Die Wertentwicklung der ersten Euromünzen des Vatikans. Teil 1

Auch wenn man es nicht gerne zugibt: Jeder von uns hat schon einmal so richtig in die berühmte numismatische „Mistkiste“ gegriffen und etwas völlig Überteuertes gekauft. Erster Grundsatz der Numismatik: Lehrgeld zahlt jeder, selbst der, welcher es nicht zugibt! Also trösten Sie sich. Wohl dem, der eine dicke Haut hat, sich zurücklehnt, völlig teilnahmslos daherkommt und trotzdem alles mit Adleraugen im Blick hat. Glauben Sie mir, davon gibt es nicht viele, denn die Mehrheit sind die, die nicht abwarten können. Auch ich gehöre dazu. Hand aufs Herz, wir bezeichnen uns doch gern als leidenschaftliche Sammler, die sich an schönen Prägungen erfreuen. Uns liegt das finanzielle Interesse oder die Wertsteigerung immer fern – und trotzdem packt uns dann plötzlich die Gier, etwas bestimmtes zu besitzen. Jetzt muss es sein, sofort! Es ist eben wie im normalen Leben, Engel und Teufel stecken in der gleichen Person.

Objekt der Sammlerbegierde: Euro-KMS des Vatikans

Es war ein fulminanter Start, den der Vatikan 2002 mit dem Euro hinlegte: Neben den beiden anderen Kleinstaaten Monaco und San Marino hatte auch der Vatikan die Ausgabe eines Euro-Kursmünzensatzes mit dem Porträt von S. H. Papst Johannes Paul II. in der Version Stempelglanz (stgl.) und Polierte Platte (PP) angekündigt. Einige Gazetten sprachen damals sogar von einer numismatischen Sensation und die Preise gingen natürlich schon vor der eigentlichen Ausgabe durch die Decke.

Wer also damals die ersten Euromünzen des Vatikans für viel Geld auf dem Zweitmarkt gekauft hat, der ist heute schlauer, und eventuell ist sein Fell durch diese Erfahrung nun etwas dicker geworden. Will man sich ein klares Bild verschaffen, dann muss man sich intensiv mit der Situation im Jahre 2002 befassen. Fakt ist: So richtig abgeräumt hat damals, wer schon länger Sammlermünzen im Vatikan abonniert hatte.

Der Gouvernatoratspalast im Vatikan. Foto: Angela Graff.

Abonnenten waren 2002 klar im Vorteil

Was wurde einst so alles über die Sammlerzeitschriften verbreitet. Da wurde von einer endlosen langen Warteschlange von hunderten Sammlern vor dem Ausgabebüro des Ufficio Filatelico e Numismatico (UFN) berichtet. Andere wussten sofort, dass sich vorwiegend italienische Spekulanten die gesamte Auflage der 65.000 KMS in Stempelglanz, offenbar auf nicht ganz legale Weise, gesichert hatten. So erklärte man sich die hohen Preise der Händler. Es wurde sogar von tumultartigen Szenen vor dem UFN-Büro berichtet. Heute weiß man: alles Zeitungsenten und Humbug!

Die Ausgabestelle für Münzen und Briefmarken der Vatikanstadt war damals noch im Gouvernatoratspalast hinter dem Petersdom inmitten der Vatikanischen Gärten untergebracht. Man konnte aber nicht so einfach an der Wache der Schweizergarde und der Vatikan-Gendarmerie vorbeispazieren! Das war und ist vollkommen unmöglich. Wer bereits seit Jahren ein Abonnement für Münzen beim UFN hatte, der bekam den ersten KMS automatisch zugeschickt. Der Ausgabepreis für einen 2002-KMS-Stempelglanz im Pappfolder lag bei 17 Euro. Abo-Kunden saßen (und sitzen noch heute) bei der Geschichte also an der Quelle und kamen am billigsten dabei weg. Der Zweitmarkt ist immer teurer.

Passierschein zum UFN Büro. Foto: Angela Graff.

