ersetzen?
Die Schweizer Politiker entschieden sich für kleine Schritte. Im März 1920 setzten sie durch, dass Frankreich alle in der Schweiz kursierenden französischen Münzen bis 2 Franken – gesamthaft 43,38 Mio. CHF an Wert – zurückkaufte. Die Eidgenössische Münzstätte prägte den Ersatz.
Am 4. Oktober 1920 verbot die Schweiz ohne Rücksprache(!) mit den anderen Mitgliedern der LMU den Import von ausländischen 5 Franken-Stücken und setzte sie am 28. Dezember 1920 außer Kurs. Damit war der gesamte Silbergeldumlauf in der Schweiz zum ersten Mal nationalisiert! Erst ein Jahr später, am 9. Dezember 1921, anerkannten die anderen Mitglieder der LMU diese währungspolitische Wende.
Der neue 5 Liber
Die letzte Emission von Schweizer Fünfliber-Stücken trug die Jahreszahl 1916. Sie zeigten auf der Vorderseite den Kopf der Helvetia, ein ziemlich austauschbares Motiv. Weltweit war der Frauenkopf auf der Vorderseite „das“ Motiv für Demokratien. Doch die Schweizer Politiker wollten etwas Neues, Unverwechselbares. Schließlich sollten die Schweizer es merken, wenn jemand versuchte, ihnen eine ausländische Münze anzudrehen.
Noch 1919 war ein erster Wettbewerb ausgeschrieben worden, um ein neues, typisch Schweizerisches Münzbild zu finden. Ohne Ergebnis. Aber die Künstler der besten Entwürfe wurden zu einem neuen Wettbewerb eingeladen. Letztendlich war es dann ein Beschluss des Bundesrats, der festlegte, dass die Büste des Alphirten von Paul Burkhard das Motiv der zukünftigen Fünfliber sein sollte.
Erst Ende 1923 lagen die ersten Prägestempel vor. Mit der Jahreszahl 1922! Doch da man die Prägung beim besten Willen nicht noch weiter verzögern konnte – schließlich durften zu diesem Zeitpunkt bereits keine ausländischen 5 Liber mehr zirkulieren –, wurden die neuen Fünfliber eben mit diesen unbefriedigenden Stempeln geprägt, und zwar 2,4 Mio. Exemplare. Gleichzeitig schickte man die Patrize nach Deutschland zur Überarbeitung. Doch auch dort schaffte man es nicht, das Modell adäquat umzusetzen. Das Relief der Münzen geriet trotz hohem Prägedruck einfach nicht scharf genug. Wo der Hals des Alphirten endet und seine Kapuze beginnt, lässt sich auf diesen Stücken nicht unterscheiden. Aber die Wirtschaft brauchte 5 Franken-Stücke. Deshalb produzierte man mit diesen ungenügenden Stempeln 11,3 Mio. Stücke, von denen allerdings viele zu einem späteren Zeitpunkt außer Verkehr gezogen wurden, als man das Problem der Prägung adäquat gelöst hatte.
Um dies zu erreichen, schuf Paul Burkhard noch einmal ein Modell seines Motivs, das diesmal nach England geschickt wurde, um die Reduktion in den Stempel vorzunehmen. Die Urpatrize wurde weitergeschickt nach Berlin, wo ein Graveur sie noch einmal überarbeitete. Und endlich besaß man eine Patrize, deren Stempel genau das Relief produzierten, das man sich von Anfang an vorgestellt hatte.
Übrigens, um Ihnen eine Vorstellung vom Wert so eines Stückes zu geben. Allein die Prägekosten betrugen pro Münze 0,3 Rappen. Dazu kamen 4,96 Franken an Materialkosten. Die Materialkosten machten also den Löwenanteil an der Münze aus, auch wenn es aus abgenutztem Schweizer Silbergeld und aus dem Verkehr gezogenen ausländischen 5 Franken-Stücken gewonnen wurde.
Übrigens, der Netto-Stundenlohn eines durchschnittlichen männlichen Arbeiters betrug 1928 87 Rappen. So ein Fünfliber stellte also den Gegenwert von fast sechs Stunden harter Arbeit dar. Frauen mussten sogar noch länger dafür arbeiten, und zwar mehr als elf Stunden!
Warum nur so wenige 5 Franken aus dem Jahr 1928 überlebt haben
Im Dezember des Jahres 1925 teilte die belgische der französischen Regierung mit, dass sie beschlossen habe, zum 1. Januar 1927 aus der Lateinischen Münzunion auszutreten. Sie sah keinen anderen Weg mehr, ihre finanzpolitischen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Kurz vor dem Stichtag meldete sich der Schweizer Bundesrat zu Wort und teilte mit, dass er durch den Austritt Belgiens die Lateinische Münzunion für aufgelöst betrachtete.
Nein, es gab keinen Aufschrei. Weder im Ausland noch im Inland. Alle nahmen das Ende einer Währungsunion, die wichtige Länder mehr als ein halbes Jahrhundert verbunden hatte, ziemlich gleichgültig hin. Schließlich veränderte sich für die Bevölkerung auch nur eine winzige Kleinigkeit: Mit dem 8. Februar 1927 hörten auch ausländische Goldmünzen auf, in der Schweiz zu kursieren.
Für die Schweizer Währungspolitik bedeutete es dagegen einen Paradigmenwechsel. Nun konnte die Schweiz wieder festlegen, wie die eigenen Münzen beschaffen sein sollten. Der Wechsel auf einen reinen Goldstandard machte es möglich, die silbernen Fünfliber stark untergewichtig auszuprägen.
Die Vertreter aller bedeutenden Wirtschaftsverbände stimmten am 16. August 1928 im so genannten „Fünfliberparlament“ für ein kleineres und damit wesentlich leichteres 5 Franken-Stück, das weiterhin aus Silber bestehen sollte. Eine Fachkommission, die am 21. und 22. Januar 1929 tagte, bestätigte die Entscheidung. Außerdem schaffte sie vor allem auf Bitten der Schweizerischen Nationalbank die 5 Franken-Banknote ab. Sie war zu teuer: Schließlich hielt so eine Banknote nur zwei bis drei Jahre, kostete aber in der Herstellung 6 Rappen pro Note.
Auch wenn das Gesetz zur Ausprägung der neuen 5 Franken-Stücke erst am 9. September 1931 erlassen wurde, war bereits im Sommer des Jahres 1928 klar, dass die neuen 5 Franken-Stücke aus wesentlich weniger Silber bestehen würden. Und da das Silber den Löwenanteil der Prägekosten ausmachte, wäre es unwirtschaftlich gewesen, die 23.971 Exemplare mit der Jahreszahl 1928, von denen der größte Teil noch in der Nationalbank gelagert haben dürfte, in Kurs zu setzen. Sie wurden direkt aus den Tresoren der Nationalbank wieder in die Münzstätte geschickt, um eingeschmolzen und zu neuen, kleineren Fünflibern verarbeitet zu werden.
Und deshalb trifft man heute das 5 Franken-Stück von 1928 viel seltener auf dem Sammlermarkt an, als man das eigentlich bei seiner Prägezahl von 23.971 Exemplaren erwarten möchte.
Lesen Sie den umfangreichen Vorbericht zur Rapp Auktion am 6. Mai 2022.
Für weitere Informationen über das Auktionshaus, besuchen Sie die Website von Rapp.
Lesen Sie mehr über die Lateinische Münzunion und die europäische Währungspolitik der Zeit.
Hier finden Sie heraus, welche die kostbarsten Münzen der Schweiz sind.