MenschenGesichter Teil 22: Das Kind aus Apulien


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Friedrich II. von Hohenstaufen, König von Sizilien (1197-1250), Kaiser (ab 1220). Pfennig, königliche Münzstätte Ulm. Königsbüste mit Krone und Szepter von vorne, links davon Blütenzweig, rechts Turm. © MoneyMuseum, Zürich.

Wir schreiben das Jahr 1212. Die Stadt Konstanz erwartet ihren Kaiser. Otto IV., der gebannte Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, lagert mit seinen Begleitern in Überlingen, um sich auf seinen feierlichen Einzug in der Stadt vorzubereiten. Aber was ist das? Da zieht eine bewaffnete Schar heran und begehrt Einlass. „Wer seid Ihr?“, so mögen die Wächter gefragt haben. „Der Kaiser mit seinem Gefolge!“, so mögen die Angekommenen geantwortet haben. Die Wächter öffnen die Tore und der junge Friedrich II., vor wenigen Wochen zum Gegenkaiser gewählt, zieht in Konstanz ein. Otto IV., der drei Stunden später vor der Stadt erscheint, hat das Nachsehen. Er muss hungrig abziehen, während Friedrich und seine Begleiter sich das Festmahl schmecken lassen, das die Bürger von Konstanz für ihren Kaiser bereitet haben.

Das beeindruckendste Bauwerk Friedrichs ist Castel del Monte. Es liegt mitten in der Landschaft Apulien und ist über weite Entfernung sichtbar. Foto: Guido Radig / http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

Natürlich war das Heilige Römische Reich damit für Friedrich noch nicht gewonnen, aber dem Kind aus Apulien, wie seine Gegner den damals kaum 18-Jährigen nannten, war das Glück treu. Das konnte er auch brauchen, denn mit den 300 Rittern, die ihn begleiteten auf seinem Zug ins deutsche Reich, war er nicht in der Lage, Otto militärisch zu besiegen. Friedrich griff deshalb zu anderen Mitteln: zu Diplomatie, Überredung und Verführung. Er packte die Herzöge und Grafen, die Städte und Kirchenfürsten dort, wo sie am leichtesten zu beeindrucken waren: am Geldbeutel. Friedrich verschenkte immense Mengen von Silber. Als er am 5. Dezember 1212 zum römisch deutschen Kaiser gewählt wurde, verteilte er unter seine Anhänger die unglaubliche Summe von 20.000 Silbermark. Und bald standen alle Stände des Reiches einmütig hinter ihrem neuen Kaiser.

Die äußeren Feinde, die sich Otto gemacht hatte, erledigten den Rest. In der Schlacht von Bouvines besiegte Philippe Auguste, der französische König, den Gegner Friedrichs. Zum Zeichen, dass damit auch Friedrich gesiegt hatte, ließ Philippe Auguste seinem Verbündeten die zerfetzte kaiserliche Standarte Ottos überreichen.

Im Juli 1215 konnte sich Friedrich in Aachen zum deutschen König krönen lassen. Otto musste als Pilger verkleidet aus dem benachbarten Köln vor ihm fliehen. Drei Jahre später, am 19. Mai 1218, starb der geschlagene Kaiser auf seinen Besitzungen in Braunschweig. Er soll sich auf seinem Totenbett von Priestern geißeln lassen haben, um die Vergebung Gottes zu erwirken. Mit dem jämmerlichen Tod des einst großen Otto war der Weg für das Kind von Apulien frei. Es konnte zum Stupor Mundi, zum Staunen der Welt werden.

Lesen Sie nächstes Mal, wie mit Heinrich VI. von England der Rosenkrieg zwischen den Häusern Lancaster und York seinen Anfang nahm.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.