Eine Münzstätte für Australien
Am 5. August 1850 unterschrieb Königin Victoria ein Gesetz, das es ausgedehnten Gebieten rund um Melbourne erlaubten, sich von der australischen Provinz New South Wales selbstständig zu machen. Als diese Unabhängigkeit am 1. Juli 1851 in Kraft trat, lebten auf knapp 240.000 Quadratkilometern gerade einmal 77.000 Menschen.
Goldnugget im Gewicht von über 150 Gramm (= ca. 5 Unzen) aus einer Goldmine bei Ballarat / Victoria. Foto: Rob Lavinsky, iRocks.com / cc-by-sa 3.0.
Wie bevölkert man eine leere Provinz?
Mit 77.000 Menschen ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen. Es brauchte mehr. Wie aber bevölkert man eine leere Provinz? Mitte des 19. Jahrhunderts kam jedem Lokalpolitiker ein eindrucksvolles Beispiel in den Sinn: Der kalifornische Goldrausch hatte das menschenleere Territorium innert drei Jahren in einen voll funktionsfähigen Bundesstaat verwandelt. Das wollte man nachahmen. Und dass es Gold in Victoria gab, das wussten die Einheimischen längst.
Also gründete eine Gruppe von wichtigen Geschäftsmännern und Politikern aus Melbourne das „Gold Discovery Committee“. Das versprach jedem eine Belohnung von 200 Englischen Pfund, der in einem Umkreis von 200 Meilen Gold finden würde. Hunderte von Prospektoren machten sich daraufhin auf die Suche – und entdeckten einige der reichsten Goldfelder der Welt.
Und die zogen Tausende von Menschen an. Hatten die 77.000 Bewohner Victorias 1851 18 % der gesamten australischen Bevölkerung ausgemacht, zählte die Provinz 10 Jahre später 538.628 Menschen, und stellte damit 47 % der australischen Einwohner. Gemeinden wie Melbourne, Castlemaine und Ballarat boomten. Und das „Gold Discovery Committee“ konnte im Jahr 1854 stolz verkünden: „Die Entdeckung der Goldfelder von Victoria hat aus einem abgelegenen Territorium ein weltweit bekanntes Land gemacht; sie hat eine unglaublich große Bevölkerung angelockt, und das mit nie gesehener Schnelligkeit; sie hat die Bodenpreise enorm erhöht; sie hat aus diesem Land das reichste der Welt gemacht; und all das in weniger als drei Jahren, sie hat ein Jahrhundertwerk für diese Kolonie vollbracht und ihre Impulse werden noch in den entferntesten Gegenden der Welt wahrgenommen.“
Die Münzstätte in Sydney. Foto von 1872. State Library of New South Wales, PXD 524.
Eine Münzstätte für Australien
Zu diesem Zeitpunkt hatte die britische Regierung geldpolitisch schon längst die Weichen gestellt. Seit 1851 hatte das Parlament von New South Wales Petitionen nach London geschickt, in denen sie um die Einrichtung einer eigenen Münzstätte baten.
Gold in der Münzstätte Sydney. State Library of New South Wales, IE1798510.
Das reichlich verfügbare Gold – allein im Jahr 1852 hatte man in Victoria 174 Tonnen Gold abgebaut, die damals rund 14 Mio. Pfund wert waren – machte es für die australische Wirtschaft, die unter einem extremen Mangel an Bargeld litt, mehr als unbefriedigend, dass der Rohstoff Gold um die halbe Welt nach England geschickt werden musste, um raffiniert und ausgeprägt zu werden.
Die Münzstätte von Sydney, damals am Rande der Stadt. State Library New South Wales, IE1771401.
Bereits im August des Jahres 1853 hatte die britische Regierung beschlossen, Ausrüstung und Personal nach Sydney zu schicken, um dort eine Münzstätte einzurichten. Edward Wolstenholme Ward (1823-1890) wurde zum verantwortlichen Münzmeister ernannt.
Der entschied sich dafür, die Münzstätte in einem leerstehenden Gebäude am Rande der Stadt einzurichten, das ursprünglich als Krankenhaus erbaut worden war. Schließlich wurde dort Gold im großen Stil raffiniert, und bei der Brandgefahr war es sinnvoll, außerhalb der Stadt zu arbeiten.
Die ersten Münzen lagen am 23. Juni 1855 vor. Im Oktober des folgenden Jahres war man bereits in der Lage, 14.000 Unzen Gold wöchentlich(!) zu verprägen.
Capt. E. Ward. Ölgemälde von J. Anderson, Sydney 1859. Mitchell Library, State Library of New South Wales IE3218437.
Der Leiter der Münzstätte: Edward Wolstenholme Ward
Der Leiter der Münzstätte Sydney, Captain Edward Wolstenholme Ward war ein typisches Geschöpf des britischen Kolonialismus. Er wurde im indischen Kalkutta als Kind eines bengalischen Verwaltungsbeamten geboren. Seine Erziehung erhielt er an der Royal Military Academy in Woolwich und an der Universität von Chatham, wo er Ingenieurswesen und Architektur studierte. Er arbeitete auf Bermuda, ehe er nach Großbritannien zurückkehrte. Nach einer weiteren Ausbildung an der Londoner Royal School of Mines begann er seine Arbeit an der Royal Mint.
