Die neun Münzsammlertypen
Man findet sie überall in der freien Natur: Auf Münzbörsen, in Auktionssälen, auf Flohmärkten, in Münzhandlungen… Und doch ist relativ wenig über die Gattung der Münzsammler bekannt. Sie dürften zur Familie der Sammler gehören, die ihrerseits eindeutig den menschlichen Wesen zugeordnet ist. Hier wird erstmals ein Versuch unternommen, die neun bisher bekannten Arten von Sammlern genauer zu spezifizieren.
Das Geschlecht des Sammlers
Der typische Münzsammler ist männlich. Auf 1000 männliche Sammler kommt höchstens eine ernsthafte Sammlerin. Warum das so ist, dafür hat noch niemand eine vernünftige Erklärung gefunden. Versuchen wir es deshalb mit einem Rückgriff auf die graue Vorzeit. Auf der Jagd nach der einen und einzigen Münze, die in die eigene Sammlung gehört, wird der Mann zum vorgeschichtlichen Jäger auf der Suche nach Beute. Er will spähen, jagen, erlegen und dann die Beute nach Hause bringen. Das Danach interessiert ihn nicht. Er legt die erbeutete Münze in einen Kasten, wo schon eine Vielzahl von anderen Stücken liegt, die in den vergangenen Jahren seinen Jagdtrieb anstachelten. Der Spass beim Sammeln besteht mit wenigen Ausnahmen (vgl. den Denkmalpfleger, den Forscher und den Historiker) nicht im Besitzen, sondern in der Jagd.
Münzsammeln an sich ist zweckfrei – auch wenn jeder Sammler dies vehement bestreiten würde. Und vielleicht ist das der Grund, warum sich praktisch keine Frau diesem Hobby widmet. Bemühen wir noch einmal unsere im Unterbewusstsein latent vorhandene Vorvergangenheit aus der grauen Steinzeit. Während der Mann die Beute heimbrachte, war das Verwerten dieser Beute Sache der Frau. Sie teilte in benutzbar und nutzlos. Vielleicht ist das der Grund, warum Frauen noch heute eher auf das Praktische ausgerichtet sind. Und damit fallen sie für das Münzsammeln aus. Denn wie gesagt, Sammeln hat keinen praktischen Zweck. Münzen dienen weder zum Schmücken des Hauses oder des Körpers, noch als wertbeständige, leicht veräusserliche Anlage und nur selten als Prestigeobjekt. Warum also, um Gottes willen, sollte eine Frau Münzen sammeln?
So bestimmen Sie Ihren Sammlertyp
Während Frauen meist kein vernünftiger Grund einfällt, warum sie Münzen sammeln sollen, sind männliche Sammler nie um eine Ausrede verlegen. Sie haben beim Sammeln ein Ziel vor Augen oder können einen Grund angeben, warum sie sammeln. Ziel und Grund sind von Sammler zu Sammler unterschiedlich, aber auch bezeichnend. Lesen Sie sich folgende Aussagen durch. Wenn eine von ihnen auf Sie zutrifft, können Sie Ihren Sammlertyp bestimmen. Finden Sie, dass mehrere Aussagen auf Sie zutreffen, sind Sie ein Mischtyp und gehören damit zur grossen Mehrheit der Sammler.
Ich will mein Sammelgebiet komplett haben.
Lesen Sie weiter unter: 1. Der «klassische» Jäger
Ich will an meinen Münzkäufen einen guten Gewinn machen.
Lesen Sie weiter unter: 2. Der Spekulant
Ich will mich an der Schönheit der Münzen freuen.
Lesen Sie weiter unter: 3. Der Ästhet
Ich will nur perfekte Stücke in meiner Sammlung haben.
Lesen Sie weiter unter: 4. Der Perfektionist
Ich will möglichst viele Münzen besitzen.
Lesen Sie weiter unter: 5. Der Müllschlucker
Ich will mir ein Denkmal für die Ewigkeit errichten.
Lesen Sie weiter unter: 6. Der Denkmalpfleger
Ich will anhand der Münzen neue Entdeckungen machen.
Lesen Sie weiter unter: 7. Der Forscher
Ich will alles haben, was mit meinem Sammelgebiet zu tun hat.
Lesen Sie weiter unter: 8. Der Heimathirsch
Ich will ein Zeugnis der Geschichte in Händen halten.
Lesen Sie weiter unter: 9. Der Historiker
1. Der «klassische» Jäger
Eigentlich sind ja alle Münzsammler Jäger, aber in seiner klassischen Ausformung kann man diesen Typ von anderen abgrenzen. Sie erkennen den «klassischen» Jäger daran, dass er stets mit einer Liste in der Hand auf die Jagd geht. Die schriftliche Aufstellung aller möglichen Beutestücke ist das entscheidende Requisit seines Sammelns. Interessant sind für ihn ausschliesslich die Münzen seiner Liste, an allen anderen geht er achtlos vorbei. Beim Kauf geht es ihm nicht um das Objekt. Seine Lust zieht er daraus, einen Haken zu machen. Nichts befriedigt den «klassischen» Jäger mehr als möglichst viele Haken.
