Erhaltungen made in USA

In den letzten Jahren findet man sie in den deutschen Auktionen immer häufiger. Münzen, die nicht einfach als Münze eingeliefert werden, sondern in einem kleinen Plastikkästchen – in Fachkreisen „Slab“ genannt – verschweißt sind. Die einen ärgern sich darüber (wie bitte soll man so einen Slab in einem Beba-Kasten unterbringen?), die anderen freuen sich über die sichere Aufbewahrung und die Garantie, die eine unabhängige Überprüfung bieten kann.

Was leistet ein Gradingservice?
Derzeit gibt es in den USA vier führende Gradingfirmen – ANACS, ICG, PCGS und NGC (ohne jede Wertung, sondern lediglich in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt). Sie haben das in Europa bisher übliche Verfahren zu höchster Perfektion gebracht mit einer Unterscheidung von rund 70 Erhaltungsstufen (1 für poor = armselig, 70 für perfect = perfekt), wobei in der Praxis etwa 30 Erhaltungsstufen Anwendung finden.
Das Grading einer „normalen“ Münze kostet zwischen guten 10-50 $ – die unteren Preiskategorien sind für moderne Münzen aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts reserviert. Für Seltenheiten können mehr als 500 $ in Rechnung gestellt werden.
Der Kunde erhält, wenn er seine Münze einem Grading Service anvertraut, eine fachkundige Beschreibung des Erhaltungszustands und eine Echtheitsbestimmung. Diese Beschreibung wird von einer Person vorgenommen, die keinerlei finanzielle oder persönliche Interessen an dem Stück hat, also als unvoreingenommen gelten kann. Damit werden die Angaben des Verkäufers einer Überprüfung unterzogen, der Käufer kann sich hinsichtlich der Beschreibung seines Kaufs sicher sein.
Eine weitere Dienstleistung des Grading Services ist der „Slab“, also ein Behältnis, in dem die Münze fortan aufbewahrt wird und das extra zu diesem Zweck erarbeitet wurde. Die Münze ist darin vor Beschädigungen wie Kratzern und Randschlägen sicher, der Erhaltungszustand der Patina ist geschützt.

Probleme des Grading
Hauptproblem des Grading ist der Faktor Mensch. Das Verschweißen in einem Slab macht nämlich jede weitere gründliche Untersuchung unmöglich, solange der Slab nicht aufgebrochen wird. Damit hängt alles an den Kenntnissen der mit der Untersuchung betrauten Person. Und sie hat nur eine begrenzte Zeit, um festzustellen, welchen Erhaltungszustand eine Münze hat und ob sie echt ist.
Die genaue Identifizierung der Erhaltung durch das menschliche Auge aber unterliegt – selbst bei maschinell hergestellten Prägungen, bei denen Stil und Ausprägung keine Rolle spielen – der jeweiligen Tagesform des Beschreibers. Was man gestern noch als „gutes sehr schön“ identifizierte, kann heute ein „fast vorzüglich“ sein. Und dies gilt schon innerhalb der kleinen Variationsbreite des europäischen Systems! Wie viel anfälliger muß – so die Kritiker – ein System mit Fein- und Feinstabstufungen sein? Münzenhändler in den USA berichten, daß Kollegen ein und dieselbe Münze mehrfach zu einem Grading einreichten, bis sie den von ihnen erhofften Grad erhalten hatten. Trotz der Kosten, die so ein Grading verursacht, kann dies eine lukrative Angelegenheit sein, weil in den USA die Preise für die verschiedenen Erhaltungsstufen stark variieren.
In die gleiche Richtung zielte eine Untersuchung, die Coin World im Jahre 2003 durchführte. In einer auf ein Jahr angelegten Studie schickte Coin World verdeckt identische Münzen an die vier wichtigsten Grading Firmen und ließ sie außerdem noch von einem unabhängigen Kenner graden. Das Ergebnis „In keinem einzigen Fall stimmten die Gradingdienste über den Grad einer eingereichten Münze überein. In einigen Fällen lag die Differenz des Grading bei Unterschieden bis zu sieben Punkten.“

