Gold!
mit freundlicher Genehmigung der World Money Fair
Jack London, der Klondike und „Burning Daylight“
Eines Tages im Dezember füllte Daylight eine Pfanne von der Felsunterlage seines eigenen Claims und trug sie in seine Hütte. Hier brannte ein Feuer, so daß das Wasser in seinem Leinenbehälter nicht gefror. Er hockte sich neben den Behälter nieder und begann zu waschen. Erde und Schlamm schienen die Pfanne zu füllen. Als er sie in einem Kreise bewegte, schwappten die leichten gröberen Teile über den Rand. Hin und wieder kämmte er die Oberfläche mit den Fingern und schöpfte ganze Hände voll Schlamm heraus. Der Inhalt verminderte sich beständig. Als er sich dem Boden näherte, gab er der Pfanne einen plötzlichen Stoß, so daß das ganze Wasser herausfloß. Der ganze Boden sah aus, als wäre er von Butter bedeckt. So schimmerte das gelbe Gold. Es war Gold – Goldstaub, grobes Gold, Goldkörner, Klumpen. Er war ganz allein. Er setzte die Pfanne einen Augenblick nieder und dachte an vielerlei. Dann wusch er zu Ende und wog die Ausbeute in seiner Waage. Nach der gewöhnlichen Berechnung von sechzehn Dollar die Unze enthielt die Pfanne für reichlich siebenhundert Dollar Gold. Das übertraf seine kühnsten Träume. Er hatte erst gedacht, daß er zwanzig- oder dreißigtausend Dollar aus jedem Claim herausholen könnte, aber hier waren Claims, die wenigstens eine halbe Million wert waren, wenn auch das Gold in Flecken verstreut lag.
Dieser Fund macht Burning Daylight, Titelfigur des im Deutschen als „Lockruf des Goldes“ bekannten Romans von Jack London, zum Helden der Goldsucher – zumindest im Buch. Die wahren Helden aber sahen anders aus.
Die Entdeckung
Im August des Jahres 1896 zog Skookum Jim Mason, ein Indianer aus dem Stamm der Tagish, mit zwei Begleitern an die Mündung des Klondike, um dort seine Schwester und ihren Ehemann, einen Weißen namens George Carmack, zu besuchen. Der kleine Trupp stieß auf einen merkwürdigen Sonderling, der sie beschimpfte: Er wolle hier keine Indianer um sich haben. Seine Werkzeuge erregten die Aufmerksamkeit der Männer. Er schien nach Gold zu schürfen, und so machten sich Skookum und seine Begleiter selbst auf die Suche. Am 16. August 1896 wurden sie fündig. George Carmack gilt als der Entdecker der reichen Goldvorkommen im Rabbit Creek, den die Goldsucher den Bonanza Creek (engl. für Goldgrube, Glücksfall) nennen sollten. Andere behaupten, daß Skookum die ersten Nuggets auswusch, doch konnte er als Indianer nach kanadischem Recht keinen Claim eintragen. Dies mußte er seinem Schwager überlassen.
Der Goldrausch beginnt
Im Juli des Jahres 1897 erreichte die Nachricht von den Goldfunden am Klondike die von einer Wirtschaftskrise gebeutelten Vereinigten Staaten. Viele Männer, die deswegen keine vernünftig bezahlten Jobs in den Offices der großen Handelsgesellschaften fanden, träumten davon, in den wilden Norden zu gehen, um als echter Mann ihr Schicksal zu bestehen und reich heimzukehren. 1898 suchten im damaligen Kanada bereits 40.000 Abenteurer nach Gold. Sie kamen aus New York, London und Australien. Sie hatten früher als Lehrer oder Arzt gearbeitet, als Journalist oder als Hilfsbuchhalter. Die meisten wußten genau, daß sie kaum eine Chance hatten, Gold zu finden, und trotzdem zog sie der Traum von Reichtum und Abenteuer in den Norden. Mehr als die Hälfte derjenigen, die kamen, nahm nie eine Goldwaschpfanne in die Hand. Doch mit ihrem Wissen waren sie für die unterentwickelten Regionen des Nordens ein großer Gewinn, der einen regelrechten Entwicklungsschub brachte.