Wer als Kunde in Italien oder gar in Rom wohnte, konnte in der Ausgabestelle des UFN seinen Satz auch selbst abholen. Das war aber nur während den Öffnungszeiten und nach einer Anmeldung im zuständigen Büro am Eingang St. Ufficio oder dem Glockentor möglich. Dort erhielt man einen entsprechenden Passierschein zum UFN und kam damit an den verschiedenen Posten der Gendarmerie vorbei. Im UFN wurde die Uhrzeit genau vermerkt und dann ging es wieder zurück zum Abmelden. Es hatte also alles seine Ordnung und lange Schlangen gab es nicht einmal in den Vatikanischen Gärten.

Alles was nach „Vatikan“ aussah, wurde verkauft

Ja, so muss man wohl die Situation damals beschreiben. Sogar die Ankündigungs-Flyer des UFN mit den abgebildeten KMS wurden für bis zu 10,- EUR verkauft! Es gab deutsche Händler, die einen KMS-Vatikan 2002 für viel Geld anboten, obwohl darin nur die italienischen Kursmünzen enthalten waren. Die Erklärung, „mit italienischen Münzen wird meist im Vatikan bezahlt“, überzeugte dabei nur schwer. Andere deutsche Händler bezeichneten sich als offizielle Verteilerstelle für Münzen des Vatikans in Deutschland und als Distributor des UFN. Alles dies war Schwindel am Kunden. Sogar mit den Antragsformularen für einen Bezug von KMS sowie Briefmarken aus dem UFN wurde ein reger Handel betrieben.

Doch damit nicht genug, auch die leeren KMS-Pappfolder wurden angeboten – und merkwürdigerweise auch verkauft. Woher diese leeren Folder kamen, wurde erst später deutlich: Mit dem Verkauf von einzelnen Münzen konnte man einfach mehr verdienen. Gleiches galt für einen „losen“ Satz Münzen von 2002 und eine normale kleine Plastiktüte. Mit diesen Zutaten kann man noch heute ein „originales“ Starter-Kit herstellen. Zudem lässt sich noch immer der leere Folder an den Mann bringen. Kurz und gut, die unmöglichsten Dinge kursierten und das machte die Münzen nicht billiger, im Gegenteil, nach oben war noch Luft und die Preisspirale drehte sich munter weiter.

Numiscontrol im Vatikan beim damaligen Leiter des UFN, Dr. Francini. Foto: Angela Graff.

Noch immer behaupten einige Händler, dass die von ihnen lose angebotenen Vatikanmünzen aus Münzrollen stammen. Das ist aber nachweislich falsch. Die Münzstätte in Rom liefert die Münzen entweder gleich im jeweiligen Folder oder in verwogenen Plastiksäckchen. Münzrollen hat es seit der Euro-Einführung nie gegeben. Doch Legenden halten sich eben lange …

Keine Rollenware, sondern im Paket. Foto: Angela Graff.

Die KMS-Preise haben drastisch abgespeckt

Man könnte es ganz kurz machen und einfach sagen Wer sich die ersten Euro-Münzausgaben des Vatikans auf dem Zweitmarkt besorgen musste, hatte Pech. Viele Sätze der ersten Jahre bekommt man heute für weniger als die Hälfte angeboten! Bestes Beispiel dafür ist wohl der Euro-KMS (stgl.) aus dem Jahre 2002. Der Satz wurde im Jahre 2003 noch zum stolzen Preis von 1.198, – EUR verkauft. Heute (15.12.2019) gibt es den gleichen Satz für 249, – EUR. Beim KMS 2002 in PP sieht es auch nicht besser aus, denn was damals noch 1.800, – EUR kostete, konnte am 15.12.2019 für 550, – EUR erworben werden. Es bleibt also ein Verlust von 949, – EUR (stgl.) bzw. 1.250, – EUR (PP). Die Preise für beide Sätze des Jahres 2003 sind ebenfalls in den Keller gestürzt. Dies veranschaulicht die folgende Tabelle. Hier habe ich Ihnen die vatikanischen KMS in Stempelglanz und Polierte Platte der Jahre 2002 bis 2006 zusammengestellt, denn bei diesen hat es die größten Preisbewegungen nach unten gegeben. Diese bemerkenswerte Preisentwicklung sollte wohl jeden zum Nachdenken anregen, denn wir reden hier von 3,88 EUR Nominalwert!