Transparenz und gleich bleibende Bewertungen
Natürlich sind sich auch die Gradingfirmen dieses Problems bewußt. Muriel Eymery, Geschäftsführerin des europäischen Zweigs von PCGS, erklärte uns, welche Maßnahmen PCGS entwickelt hat, um für den Einlieferer Transparenz und gleich bleibende Bewertungen zu garantieren. Sie erklärte, daß jede Münze zunächst bei Beginn der Prozedur anonymisiert wird. Danach geht sie zu zwei voneinander unabhängigen Bewertern, die einander nicht kennen und nicht wissen, welchen Grad der Kollege vergeben hat. Wenn die zwei Bewerter unterschiedlicher Ansicht sind, ja, wenn sich ihre Bewertung nur um einen Punkt unterscheidet, geht die Münze zu einem Hauptbewerter, der sich das Stück ansieht und seinerseits bewertet. Wenn sich die Bewerter nach dem dritten Grading immer noch nicht einig sind, wird das Stück am Ende des Tages allen Bewertern vorgestellt und man trifft eine gemeinschaftliche Entscheidung.
Ms. Eymery betonte, daß jeder Bewerter auf wöchentlicher und monatlicher Basis evaluiert wird, um gleich bleibende Bewertungen zu garantieren..
Sie reagierte auch auf die von Coin World damals in Auftrag gegebene Studie. Sie verglich die kleinen Unterschiede des Grading mit Schulnoten. Die Abschlußnote einer Schule mit gutem Ruf ist wesentlich mehr wert als eine bessere Note einer unbekannten Schule – jeder potentielle Arbeitgeber kann die Fähigkeiten eines Absolventen durchaus an den Noten verschiedener Schulen abschätzen.

Computergesteuerte Erhaltungsbestimmung?
Natürlich sind sich auch die Gradingfirmen dieses Problems bewußt. Doch das menschliche Auge ist dem Computer immer noch überlegen, auch wenn es seit dem 6. Februar 1990 in den Vereinigten Staaten unter Nummer 4.899.392 ein Patent gibt, das ein Computergestütztes System für ein „objektives“ Grading schützt. Nein, es muß heißen „schützen würde“, da es zwischen dem Patenthalter und dem Vorstand der Verwertungsgesellschaft Compugrad zu einer Meinungsverschiedenheit kam. Sie veranlaßte den Erfinder, einen Brief zu veröffentlichen. Darin erwähnte er die Hilfe verschiedener Numismatiker, die keinen offiziellen Verzicht auf ihre geistige Leistung bei der Erfindung des Systems geleitet hatten. Damit war das Patent verfallen, Compugrad besaß nicht mehr die alleinigen Verwertungsrechte und gab noch im Jahr ihrer Gründung auf.

Die Frage der gereinigten Münzen
Wer sich mit Fälschungen beschäftigt hat, der weiß, daß es häufig sehr schwierig ist, unter Zeitdruck in der Frage „echt“ oder „falsch“ zu einer richtigen und begründbaren Antwort zu kommen. Besonders wenn, wie in Europa sehr häufig zu sehen, Münzen (stark) gereinigt wurden. Aus diesem Grund lehnen manche Grading Firmen solche Münzen für ein Grading ab – auch wenn es sich bei einer Untersuchung herausstellen könnte, daß die abgelehnte Münze durchaus echt ist.
In Europa könnte sich dies zu einem Problem entwickeln, da Münzen aus alten Sammlungen häufig gereinigt wurden.

Eine Frage des Wissens und des Vertrauens
Gerade für Einsteiger ins Münzensammeln kann es eine sinnvolle Entscheidung sein, mit Hilfe eines Grading Services grobe Fehler beim Münzankauf zu vermeiden. Wer Münzen als Investment sieht, den dürfte eine unabhängige dritte Meinung zum fraglichen Stück beruhigen. Gradingdienste leben vom Mißtrauen, das ein Käufer gegenüber dem Verkäufer und dessen finanziellen Interessen hat.
Bei einem Grading Service kann sich der Kunde sicher sein, daß sich eine ausgebildete Fachkraft mit seiner Münze eine bestimmte Zeit beschäftigt. Natürlich ist auch diese Fachkraft fehlbar – wie jeder Mensch, jeder Händler und jeder Sammler.

Entwicklungen
Nichtsdestotrotz hat sich in den Vereinigten Staaten das Coin Slabbing für moderne Münzen durchgesetzt. Die relative Überschaubarkeit der amerikanischen Prägungen sorgt für eine große Zuverlässigkeit der Gradingdienste bei der Erhaltungsbeschreibung. Und diese spielen für den Wert von Münzen in USA eine wesentlich höhere Rolle als in Europa. Nun drängen die amerikanischen Gradingdienste nach Europa. PCGS hat in Paris bereits ein Büro eröffnet, so daß dort eingereichte Münzen nicht mehr in die USA gesandt werden müssen, sondern innerhalb der EU bleiben können.