Die verschiedenen Reiserouten ins Gebiet des Klondike
Die Reiseroute
Die meisten Goldsucher landeten in der Stadt Stagway oder in Dyea, damals britisches Territorium. Von dort reisten sie auf dem Chilkoot Trail, um zum Klondike zu kommen. Die Grenze zu Kanada war der Chilkoot Paß. Dort wachte die North West Mounted Police darüber, daß jeder Einreisende Vorräte für mindestens eine Jahr bei sich hatte. Damit sollten Nahrungsmittelknappheiten, wie sie in den ersten beiden Jahren nach den Goldfunden entstanden waren, verhindert werden.
Außerdem versuchte man so, Waffen und „kriminelle Elemente“ draußen zu halten. Als ob man solche Menschen je von Gebieten hätte fernhalten können, wo Gold gefunden wird!
Am Chilkoot Paß kontrollierte die kanadische Polizei, ob die Goldsucher genug Vorräte mitgenommen hatten
Jack London, um 1900
Jack London
Unter den Abenteurern war ein junger Mann namens Jack London. Er war 1876 in San Francisco als unehelicher Sohn einer spiritistisch begabten Sängerin und eines Astrologen geboren worden. Der Vater, William Chaney, hatte die Abtreibung verlangt, die Mutter, Flora Wellman, sich geweigert und einen Selbstmordversuch unternommen, als Chaney die Vaterschaft bestritt. Chaney verließ Flora und ihren Sohn. Der Mutter blieb nichts anderes übrig, als noch im gleichen Jahr einen behinderten Veteranen des Bürgerkriegs zu heiraten. Als sein Kind wuchs Jack London auf.
Geld war im Haushalt praktisch keines vorhanden. So übernahm Jack im Alter von 13 Jahren seinen ersten Job. 12 bis 18 Stunden schuftete er am Tag, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Der Ausweg war die Illegalität. Mit geborgtem Geld kaufte der Halbstarke ein Schiff und plünderte als Austernpirat fremde Austernbänke. Als sein Schiff so schwer beschädigt wurde, daß keine Reparatur mehr möglich war, wechselte er die Seiten, heuerte bei der California Fish Patrol an, die genau solche Austernpiraten, wie er einer gewesen war, verfolgte.
Doch Durchhaltevermögen besaß der junge Mann nicht viel. Er verließ die Polizei, heuerte auf einem Klipper an, segelte nach Japan, kam zurück, arbeitete ein wenig, um sich dann den Tramps anzuschließen, Männern die als blinde Passagiere Eisenbahnwaggons enterten, um so durch den amerikanischen Kontinent zu fahren.
Nach einigen wilden Jahren, fand Jack London den Weg zurück zu seiner Familie: Er beendete die Schule und schaffte es sogar, einen der begehrten Studienplätze an der Berkeley University zu erhalten. Doch 1897 war das Jahr, das vieles veränderte. Jack London begann, dem Geheimnis um seine Geburt nachzugehen. Der Skandal war damals so groß gewesen, daß die Zeitungen darüber berichtet hatten. London stieß auf verschiedene Pressenotizen und fand so den Namen seines richtigen Vaters. Er versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber Chaney wollte nichts von ihm wissen, gab sogar vor, impotent zu sein, nur um keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Flora habe damals viele Männer gekannt, Jack sei wahrscheinlich der Bankert von einem davon.
Wie tief dieser bösartige Brief Jack London verletzte, sehen wir an seiner Reaktion: Er brach das Studium ab und ging unter die Goldsucher.
Die Hütte Jack Londons in Dawson am Yukon
Auf den Goldfeldern
Am 25. Juli 1897 brach Jack London auf. Er war mit Sicherheit kein verzärteltes Zivilisationskind, aber was das eisige Land für ihn bereithielt, hätte er sich nie träumen lassen. Er mußte schwerer arbeiten als jemals zuvor, er litt Hunger, bekam Skorbut. Diese Erfahrungen prägten ihn tief. Jack London wurde Sozialist. Und er suchte seinen Weg aus dem Kapitalismus. Um der Armut in Zukunft zu entgehen, beschloß er, „seinen Verstand zu verkaufen“.
Schon in seiner Schulzeit hatte Jack London geschrieben, nun entschloß er sich, mit seiner Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, Geld zu verdienen. Als er 1898 in die Heimat zurückkehrte, hatte er Stoff für unzählige Kurzgeschichten und Romane. Und all seine Erzählungen spiegeln seinen eigenen Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit, Fairness und Reichtum, aber auch nach der Geborgenheit einer Familie und einer echten Heimat.
Burning Daylight
Burning Daylight, dem die Goldsucher seinen Namen gegeben haben, weil er stets der erste ist, der am Morgen an die Arbeit geht, ist eines der alter Egos von Jack London. Daylight ist so, wie Jack London gerne gewesen wäre: Stark, gewandt, zäh und intelligent macht er seinen geraden Weg durch die Fährnisse des Goldrauschs.
