Münzfälschung oder keine Münzfälschung, das ist hier die Frage
Im Januar des Jahres 1799 wendete sich Colonel William Fullarton, schottischer Politiker und in den Jahren zwischen 1779 und 1803 Mitglied des House of Commons, brieflich an den Londoner Münzhändler seines Vertrauens. Er schrieb Matthew Young wegen der Prägung von Silbermünzen im Auftrag einer nicht näher genannten „Company“. Die Genehmigung dafür sollte der Prince of Wales erteilen, der – so Fullartons Sicht der Dinge – als High Steward von Schottland über die Autorität verfügte, das schottische Prägerecht auf andere zu übertragen. Deshalb, so Fullarton, solle Matthew Young den mit der Herstellung beauftragten Stempelschneider John Milton antreiben, so schnell wie möglich die Stempel für eine Münze im Wert von einem Shilling zu entwerfen, die „auf der einen Seite den Kopf des Prince of Wales und um den Kopf herum die Worte Georgius G.P.S.S.C.D. – 1799 [zeigt], auf der anderen Seite die Gravur der Wappen und des Emblems des Prince of Wales in Vierungen, so wie auf den Shillings der Münzstätte von Georg II. und Georg III., wobei besondere Sorge getragen werden muss, dass nichts graviert werde, was mit dem Wappen und den Emblemen seiner königlichen Majestät verwechselt werden kann.“ Die Rückseiteninschrift sollte Regni Scotiae Senescallus als Titel des Prince of Wales nennen und ihn damit als High Steward des Königreichs Schottland identifizieren, als der er, so hoffte Fullarton, die Prägung genehmigen werde.
Ein Resultat dieser Probeprägung, ein Goldabschlag zu 6 Pence, wird am 10. Oktober 2019 im Osnabrücker Auktionshaus Künker mit einer Schätzung von 10.000 Euro versteigert. Er ist von allergrößter Seltenheit, denn die Prägung wurde nie ausgeführt. Sir Joseph Banks, seit seiner Weltumsegelung mit James Cook eine graue Eminenz der Londoner Society, machte sich stark dafür, dies zu verhindern – wahrscheinlich auch aus persönlicher Freundschaft zu dem involvierten Stempelschneider John Milton.
John Milton war nämlich erst zwei Jahre zuvor in einen Skandal involviert gewesen, der für ihn hätte böse enden können: Der mit 80 Pfund Jahresgehalt ziemlich schlecht bezahlte dritte Stempelschneider der königlichen Münzstätte hatte seinen Kollegen Stempel für ausländische Münzen geliefert, darunter französische Goldmünzen, die in der Londoner Münzstätte geprägt (gefälscht?) worden waren, womit alle Beteiligten sehr gut verdient hatten.
Münzfälschung in der königlichen Münzstätte? Shocking! Nicht nur die Politiker realisierten, wie sehr das Ethos der königlichen Münztechniker unter einer veralteten, kaum noch benutzten Münzstätte gelitten hatte. In ihrer allzu üppigen Freizeit waren die demoralisierten Handwerker auf diese Idee gekommen, denn es gab in Großbritannien kein Gesetz, das die Herstellung von ausländischen Münzen verbot. Das stellte auch das Schatzamt in den Jahren 1796/7 mittels einer strengen Befragung und zweier verlorener Prozessen fest. Man musste alle Beteiligten straflos laufen lassen, so auch Milton, der immerhin seine Position als dritter Stempelschneider verlor (und dies höchst ungerecht fand). Erst im Juli des Jahres 1797 wurde ein Gesetz erlassen, das es in Großbritannien offiziell unter Strafe stellte, ausländische Münzen zu fälschen.
Seitdem arbeitete Milton wieder als Graveur von Gemmen für Siegelringe. Gelegentlich kam dazu ein Auftrag – meist auf Vermittlung des ihm wohl gesonnenen Sir Joseph Banks – zur Herstellung von Prägestempeln für Medaillen.
Und als Banks von Fullartons Absicht erfuhr, private Münzen im Namen des Prince of Wales zu prägen, riet er Milton, sich aus diesem Geschäft zurückzuziehen. Sein Argument war, dass es communis opinio sei, dass nur die Krone das Privileg habe, Münzen auszugeben. Das sah Fullarton anders. Er ließ ein Rechtsgutachten erstellen, das zu folgendem Ergebnis kam: „Jeder kann Münzen herausgeben, sogar aus Silber, solange sie Tokens genannt werden und keinerlei Imitationen oder Ähnlichkeiten mit den aktuellen Umlaufmünzen seiner Majestät haben“. Milton stellte also doch noch die Stempel für eine Probeprägung der Fullarton-Tokens fertig.
Allerdings hatte der Skandal in der Münzstätte zu einem Umdenken beim Gesetzgeber geführt. Seit 1798 tagte eine Kommission, die das britische Geldwesen modernisieren sollte. Sie beauftragte den Bau der damals modernsten Münzstätte der Welt, der Tower Hill Mint.
Ganz offiziell produzierte später übrigens die private Birmingham Mint Kleingeld für ausländische Staaten.
Auf unserer Seite finden Sie auch einen Vorbericht der Auktion.