Es war sein Gutachten gewesen, das die britische Regierung überzeugt hatte, eine australische Münzstätte einzurichten. So war es nur logisch, dass man ihn gleich zum Leiter des Betriebs machte. Man gab ihm einige sehr fähige Leute mit, so den später bekannten Ökonom William Stanley Jevons, dessen Name heute im Jevons’ Paradoxon weiterlebt.
Uns interessiert allerdings mehr, wie Jevons seinen Chef charakterisierte. Er beschrieb ihn als einen „Mann des Militärs, sehr bestimmt und rücksichtslos“. Allerdings sei er „normalerweise höflich und fürsorglich, aber sehr distanziert“.
Ward machte sich nicht nur als Pionier des australischen Cricket-Sports verdient. Er wurde zu einem der wichtigsten Vertreter der britischen Verwaltung in Australien. Er sollte noch die 1872 eröffnete Zweigstelle der Royal Mint in Melbourne einrichten, ehe er sich 1876 aus dem Berufsleben zurückzog. Damals verfügte er über ein beeindruckendes Vermögen. Sein australischen Grundbesitz wurde bereits auf 16.890 Pfund geschätzt. Dazu war er der Eigentümer eine Villa im französischen Cannes, wo er seinen Lebensabend verbrachte und 1890 auch starb.
Australien. Victoria, 1837-1901. Probe zum Sovereign 1855, London. Polierte Platte (Proof). PCGS PR 65 CAMEO. Schätzung: 125.000.- Euro. Aus Auktion Künker 316 (31. Januar 2019), Nr. 869.
Proben zu den Sovereigns
1853 stand fest, dass die Münzstätte in Sidney eingerichtet werden würde. Noch in diesem Jahr produzierte die Londoner Münzstätte die ersten Proben zu halben und ganzen Sovereigns mit dem alten Porträt der Königin Victoria von William Wyon.
Sein Sohn, Leonard Charles Wyon, der 1851 die Position seines Vaters an der Royal Mint übernommen hatte, schuf das Porträt für unsere Probe, von der nur drei Exemplare in privater Hand existieren. Sie wird in der kommenden Künker Auktion am 31. Januar 2019 mit einer Schätzung von 125.000 Euro angeboten.
In den Jahren 1853, 1855 und 1856 wurden Proben mit beiden Vorderseitentypen herausgegeben. Sie wurden alle mit dem Rückseitenstempel geprägt, der zum Vorbild der australischen Sovereigns der Jahre zwischen 1857 und 1870 werden sollte. Er zeigt einen Kranz aus Lorbeerblättern um das Wort AUSTRALIA.
New South Wales. 5 Shilling (Holey Dollar) 1813. Schätzung: 100.000,- Euro. Aus Auktion Künker 316 (31. Januar 2019), Nr. 881.
New South Wales. 15 Pence (Dump) 1813. Schätzung: 30.000,- Euro. Aus Auktion Künker 316 (31. Januar 2019), Nr. 882.
Darüber ist eine Krone zu sehen, die verblüffend an die Krone erinnert, wie sie die Dumps zierte, die Anfang des 19. Jahrhunderts in New South Wales kursierten.
Ursprünglich waren die Münzen ausschließlich für New South Wales vorgesehen. Doch 1857 erklärte das britische Schatzamt, dass die Münzen aus der Münzstätte von Sydney in allen Kolonien Australiens und Asiens Legal Tender seien. Dies geschah sehr zum Ärger der Lokalpolitiker von Melbourne und Adelaide, die selbst darauf hofften, eine Zweigstelle der Royal Mint in ihren Städten einrichten zu dürfen. Irgendjemand setzte daraufhin das Gerücht in Umlauf, die Sovereigns aus Sydney seien von minderwertigem Gold.
Eine daraufhin angeordnete Inspektion erwies, dass die australischen Sovereigns ganz im Gegenteil einen höheren Goldanteil aufwiesen als die englischen. Zu diesem Zeitpunkt kursierten Sovereigns aus Sydney bereits in Neufundland und Indien. So war es nur konsequent, dass sie im Februar des Jahres 1866 den Status von Legal Tender auch im Vereinigten Königreich erhielten.
1926 wurde die Münzstätte von Sydney geschlossen. Sie ist heute im New South Wales State Heritage Register eingetragen und kann als eines der „Living Museums“ besichtigt werden.
Sie finden zahlreichen Abbildungen vom Prägebetrieb auf der Website des Sidney Mint Museum.
Ausführlich können Sie sich zur australischen Numismatik informieren auf dieser Seite, mit kurzer Zusammenfassung der Geschichte der Münzstätte von Sidney.
Und hier lesen Sie die Biographie des ersten Münzmeisters der Münzstätte Sydney.
Auf der Website von Künker finden Sie den Online-Auktionskatalog.