Sein Ziel ist es reich zu werden, und zwar richtig reich. Jedenfalls behauptet er das eines Abends in der Kneipe. „Und ich schwöre noch einmal bei dem Geschwänzten der Hölle und beim Kopf Johannes des Täufers, daß ich nicht eher heimgehe, als ich mir ein Vermögen gemacht habe. Und das sage ich Euch, Leute, es muß ein mächtiges Vermögen sein.“ – „Was nennst du ein Vermögen?“ fragte Bettles, der neben dem Stuhl stand und seine Arme zärtlich um Daylights Schenkel geschlungen hatte. – „Ja, wieviel? Was nennst du ein Vermögen?“ fragten andere. Daylight hielt einen Augenblick inne und bedachte sich. „Vier oder fünf Millionen,“ sagte er langsam und hob die Hand, um Schweigen zu gebieten, denn seine Erklärung wurde mit stürmischem Hohngelächter begrüßt. „Ich will ganz vernünftig sein und sagen: mindestens eine Million. Aber das ist auch das wenigste, sonst gehe ich nicht aus dem Lande.“
Eine Million, das war Ende des 19. Jahrhunderts eine unglaubliche Summe. Und so glaubt niemand dem Teufelskerl. Doch Daylight sucht mit unermüdlicher Energie nach seiner Chance. Und die bekommt er: Burning Daylight ist anwesend, als Skookum und sein Schwager eines Abends ihren Goldfund herumzeigen:
Und am selben Abend zeigten sie der ungläubigen Versammlung im Sourdough Saloon Goldkörner. Man grinste und schüttelte die Köpfe. Wußte man doch, wie so etwas in Szene gesetzt wurde. Es war ein zu offensichtlicher Trick von Harper und Joe Ladue, die auf diese Weise Menschen in die Nähe ihrer Grundstücke und ihrer Poststation locken wollten. Und wer war Carmack? Ein Squawman. Hatte man je gehört, daß der Mann einer Indianerin etwas geleistet hatte? Und was war Bonanza Creek? Nichts als eine Elchweide an der Mündung des Klondike und seit alters her bekannt unter dem Namen Rabbit Creek. Würden Daylight und Bob Henderson sich Claims einregistrieren lassen und Goldkörner gezeigt haben, so hätte man doch gewußt, daß etwas an der Sache war. Aber Carmack, der Squawman! Und Skookum Jim! Und Cultus Charlie! Nein, nein, das war denn doch zuviel verlangt.
Daylight ist der einzige, der Carmack und Skookum ernst nimmt. Er macht sich auf den Weg und steckt eigene Claims ab – und dann, dann gelingt ihm der erste große Fund. Statt in die nächste Kneipe zu gehen und sein Glück zu feiern, behält er Stillschweigen, kauft Claim um Claim und wird so zum größten Landbesitzer am Klondike. Er ist allein gar nicht in der Lage, es auszubeuten. Und so wird der Abenteurer zum scharf kalkulierenden, aber fairen Geschäftsmann. Er heuert die zu spät Gekommenen an, die Männer, die sich keinen eigenen Claim mehr sichern konnten. Ihnen bietet er gutes Geld für gute Arbeit und verfügt so über die besten Arbeitskräfte.
Goldgräber an der Arbeit
Andere Männer, die selbst nicht das Glück gehabt hatten, sich Claims an den guten Flüssen abzustecken, ließ er auf seinen Bonanza-Claims arbeiten. Er bezahlte sie gut – sechzehn Dollar täglich für die Achtstundenschicht, und er arbeitete in drei Schichten. Er hatte Proviant genug, um die Sache in Gang zu bringen, und als die „Bella“ mit Vorräten beladen landete, überließ er Jack Kearns ein Grundstück zur Errichtung eines Warenhauses gegen die Verpflichtung, alle seine Leute den Winter 1896 über mit Proviant zu versorgen. Als zudem eine Hungersnot ausbrach und das Mehl für zwei Dollar das Pfund verkauft wurde, konnte Daylight doch ständig die drei Schichten auf seinem Bonanza Creek arbeiten lassen. Andere Minenbesitzer zahlten ihren Leuten fünfzehn Dollar täglich, aber er war der erste gewesen, der andere für sich arbeiten ließ, und hatte ihnen von Anfang an eine ganze Unze täglich bezahlt. Der Erfolg war, daß er nur ausgesuchte Männer hatte, die mehr herausholten als ihren hohen Lohn.
