Katharina die Große, Moskau und der Kreml
Wer die großen Bauprojekte Katharinas auflistet, denkt zunächst an den berühmten Katharinenpalast in Puschkin oder den Chinesischen Palast in Lomonossow (Oranienbaum). Für Girgorij Orlow erbaute die Zarin den Marmorpalast in St. Petersburg, für Potjomkin das Taurische Palais und für ihren Sohn Paul den Palast in Pawlowsk. All diese Bauten hatten vor allem eines gemeinsam: Sie lagen nicht in Moskau, sondern in und um Sankt Petersburg.
Die junge Katharina II. im Alter von ca. 16 Jahren. Gemälde von Georg Christoph Grooth.
Denn Moskau gehörte nicht zu den Lieblingsaufenthaltsorten Katharinas. Es erinnerte sie an ihre Ankunft in Russland, als man sie mit gerade einmal 16 Jahren aus dem heimatlichen Stettin kommen ließ, um zu prüfen, ob sie tatsächlich eine geeignete Frau für den Zarewitsch wäre. Ihre Hochzeit war noch keine beschlossene Sache. Erst musste die kleine Sophie – wie Katharina damals hieß – vom lutherischen zum orthodoxen Glauben übertreten, ein Gewissensentscheid, der ihr nicht leicht fiel und sie in eine tiefe Sinnkrise stürzte, vor der sie sich in eine Krankheit flüchtete.
Heute würden wir wohl von Psychosomatik sprechen, damals flüsterten die Höflinge, Sophie hätte die Tuberkulose und käme deshalb als Braut für Peter III. nicht in Frage. Katharina schwebte wochenlang zwischen Leben und Tod, während ihre Mutter sich von ihrem Krankenzimmer fernhielt. Johanna von Anhalt-Zerbst konnte kein Blut sehen, und das geschwächte Mädchen wurde bis zu 16 Mal pro Tag zur Ader gelassen.
Moskau gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Aquarell von Apollinary Vasnetsov.
Auch wenn Katharina wieder genas, sich für die orthodoxe Taufe entschied, Peter III. heiratete, von Moskau hatte sie danach genug. Sie besuchte die Stadt, die sie die „Stadt des Stillstands“ nannte, während ihrer gesamten Herrschaft von 34 Jahren genau acht Mal. Moskau war für Katharina eine asiatisch beeinflusste Metropole, in der sie mongolischen Einfluss zu spüren glaubte. Da gab es keine Zeichen von Aufklärung, sondern nur finstersten Aberglauben, wie Katharina schrieb: „Niemals kann ein Volk mit mehr Objekten des Fanatismus konfrontiert gewesen sein, mit mehr wundertätigen Bilder auf Schritt und Tritt, mehr Kirchen, mehr Geistlichen, mehr Klöstern, mehr Gläubigen, mehr Bettlern, mehr Dieben …“ St. Petersburg erschien ihr wie ein Paradies gegenüber Moskau, das sie gerne „Isphahan“ nannte, nach der Hauptstadt des Schahs von Persien.
Das Krönungsbild von Katharina II. Gemälde von Stefano Torelli.
Und trotzdem: Moskau war das Herz Russlands, die alte Zarenstadt. Katharina kam daran nicht vorbei, wollte sie die Liebe ihrer russischen Untertanen gewinnen. Schließlich war Peter III. vor allem deshalb so unbeliebt, weil er Russland nach dem Vorbild Preußens reorganisieren wollte. Katharina musste im Gegenzug zeigen, dass sie russischer war als die Russen selbst. So zog sie zur Krönung am 22. September 1762 demonstrativ nach Moskau, wohnte sehr unkomfortabel im damals stark zerstörten Kreml, um sich nach alter Sitte in der Dreifaltigkeits-Kathedrale zur Zarin krönen zu lassen.
Plan des alten Kreml um 1600.
Das Zentrum des einstigen Russlands in neuer Pracht wiedererstehen zu lassen, dürfte Katharina als ideales Projekt erschienen sein, um ihre russische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. So schmiedete sie erste Pläne zur Umgestaltung des Kreml bereits kurz nach ihrer Krönung. Zum verantwortlichen Architekten ernannte sie Wassili Iwanowitsch Baschenow, einen Moskauer, der im Ausland studiert hatte, und zum bedeutendsten neoklassischen Architekten Russlands werden sollte.
Plan zum Umbau des Kreml aus der Feder von Baschenow.
Dessen erster Plan datiert von 1767. Sein letztes Modell, nach dem der Umbau durchgeführt werden sollte, hätte den Kreml zum größten neoklassizistischen Komplex von ganz Europa gemacht. Lediglich die drei Kathedralen wären intakt geblieben.
Man hatte bereits mit den Abrissarbeiten begonnen, als 1771 eine Pest in Moskau ausbrach und ein aufgebrachter Mob den Kreml stürmte. Baschenow persönlich soll sich schützend vor sein Palastmodell gestellt haben, das inzwischen rund 60.000 Rubel verschlungen hatte.
Katharina II. Goldmedaille von T. Iwanoff auf den Bau des neuen Kreml-Palastes. Vermutlich spätere Prägung aus Originalstempeln des 18. Jahrhunderts. Äußerst selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 80.000 Euro. Aus Auktion Künker 306 (23. März 2018), Nr. 7591.
Eben dieses Modell wurde im Winter 1772 auf 120 Schlitten nach St. Petersburg transportiert. Katharina sah es sich an, gab die Erlaubnis, und am 1. Juni 1773 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung. An sie erinnert, die bei Künker angebotene, äußerst seltene Goldmedaille. Sie zeigt das geplante, bis zu diesem Zeitpunkt nur als Modell existierende Gebäude bereits vollständig fertig gestellt.
Katharina zahlte für 20 Eimer Wodka und 40 Eimer Bier, die aus diesem Anlass an die Bauarbeiter verteilt wurden. Sie selbst aber blieb der Zeremonie fern. Denn es regte sich Widerstand gegen den pietätlosen Abbruch des Kreml. Sogar der loyale Hofpoet Gawril Derschawin verurteilte Katharinas Umgang mit der russischen Vergangenheit, und dann begannen sich auch noch Risse in den Mauern der Erzengel-Michael-Kathedrale zu zeigen, wo sich die Gräber fast aller russischen Zaren vor Peter dem Großen befanden.
Katharina die Große ließ die Bauarbeiten daraufhin sofort einstellen. Sie behauptete, die geologischen Bedingungen ließen Bauten in dieser Größe nicht zu. Der wirkliche Grund dürfte ein anderer gewesen sein: Katharina war nicht willens, in einer Stadt, die sie verabscheute, ein Projekt zu finanzieren, das wegen des Größenwahns des Architekten, zu einem Fass ohne Boden zu werden drohte. Baschenow sprach nämlich schon davon, vom Kreml ausgehend, drei gewaltige Avenuen durch Moskau zu bauen, um so die ganze Stadt zu modernisieren.
Dies alles kam nie zur Ausführung. Und so wohnte Katharina, als sie 1775 erneut nach Moskau kam, bescheiden und gemütlich nicht im Kreml, sondern in drei geräumigen Häusern, die von den Familien Golitzyn und Dolgorukij zur Verfügung gestellt worden waren.
Den Vorbericht zur Künker-Auktion 306, in der die Medaille angeboten wird, lesen Sie hier.