Schöpfer der Paduaner: Giovanni da Cavino
Im Jahr 1500 wurde Giovanni da Cavino in Padua geboren. Padua liegt in der Nähe von Venedig, und wurde damals politisch von der mächtigeren Metropole beherrscht. Trotzdem konnte die Stadt auf eine eigenständige Vergangenheit als Zentrum der Kunst zurückweisen. Giotto hatte hier gewirkt, Donatello das erste lebensgroße Reiterstandbild der Neuzeit geschaffen.
Der Condottiere Gattamelata, das von Donatello geschaffene, erste lebensgroße Reiterstandbild der Neuzeit.
Giovanni da Cavino gehörte zu dieser neuen Generation von Handwerkern, die sich zu Künstlern entwickelten. Er war der Sohn eines Goldschmiedes. Bis zu dessen Tod lernte er sein Handwerk direkt von ihm, danach ging er zu einem Meister namens Andrea Riccio in die Lehre. Cavinos erstes, von zeitgenössischen Dokumenten genanntes Werk waren zwei silberne Kerzenleuchter, die er in den Jahren zwischen 1527 und 1529 für den Dom von Padua lieferte. Auch der aufstrebenden Kunst der Medaillenherstellung widmete sich der junge Mann. Im Jahr 1554 fertigte und signierte Cavino eine Medaille mit dem Porträt des Papstes Julius III., im Jahr 1565 zwei Medaillen mit dem Bildnis Jesu Christi. Bekannt geworden unter den Sammlern von römischen Münzen ist Cavino allerdings mit anderen Produkten. Man sagt ihm nach, einer der ersten Münzfälscher der Geschichte gewesen zu sein.
Medaille von Giovanni da Cavino. Rv. Büsten des Alexander Bassianus (vorne) und des Giovanni da Cavino (hinten) n. r. Aus Auktion NAC 53 (2009), 569.
Cavinos Produkte, die nach seiner Heimatstadt Paduaner genannt werden, sind Kopien der feinsten römischen Bronzemünzen und werden von Liebhabern der Renaissancekunst heute um ihrer selbst willen gesammelt. Er schuf sie in Zusammenarbeit mit dem Humanisten und Münzsammler Alessandro Bassiano. Über 100 antike Münztypen kopierte Cavino im Laufe seiner Karriere, ja er erfand etliche neue dazu, wenn er den Eindruck hatte, daß die noch in den Kinderschuhen steckende Archäologie der Zeit eine Münze noch nicht wieder zum Vorschein gebracht hatte, die es eigentlich geben müßte. Alessandro Bassiano war ihm dabei ein kongenialer Partner, der das Wissen lieferte, während Cavino über die Kunstfertigkeit verfügte.
Erfundene Münze des Cavino, die vorgibt, von C. Iulius Caesar geprägt worden zu sein. Aus Auktion CNG 132 (2006), 286.
Bassiano gehörte damals zum kleinen Kreis der numismatischen Autoren: Er hatte bereits ein Buch über die Münzprägung der 12 Caesaren verfaßt, das Zeichnungen von Münzen enthielt, sowie Erläuterungen zu deren Ikonographie und den Inschriften. Bestimmt beriet er seinen Freund, als dieser daran ging, eine Bronzemünze des C. Iulius Caesar zu erfinden.
Nachahmung des Cavino von einem Sesterz des Septimius Severus. Der auf der Rückseite abgebildete Mars ist von seiner Körperauffassung her nicht mit einem Produkt aus einer römischen Münzstätte zu vergleichen. Aus Auktion CNG 132 (2006), 306.
Die Produkte Cavinos sind leicht zu erkennen. Schon ihr Gewicht verrät sie. Sie wurden auf wesentlich dünneren Schrötlingen geprägt als die tatsächlichen Sesterze und sind von ihren Darstellungen her wesentlich feiner.
Medaillon des Septimius Severus mit Darstellung eines Mars. Aus Auktion NAC 29 (2005), 569.
Der Künstler war geschult an den Vorbildern der Renaissance, so sind die Körper, die Calvino gestaltet, von denen, die wir auf antiken Münzen finden, völlig verschieden. Cavinos Gestalten bewegen sich natürlich, ihre Körper sind anatomisch richtig und weit davon entfernt, römisch zu wirken.