Auch im Erfolg bleibt Daylight auf dem Boden der finanziellen Tatsachen. Zwar ist er großzügig, schenkt einer Tänzerin zehn Sack Mehl, für die sie vorher erfolglos 1.000 $ geboten hatte, doch die Verschwendungssucht anderer Goldsucher kann er nicht verstehen.
Trotz seiner verschwenderischen Veranlagung verlor er nicht das Gleichgewicht. Er sah die wilde Vergeudung der neuen Millionäre und konnte sie durchaus nicht verstehen. Zwar widersprach es nicht seiner Natur und seinen Anschauungen, einmal alles auf eine Karte zu setzen und in einer Nacht durchzubringen. Das hatte er selbst in jener Pokernacht in Circle City getan, als er fünfzigtausend – alles, was er besaß – verlor. Aber die fünfzigtausend hatte er nur als den Beginn von etwas Größerem betrachtet. Wenn es um Millionen ging, dann war es etwas anderes. Ein solches Vermögen durfte man nicht auf den Boden der Wirtshäuser ausstreuen, wie die neuen Millionäre, die allen Sinn für die Wirklichkeit verloren hatten, es buchstäblich mit dem Inhalt ihrer Elchlederbeutel taten. MacMann zum Beispiel machte in einem Wirthaus eine Zeche von dreißigtausend Dollar; und der grobe Jimmie brauchte hunderttausend monatlich, um vier Monate in Saus und Braus zu leben, bis er schließlich in einer Märznacht betrunken in den Schnee fiel und erfror; und Wasserfall-Bill, der drei wertvolle Claims mit seinen wahnsinnigen Ausschweifungen durchgebracht und sich dreitausend leihen mußte, um fortzukommen, hatte alle hundertzehn Dutzend Eier, die der Markt von Dawson aufwies, für vierundzwanzig Dollar das Dutzend aufgekauft und dann seinen Wolfshunden vorgeworfen, nur weil eine junge Dame, die ihn genasführt, gerne Eier aß.
Champagner wurde zu vierzig und fünfzig Dollar die Flasche verkauft, Dosenaustern zu fünfzehn Dollar. Daylight machte diesen Wahnsinn nicht mit. Er hatte nichts dagegen, die ganze Wirtsstube mit Whiskey zu fünfzig Cent das Glas zu traktieren, aber irgendwo in seiner ausschweifenden Natur lehnte sich ein Sinn für Schicklichkeit und Rechenkunst dagegen auf, fünfzehn Dollar für den Inhalt einer Austerndose zu bezahlen.
Im Herbst des Jahres 1897 kommen die Massen von Abenteurern aus den Vereinigten Staaten. Es sind in der Goldsuche ungeübte Leute – was sich auf ihre Arbeitsweise auswirkt…
„Welch ein Raubbau“, murmelte Daylight halblaut. Er sah auf die nackten Hügel, und ihm wurde klar, welch riesige Vergeudung von Holz hier stattgefunden hatte. Jeder arbeitete für sich, und das Ergebnis war ein Chaos. In dieser reichsten aller Minen kostete es einen Dollar, für zwei Dollar Gold herauszuholen, und für jeden Dollar, den sie auf diese fieberhafte, gedankenlose Arbeitsweise herausholten, wurde ein anderer Dollar hoffnungslos verschüttet. Noch ein Jahr, und die Claims waren ausgesogen, und dabei blieb ebensoviel Gold im Boden stecken, wie herausgeholt worden war.
Daylight läßt Ingenieure aus den Vereinigten Staaten kommen, organisiert seine Goldförderung auf modernstem technischem Standard. Gleichzeitig beginnt er, die Infrastruktur des Landes zu verbessern. Er läßt Wasserleitungen und Elektrizitätswerke bauen. Irgendwann wird ihm bewußt, daß der Goldrausch seinen Zenit überschritten hat. Bevor die anderen sich dessen bewußt werden, verkauft er seinen Besitz – mit einem unglaublichen Profit.
Da das nun getan war, war er auch fertig zur Abreise. Und als das bekannt wurde, überboten sich die Guggenhammers und die englischen Konzerne und eine neue französische Kompanie gegenseitig, um Ophir und die ganze Anlage zu kaufen. Die Guggenhammers boten am meisten, und der Preis, den sie bezahlten, gab Daylight einen Gewinn von rund einer Million. Man glaubte allgemein, daß er zwanzig bis dreißig Millionen besäße. Aber er allein wußte genau, wie er stand, und daß er, wenn er seinen letzten Claim verkauft und reinen Tisch gemacht hatte, gut elf Millionen aus seiner Chance herausgeholt hatte.