Preisentwicklung der Vatikan-KMS 2002-2006

KMS Jahr Preis 2003 stgl. Preis 2010 stgl. Preis 2019 stgl. Preis 2003 PP Preis 2010 PP Preis 2019 PP
2002 1.198, – EUR 590, – EUR 249, – EUR 1.800, – EUR 1.050, – EUR 550, – EUR
2003 700, – EUR 250, – EUR 119, – EUR 1.100, – EUR 400, – EUR 219, – EUR
2004 490, – EUR 240, – EUR 110, – EUR 980, – EUR 350, – EUR 190, – EUR
2005 420, – EUR 240, – EUR 80, – EUR 760, – EUR 330, – EUR 120, – EUR
Sedisvakanz 2005 300, – EUR 280, – EUR 320, – EUR X X X
2006 270, – EUR 220, – EUR 60, – EUR 650, – EUR 310, – EUR 95, – EUR

 

Vorsichtige Prognosen und Trends

Nimmt man es ganz genau, sind die Preise für die PP-KMS immer noch durch die beiliegende Silbermedaille von 45 Gramm und aus 925er Silber künstlich gestützt. Der Silberpreis ist ein Grund dafür, dass solche KMS wohl auch zukünftig nicht ganz auf das umgangssprachliche Kellerniveau fallen werden.

Bei den KMS in Stempelglanz dagegen bin ich mir nicht so sicher. Meine Prognose dazu lautet, dass auch in den nächsten Jahren gerade die KMS der ersten Jahre (2002-2006) auf dem heute erreichten Tiefpunkt bleiben und sich nur leicht erholen werden. Hier beginnt sich gerade die Spreu vom Weizen zu trennen, es kommt den Sammlern nicht mehr auf die einst angestrebte Vollständigkeit der KMS an. Man sucht eher nach Rosinen im Kuchen.

Der einzigartige Satz zur Sedisvakanz im Jahre 2005, wird dabei sicherlich seinen heutigen Preis behaupten können und vermutlich sogar noch leicht zulegen. Keinesfalls als abgeschlagen sollte man die KMS während des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. betrachten, auch wenn sie momentan nicht so toll im Rennen liegen. Wer hier noch Lücken in der Sammlung hat, kann und sollte diese jetzt ganz günstig schließen.

Was mir besonders bei Internetauktionen auffiel, ist die Tatsache, dass man heute erfreulicherweise auch mehr die einstige Post-Verpackung der KMS aus dem Vatikan mit einbezieht – falls sie überhaupt noch vorhanden ist. Die einzelnen Postsendungen an die Kunden waren einmal eine postalische Augenweide. Lange Zeit gab es noch viel Handarbeit im UFN. Da wurden die Sendungen per Hand verpackt und noch mit Briefmarken beklebt. Nicht selten kamen dabei interessante Sonderstempel zum Einsatz. Aber diese Zeit ist wohl vorbei. Freistempel statt Marken ist heute die Devise. Leider!

In solchen dekorativen Verpackungen wurden die Vatikan-Münzen versendet. Foto: Angela Graff.

Die ersten Euro-Münzen aus dem Vatikan: Für viele war das ein Zauberwort, dabei wusste niemand genau, wie sich die Preise entwickeln würden. Doch wie sieht es bei den ersten 2-Euro-Gedenkmünzen aus, die der Vatikan ab 2004 im eigenen Folder ausgab? Und welche Preisentwicklung gab es bei den ersten Numisbriefen? Dazu lesen Sie mehr im Teil 2.

 

Numiscontrol ist unser Spezialist für DM und DDR-Mark, Euro-Münzen und 0-Euro-Scheine. Lesen Sie seine neuesten Artikel dazu, was die deutschen Starterkits heute noch wert sind und wie es um verschiedene europäische Starterkits auf dem Sammlermarkt bestellt ist.

Vor kurzem erschien übrigens auch eine aktualisierte Fassung des Euro-Münzkatalogs für die Jahre 1999 bis 2019.

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