Alle katalogisierten Gebiete ziehen den «klassischen» Jäger magisch an. Von ihnen kann er Listen anfertigen, die er «abarbeitet». Allerdings beherrscht ein Paradoxon sein Sammlerleben. Er strebt zwar nach Vollständigkeit, in dem Moment aber, in dem er sie erreicht, verliert sein Tun den Sinn. Der Tag, an dem er das letzte Stück seiner Liste abgehakt hat, ist der Tag, an dem er zu einem Münzhändler geht, um über den Verkauf seiner Sammlung zu verhandeln. Eine vollständige Sammlung, die ihm nicht mehr das Erlebnis des Jagens, sondern nur noch das des Besitzens bietet, ist ihm langweilig.
Im Umgang ist der «klassische» Jäger pflegeleicht. Er ist ungesellig und zieht am liebsten alleine auf die Jagd. Er spricht wenig über sein Tun, was in den meisten Fällen daran liegt, dass er nichts über den historischen Hintergrund seiner Münzen weiss.
Daran erkennen Sie den «klassischen» Jäger und Sammler: ständiges Umhertragen einer Liste, in der alle erworbenen Münzen handschriftlich vermerkt werden.
Sein Jagdgebiet sind: vorwiegend Münzbörsen, seltener Münzhandlungen; nur in der Endphase seiner Sammeltätigkeit auf Auktionen anzutreffen.
Er sammelt zumeist: deutsche Reichsmünzen nach Jaeger, Kursmünzen nach Jahrgängen und Prägebuchstaben, seltener Münzen mit Porträts aller römischen Kaiser.
2. Der Spekulant
Viele Münzsammler träumen davon, beim Verkauf ihrer Sammlung einen grossen Gewinn verbuchen zu können. Der Spekulant hat diesen Traum zum Inhalt seines Sammelns gemacht. Ihm ist an einer Münze nur wichtig, dass sie eine Chance auf Gewinnsteigerung bietet. Der Spekulant glaubt an das Märchen vom Schatz, der am Ende des Regenbogens vergraben liegt. Er gedenkt, diesen Schatz durch sein kluges Vorgehen zu heben. Deshalb liest er die Preislisten aller relevanten Münzzeitschriften wie einen Börsenbericht. Sammelgebiete, für die keine regelmässigen Preislisten erstellt werden, fallen für ihn als Betätigungsfeld aus.
Den Spekulanten trifft man heute vor allem im Internet. Er ist getrieben von der Hoffnung, einem unwissenden Privatmann seine Schätze für wenig Geld abzujagen, um selbst den grossen Profit zu machen. Händler verabscheut der Spekulant, weil sie seinen Gewinn schmälern.
Im Umgang ist der Spekulant eher unauffällig, er outet sich nur gelegentlich als Münzsammler, wenn er mit der sa-gen-haf-ten Rendite prahlt, die er jüngst erzielen konnte. Wobei der Gesprächspartner nur beim genauen Hinhören mitbekommt, dass dieser Gewinn durch den An- und Verkauf einer Münze realisiert wurde.
Auf Dauer bleibt der Spekulant im Münzhandel der Verlierer. Da er keine Kenntnis besitzt vom wahren Wert einer Münze, bleibt er auf die Gebiete beschränkt, in denen sich bereits jede Menge anderer Spekulanten tummeln, die sich gegenseitig die Preise hochtreiben und so eine künstliche Hausse erzeugen. Sobald ein Teil der Spekulanten aussteigt, fallen die Preise ins Bodenlose bis zu dem Niveau, bei dem die «richtigen» Sammler wieder einsteigen. Der Spekulant ist Münzsammler immer nur für kurze Zeit. Sobald er verstanden hat, dass er nur Geld verlieren kann beim Münzsammeln, steigt er aus.
Daran erkennen Sie den Spekulanten: Er kann Ihnen ausser Preis und Auflage keinerlei Angaben zu den Objekten seiner Sammlung machen.
Sein Jagdgebiet ist: vorwiegend das Internet. Er versucht Münzen direkt vom Produzenten zu kaufen, um zu vermeiden, dass auch der Zwischenhändler gewinnt.
Er sammelt ausschliesslich: Münzen, die Gewinn versprechen und bei denen das Preisgefüge leicht zu durchschauen ist. Besonders häufig tummelt er sich im Markt der heute geprägten Münzen.