Elf Millionen Dollar – eine unglaubliche Summe für die damalige Zeit! Daylight geht damit an die Ostküste und wandelt sich vom fairen Unternehmer zum Inbegriff des schonungslosen Kapitalisten. Doch glücklich wird er mit all seinen Zinsen und Renditen nicht. In der Geschichte hält ihm eine Frau den Spiegel vor.
„Jetzt zu Ihnen. Sie schaffen nicht. Bringen Sie durch Ihr Geschäft Neues hervor? Zum Beispiel Kohle? Sie graben sie nicht. Sie schaffen sie nicht zum Markt. Sie liefern sie nicht. Sehen Sie das nicht ein? Das meinte ich mit dem Pflanzen von Bäumen und dem Bauen von Häusern. Sie haben nicht einen Baum gepflanzt, nicht ein einziges Haus gebaut.“
Natürlich läßt sich Daylight bekehren (schließlich ist Lockruf des Goldes auch eine Liebesgeschichte). Er bricht alle Brücken zur Finanzwelt ab, heiratet die energische Frau und kauft eine große Farm, um dort mit der Geliebten seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten.
Doch dann geschieht das Unglaubliche. Als er eines Tages einen Bergrutsch begutachtet, entdeckt er, daß seine Ranch auf einer gewaltigen Goldader steht. Sofort packt ihn die alte Gier, er buddelt und gräbt, schätzt ab, plant, kalkuliert – und erschrickt. Ohne daß er es merkt, ist der Tag vergangen. Langsam reitet er nach hause. Dort begrüßt ihn seine Frau, streicht ihm mit den Fingern durchs Haar und plötzlich merkt Daylight, was ihm wirklich wichtig ist. Das Gold ist es nicht – davon will er nie wieder etwas sehen.
„Aber ich will keine Mühe mehr haben durch diese verdammten Erdrutsche, das ist alles. Ich will die Erde auf dem Boden festnageln, daß sie Millionen Jahre dort bleibt. Und wenn die letzte Posaune ertönt und der Sonoma-Berg und alle anderen Berge vom großen Nichts verschlungen werden, dann wird die Erde noch stehen, von den Wurzeln gehalten.“
Mit Eukalyptusbäumen befestigt Daylight den Hang, damit niemand etwas merkt soll vom größten Goldfund seit Klondike.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so möchte man den Artikel beenden, doch die Realität holte den Geschichtenerfinder ein.
Jack London auf seiner Farm, Foto aus dem Jahr 1914
Die Farm des Schriftstellers
Jack London träumte nämlich selbst davon, mit einer Frau als Bauer das Land zu bewirtschaften. Er kaufte sich im Jahr 1905 eine rund 4 Quadratkilometer große Ranch in Kalifornien am Fuße des Sonoma Gebirges für 26.450 Dollar.
Das Unternehmen war ein riesiger Reinfall. Einige Biographen behaupten, London habe einfach Pech gehabt oder sei seiner Zeit voraus gewesen, andere schreiben seinen Mißerfolg schlechter Planung und Menschenführung zu. Wie auch immer, der Autor mußte immer schneller, immer mehr Bücher schreiben, um die Defizite des Farmers auszugleichen.
Jack London starb am 22. November 1916 wohl an einer Niereninsuffizienz. Jahrelanger Alkoholmißbrauch und sein enormer Morphiumkonsum hatten seinen Körper in Mitleidenschaft gezogen. Er hinterließ unzählige Geschichten, die nicht nur die Phantasie Heranwachsender ansprechen. Wenn wir genau auf das achten, was Jack London uns zwischen den Zeilen erzählt, begreifen wir die Wünsche, den Ehrgeiz, die Hoffnungen, aber auch die Zweifel und Ängste einer ganzen Generation, die geschüttelt vom kurzen Erfolg und von großen Krisen unsere moderne, kapitalistisch orientierte Gesellschaft vorbereitet hat.
Zum Zeitpunkt seines Todes war der große Goldrausch von Alaska schon längst wieder vorbei. Doch Gold wird dort bis heute gefördert. Inzwischen sollen es rund 12.5 Millionen Unzen sein, also ein Würfel von gut 20 Meter Kantenlänge.