Nachahmung des Cavino eines Sesterzen des Pertinax.
Was Cavino am wenigsten gelang, war die Nachahmung der römischen Schrift. Wenn wir einen originalen Sesterz des Pertinax mit seiner Imitation von Cavino vergleichen, fällt auf, wie langweilig gleichförmig die Linien der nachgeahmten Schrift erscheinen.
Vorbild der Imitation des Cavino: Sesterz des Pertinax. Aus Auktion NAC 54 (2010), 1197.
Die Vertiefungen am Buchstabenbeginn und die unterschiedliche Tiefe des Stempelschnitts sind verflacht und gleichförmig geworden. Sollten noch letzte Unsicherheiten offen geblieben sein, so hilft ein Blick in die Bücher, die dem Werk des Renaissancekünstlers gewidmet sind. In ihnen wird mit Hilfe der in der Bibliothèque nationale, Paris aufbewahrten Stempel und deren Abdrücken ein wohl kompletter Katalog der Imitationen des Cavino vorgelegt (Z. H. Klawans, Imitations and Inventions of Roman Coins, 1977, dort mit ausführlicher Literaturliste).
War Cavino nun ein genialer Fälscher, der das Bedürfnis des sich gerade entwickelnden Münzmarktes nach antiken Münzen befriedigte? Oder war er ein Handwerker, der in Zusammenarbeit mit dem besten Numismatiker Paduas Kopien für Sammler anfertigte von Münzen, die nicht häufig genug auf dem Markt erschienen, um in jeder Sammlung vorhanden zu sein? Vielleicht hilft es für diese Fragestellung weiter, uns ein wenig über den Leumund des Cavino zu informieren. Und der war gut. Ja, im Jahr 1542 wurde Giovanni da Cavino gar zum Gutachter bestellt, als sich zwei Goldschmiede vor Gericht gegenüber standen. Einem Mann von zweifelhaftem Ruf hätte man so eine verantwortliche Aufgabe sicher nicht anvertraut. Dann wissen wir auch, daß Cavino gelegentlich die Rückseiten seiner Imitationen nicht nur mit den Porträts römischer Kaiser kombinierte, sondern auch mit den gerade erst angefertigten Porträts einflußreicher Politiker und Handelsleute seiner Heimatstadt. Dies wäre ziemlich unsinnig gewesen, wären seine Nachahmungen tatsächlich darauf angelegt gewesen, Sammler zu täuschen. Letzter Beweis für die ehrenhaften Motive des Cavino ist die Tatsache, daß es genügend Zeitgenossen gibt, die Cavino für seine Imitationen loben. Der erste scheint ein Kollege gewesen zu sein. Enea Vico schrieb im Jahr 1555 eine Studie über römische Münzen und erwähnte dabei Cavino als Imitator (und nicht als Fälscher!). Francesco Savonarola lobte 1560 gar beide „Väter“ der Paduaner, Cavino und Bassiano, mit dem Vers: Euer Leben, oh ihr Caesaren, wird auf ewig leuchten durch ihre (= Cavino und Bassiano, Anm. d. Verf.) numismatische Kunst.
Wer immer Cavino als Fälscher bezeichnen will, tut ihm also Unrecht. Er erfüllte ein Bedürfnis der Renaissance. Der Sammler des 16. Jahrhunderts strebte noch nicht nach dem, was wir Authentizität nennen würden. Für ihn zählte das Motiv. Echtheit war erst in zweiter Linie gefragt. Deshalb die ellenlangen Galerien von „gefälschten“ und echten Kaiserköpfen in den Antiquarien der damaligen Zeit. Sie stehen nicht von einander getrennt, bilden in einem wirren Durcheinander ein Vexierbild von echt und falsch. Wichtig war es nur, sich auf die Antike zu beziehen, ob mit einem Stück, das tatsächlich aus der Antike überlebt hatte, oder mit einem Stück, das ein moderner Künstler im Geiste der Antike geschaffen hatte, das spielte keine Rolle.
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