3. Der Ästhet
Ziel des Ästheten ist es, eine Münze als Zeugnis vollendeter Kunst in Händen zu halten. Ob er dafür ein bisschen mehr oder weniger zahlt, ist für ihn nicht von Interesse. Er kann sich das aber auch leisten. Ästheten findet man vor allem in den gut bezahlten Berufen wie dem des Arztes oder Apothekers.
Jagdrevier des Ästheten ist weder die Münzbörse (zu laut! zu hektisch!), noch das Internet (igitt, nur was für Proleten!). Er kauft auf Auktionen, möglichst in der Schweiz. Er liebt es, sich in seinen besten Anzug zu kleiden, eine dezente Krawatte umzutun, um dann, seine hübsche Frau am Arm, zur Auktion zu gehen.
Ästheten erkennt man nicht nur an der Art, wie sie sammeln. Meist ist ihr ganzes Leben ein Gesamtkunstwerk. Die durchgestylte Wohnung passt zum edlen Rotwein und dem fünfgängigen Menü, wie man sie im Hause des Ästheten vorgesetzt bekommt. Überhaupt ist es eine Freude, mit einem Ästheten zu verkehren. Ihm fehlt jede Form von Verbissenheit. Sammeln ist für ihn stets nur eine Bereicherung seines Lebens, die Jagd nach der Münze wird nie zum Selbstzweck.
Als Sammelgebiet kommen für den Ästheten nur die Bereiche in Frage, in denen man vor allem schöne Münzen findet. Dazu gehören die Prägungen der Griechen, die numismatischen Kunstwerke aus der Zeit der Renaissance und seit neuestem vermehrt die romanischen Brakteaten. Wobei der Ästhet durchaus bereit ist, ein Objekt weit abseits von seinem Sammelgebiet zu erwerben, sobald ihn dessen Schönheit reizt.
Daran erkennen Sie den Ästheten: gepflegte Erscheinung, umfassende Allgemeinbildung; jegliche Verbissenheit beim Sammeln fehlt.
Sein Jagdgebiet ist: ausschliesslich die Auktion, mit Vorliebe in der Schweiz.
Er sammelt zumeist: griechische Münzen, Medaillen der Renaissance oder Brakteaten.
4. Der Perfektionist
Nicht ganz so entspannt wie der Ästhet sieht der Perfektionist sein Sammeln. Wie alle, die nach Vollkommenheit streben, ist der Perfektionist von seiner Leidenschaft völlig absorbiert. Er sucht nach der vollkommenen Münze. Alles an ihr muss stimmen: Erhaltung, Stil, Zentrierung. Es gab da mal einen Sammler, der eine an sich perfekte Münze nur aus einem einzigen Grund verkaufte: Das letzte Stückchen vom Schwanz der römischen Wölfin war nicht mehr auf dem Schrötling zu sehen.
Vollständigkeit spielt für den Perfektionisten keine Rolle. Ganz wie Caesar, der lieber in einem Dorf der erste Mann sein wollte als in Rom der zweite, bevorzugt es der Perfektionist, eine einzige Münze zu besitzen, die seinen Vorstellungen entspricht, ehe er viele, nicht ganz seinen Anforderungen entsprechende kauft.
Der Perfektionist wendet viel Zeit auf um nachzuforschen, wie das perfekte Stück auszusehen hat. In seiner Bibliothek stehen alle wichtigen Auktionskataloge der Vergangenheit. Wenn ihn ein Münztyp interessiert, ist der Perfektionist in der Lage, dafür jedes Vorkommen eines Stückes zu nennen, das seinen Qualitätsvorstellungen entspricht.
Der Perfektionist ist ausschliesslich auf Auktionen anzutreffen, denn nur dort werden Objekte in der Qualität angeboten, die er sucht. Er verbringt Stunden bei der Vorbesichtigung und weiss bereits vor der Auktion, auf welche Münze(n) er bietet. Wenn er zu bieten beginnt, dann kann sich der Auktionator freuen, denn der Perfektionist ist bereit, jeden Preis zu zahlen, um «sein» Stück zu erwerben. Treffen zwei Perfektionisten aufeinander, dann kann es zu verrückten Preissteigerungen kommen. Keiner gibt nach. Der Verstand setzt aus, die Hand schnellt nach oben und irgendwann gibt es einen Sieger, der oft zum Verlierer wird, denn viele Perfektionisten können sich ihren Geschmack eigentlich nicht leisten.
Daran erkennen Sie den Perfektionisten: Sie müssen sich nur seine Sammlung anschauen.
Sein Jagdgebiet ist: ausschliesslich die Auktion.
Er sammelt zumeist: Was ihn interessiert, aber das in perfekt.
