Erleuchte meine Augen, oh Herr
Als Johann I. seine Herrschaft antrat, erbte der zweitgeborene Sohn nicht nur das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken von seinem Vater Wolfgang, sondern auch die damit verbundenen Schulden. Sie beliefen sich auf rund 700.000 Gulden, so jedenfalls eine zeitgenössische Schätzung, die bei der Herrschaftsübernahme des 19jährigen erfolgte. Das war eine immense Summe, wenn man daran denkt, dass sich das jährliche Einkommen des Herzogtums Zweibrücken auf etwa 26.000 Gulden summierte. Mit anderen Worten: Zahlte der junge Herzog auch nur seine Schulden, dann verzeichnete er ein jährliches Defizit von 17.000 Gulden…
Wobei die Situation eigentlich gar nicht so düster ausgesehen hätte, hätten denn diejenigen, in deren Diensten Vater Wolfgang das Geld ausgegeben hatte, ihre Schulden bezahlt. Die hugenottische Partei Frankreichs, deren Anführer 1589 als König Heinrich IV. den Thron des Landes besteigen sollte, bestätigte am 13. Februar 1571 schriftlich, dass sie den Nachkommen Wolfgangs exakt 610.368 Gulden für Kriegsdienst schuldete, eine Summe, die nie beglichen werden sollte. Johann I. lernte daraus eines: Krieg lohnt sich nicht. Er ging als friedlicher Herrscher in die Geschichte ein, der sein Leben der richtigen Religion, der Erforschung der Vergangenheit und der Reorganisation seines Landes widmete.
Da Vater Wolfgang testamentarisch festgelegt hatte, dass sein Sohn erst im Alter von 24 Jahren die Herrschaft vollverantwortlich übernehmen sollte, hatte der damals 20jährige nicht viel mitzureden, als seine Vormünder 1570 in seinem Namen die so genannte Konkordienformel erneuerten. Darunter verstanden Zeitgenossen das Bekenntnis zum Lutherischen Glauben, der im Augsburger Religionsfrieden von 1555 als dem katholischen gleichberechtigt anerkannt worden war – im Gegensatz übrigens zum reformierten Glauben…
Johann I. war damit allerdings nicht glücklich. Er tendierte zu einer anderen Auffassung des Glaubens, einer Auffassung, wie sie in Zürich der Reformator Zwingli, in Genf der Reformator Calvin vertreten hatte. Auch wenn wir Mühe haben, die feinen Unterschiede zwischen Lutheranern, Zwinglianern und Calvinisten hinsichtlich der Interpretation von Gnade, Kommunion und Sündenvergebung überhaupt noch zu verstehen, waren sie für Johann von existentieller Bedeutung. Und wir wissen, dass er persönlich eng befreundet war mit Johann Wilhelm Stucki (1521-1607), seines Zeichens Historiker, Münzsammler – und einer der profiliertesten Schweizer reformierten Theologen.
„Illumina Oculos meos, Domine!“ Diesen Spruch lesen wir auf dem äußerst seltenen Taler, der am 14./15. Mai 2019 in Auktion 76 der Heidelberger Münzhandlung angeboten wird. „Erleuchte meine Augen, Herr!“ Dieses Zitat aus Psalm 13, Vers 4 hatte für Johann I. eine ganz eigene Bedeutung. Er schrieb sie erstmals im Jahr 1579 auf ein leeres Blatt einer 1570 gedruckten Kirchenordnung, mit der die lutherische Konkordienformel in den kirchlichen Alltag seines Herzogtums überführt worden war. Zu diesem Zeitpunkt rang er bereits um die Entscheidung, ob er weiter die Konkordienformel vertreten oder den Kaiser herausfordern und eine eigene reformierte Version des christlichen Glaubens für sein Herzogtum vorschreiben sollte. 1592 ließ er die neue reformierte Kirchenordnung annehmen. Und in eben diesem Jahr schrieb er den Vers „Erleuchte meine Augen, Herr!“ in ein Stammbuch, und das mit den erklärenden Worten: Zu sein Christ, Fürst, Freund, mein Vorsatz ist. / Dazu helfe mir Herr Jesus Christ. / Ein Christ zu sein nach Gottes Wort. / Ein Fürst zu sein an meinem Ort. / Ein Freund zu sein in dieser Welt. / Alles dessen, was Gott gefällt.
Es könnte also durchaus sein, dass der im Rahmen der Auktion der Heidelberger Münzhandlung angebotene Taler mit dem Sinnspruch „Illumina Oculos meos, Domine!“ in einem engen Zusammenhang steht mit dem Übertritt Johanns I. zum reformierten Glauben. Dies würde gut in die Zeit passen. Als Fürst hatte er – trotz aller finanzieller Probleme – die Verpflichtung, zum neuen Jahr all seine Freunde zu beschenken. Sehr gerne wurden für diesen Zweck besondere Münzen angefertigt. Johann selbst war Historiker und Münzsammler, wusste also um die Bedeutung eines aussagekräftigen Münzbildes. Was hätte näher gelegen, als seine Entscheidung für den „wahren“ Glauben in einem Münzbild auf repräsentativen Talern zu dokumentieren, die er in einer kleinen Auflage prägen ließ und als Geschenk zum „Guoten Neuen Jahr“ an seine Briefpartner verschickte.
Wir dürfen also durchaus gespannt sein, welches Ergebnis dieses numismatische Zeugnis der Reformation bringen wird. Einen kleinen Anhaltspunkt dafür kann uns ein Taler desselben Fürsten geben, der im November vergangenen Jahres ebenfalls in der Heidelberger Münzhandlung versteigert wurde. Er wurde mit 10.000 Euro ausgerufen und erst mit 34.000 Euro zugeschlagen. Wenn man nun daran denkt, dass das jetzt angebotene Stück weitaus seltener und dazu von höchster politischer und religionsgeschichtlicher Bedeutung ist…
Alle Münzen aus Auktion 76 der Heidelberger Münzhandlung finden Sie auch bei Sixbid (Teil 1 und Teil 2) und Numisbids.
Einen detaillierten Auktionsvorbericht finden Sie in der MünzenWoche.
Noch mehr über die Grafen und Herzöge von Pfalz-Zweibrücken erfahren Sie auf dieser Webseite.
In der MünzenWoche erfahren Sie auch mehr über den Züricher Reformator Zwingli.
2017 gab die Swissmint eine Gedenkmünze zu Ehren Calvins und Zwinglis heraus.
In diesem Beitrag des ZDF erfahren Sie mehr über Calvin.
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Und dieser schweizerische Kino-Film präsentiert Zwingli nicht als Theologen, sondern von seiner menschlichen Seite nach dem Geschmack unserer Zeit.