Kuriosa
Der Slab ist von amerikanischen Münzenbörsen nicht mehr wegzudenken. Er spiegelt eine Sicherheit für den Käufer vor, die inzwischen sogar die Fälscher ausnützen. Tatsächlich stellen sie mittlerweile falsche Münzen in falschen Slabs her, die sich besonders in unkontrollierten Internetauktionen größter Beliebtheit erfreuen.
Und selbstverständlich sammeln die ersten Amerikaner schon nicht mehr die Münzen, sondern die Slabs drumherum. 80 verschiedene Firmen haben mittlerweile rund 200 Abarten von Slabs ausgegeben. Natürlich gibt es dazu einen Katalog und eine spezialisierte Website. Wenn Sie die Münzen satt haben und lieber Slabs sammeln wollen, dann schauen Sie dort doch mal vorbei: http://www.sampleslabs.com/

Das System
Hier haben Sie die Möglichkeit, sich selbst ein Bild vom System des Grading zu machen. Die Bilder hat uns freundlicherweise PCGS zur Verfügung gestellt. Unter http://www.pcgs.com/Photograde/ finden Sie weitere Beispiele. Wir haben hier den Morgan Dollar – geprägt 1878-1921 – gewählt, um zu zeigen, wie eine Münze aussehen muß, der ein bestimmter Grad zugeschrieben wird.

Praktisch prägefrisch mit winzigen Unvollkommenheiten, beinahe voller Prägeglanz erforderlich.

Praktisch prägefrisch mit geringfügigen Unvollkommenheiten, geringste Abschwächungen des Prägeglanzes erlaubt.

Praktisch prägefrisch mit kleineren Unvollkommenheiten, sehr gute Prägedetails.

Wenige kleinere Abdrücke / Kratzer nicht im zentralen Bereich, gute Prägedetails.

Kleinere Abdrücke / Kratzer, jedoch nicht im zentralen Bereich, überdurchschnittliche Prägedetails.

Einige Abdrücke / Kratzer oder ein paar gröbere, Prägedetails durchschnittlich oder überdurchschnittlich.

Abdrücke / Kratzer in moderater Anzahl / Größe, Prägedetails eventuell nicht komplett.

Keine Abnutzung. Geringfügig weniger Abdrücke / Kratzer, Prägedetails eventuell nicht komplett.

Keine Abnutzung. Mehrere schwere Abdrücke / Kratzer, Prägedetails eventuell nicht komplett.

Keine Abnutzung. Kann zahlreiche schwere Abdrücke / Kratzer aufweisen, Prägedetails eventuell nicht komplett.

Vollständig erkennbare Einzelheiten mit geringen Abnutzungserscheinungen im Relief.

Vollständig erkennbare Einzelheiten mit Abnutzungserscheinungen auf weniger als der Hälfte der Fläche, hauptsächlich im Relief.

Vollständig erkennbare Einzelheiten mit Abnutzungserscheinungen auf mehr als der Hälfte der Fläche und ganz leichter Abflachung des Reliefs.

Vollständig erkennbare Einzelheiten mit Abnutzungserscheinungen auf der praktisch ganzen Fläche und leichter Abflachung des Reliefs.

Detail vollständig, Relief an einigen Stellen verflacht.

Detail vollständig, Relief an den meisten Stellen leicht verflacht.

Details erkennbar, aber abgenutzt mit abgeflachtem Relief.

Motiv beinahe vollständig mit flachen Bereichen.

Geringfügig bessere Konturen bei Details und Schriften.

Einige Konturen bei Details, sämtliche Schriften klar und vollständig.

Etwas mehr Detail in vertieften Bereichen, alle Schriften klar.

Einige vertiefte Bereiche mit Details, alle Schriften klar.

Motiv abgenutzt mit geringfügig besser erkennbaren Details.

Motiv abgenutzt mit geringfügig erkennbaren Details.

Rand komplett mit abgeflachten Details, Randschriften komplett.

Leicht abgenutzter Rand, abgeflachte Detail, Randschriften beinahe komplett.

Abgenutzter Rand, die meisten Schriften sind lesbar, aber abgenutzt.

Hauptsächlich abgenutzt mit einigen sichtbaren Details.

Datum und Typ identifizierbar.