5. Der Müllschlucker
Das Gegenteil vom Perfektionisten ist der Müllschlucker. Seine Sammlung ist nach einem einzigen Kriterium aufgebaut. Billig! Billig! Billig! Der Müllschlucker beschränkt sich weder auf ein bestimmtes Sammelgebiet, noch auf eine Zeitepoche. Sein Ziel ist es anzuhäufen, bis er wie Dagobert Duck ein Schwimmbassin mit Münzen füllen könnte. Betrachtet man seine Sammlung, so kann man eigentlich nur von einer Ansammlung sprechen.
Der Müllschlucker ist überall, wo es für wenig Geld viele Münzen zu kaufen gibt. Er steht auf Münzbörsen bevorzugt vor Krabbelkisten, kauft bei Auktionen vor allem Lots und die Stücke, die um den Metallwert herum zu haben sind; auch im Internet ist er mittlerweile häufiger anzutreffen.
Der Müllschlucker ist nicht zu verwechseln mit dem Spekulanten. Von ihm unterscheidet ihn eine wesentliche Eigenschaft: Er kauft nicht, um wieder zu verkaufen, sondern um anzuhäufen. Wie Fafnir sitzt der Münzschlucker auf seinem vermeintlichen Münzhort und muss es deshalb nicht erleben, dass ihm ein Münzhändler sagt, wie wenig Wert seine Ansammlung eigentlich hat. Dieser Schock bleibt für seine Hinterbliebenen bei der Erbschaftsauflösung reserviert.
Daran erkennen Sie den Müllschlucker: Er kann an keiner Krabbelkiste vorbeigehen, ohne nicht wenigstens ein paar Münzen zusammenzusuchen, die billig sind.
Sein Jagdgebiet ist: überall dort, wo er viele Münzen für wenig Geld bekommen kann.
Er sammelt zumeist: alles.
6. Der Denkmalpfleger
Für den Denkmalpfleger ist nicht das Sammeln das Entscheidende, sondern das Denkmal, das er sich selbst mit seiner Sammlung errichten kann. Deshalb ist für ihn der entscheidende Moment in seinem Sammlerleben der Augenblick, in dem er seine Münzsammlung als Produkt seiner Sammlertätigkeit präsentieren darf. Dies kann geschehen, indem er einem Münzkabinett seine Stücke vermacht und von dem Kurator im Jahresbericht als Mäzen gefeiert wird. Für den Fall, dass der Denkmalpfleger dafür zu geizig ist, stehen ihm noch folgende Möglichkeiten offen: Er kann seine Sammlung a) unter seinem Namen versteigern lassen, oder, falls die Qualität der von ihm zusammengetragenen Münzen dafür zu schlecht ist, sie b) unter seinem Namen veröffentlichen, wobei er häufig die Kosten für den Druck übernehmen muss, da sich ausser ihm niemand für seine Sammlung interessiert. Charakteristisch ist, dass auf jeden Fall sein Foto, das zusammen mit der Sammlung veröffentlicht wird, grösser ist als die grösste der Münzen, die er erworben hat.
Der Denkmalpfleger verwendet im Allgemeinen nur wenig Gedanken auf sein Sammelgebiet. Er lässt sich gerne von einem Vermittler betreuen, der ihm die Mühe abnimmt, die Münzen seiner Sammlung persönlich auszuwählen. Deshalb ist er nur selten auf Münzbörsen oder Auktionen anzutreffen.
Geografisch kann man den Denkmalpfleger derzeit vor allem in den Vereinigten Staaten lokalisieren, wo ein grosszügiges Steuerrecht den Denkmalpfleger noch dabei unterstützt, sich selbst ein Angedenken für die Ewigkeit zu erwerben, indem er seine Sammlung einer Forschungsinstitution vermacht.
Daran erkennen Sie den Denkmalpfleger: Er spricht weniger über seine Münzen als über sich selbst.
Sein Jagdgebiet ist: keines. Der Denkmalpfleger zieht nur in seltenen Fällen selbst auf die Jagd. Meist beauftragt er einen Händler, ihn auf alle interessanten Angebote aufmerksam zu machen.
Er sammelt zumeist: das, was ihm der Händler seines Vertrauens empfiehlt.
7. Der Forscher
Nicht zu verwechseln mit dem Denkmalpfleger ist der Forscher, dessen Sammeltätigkeit ebenfalls häufig in einer Publikation mündet. Die Sammlung eines Forschers ist von hohem wissenschaftlichem Interesse und enthält viele unpublizierte Stücke, sodass deren Publikation die Numismatik bereichert.
Der Forscher sammelt nicht in erster Linie Objekte, sondern Wissen darüber. Häufig gibt er für seine Münzen weniger Geld aus als für die Literatur, die er zu deren Bestimmung braucht. Münzen sind ihm ein Vehikel seiner Lust an der Entdeckung historisch-numismatischer Zusammenhänge. Die Erhaltung eines Stückes spielt dem Forscher keine Rolle. Im Gegenteil, die Befriedigung, eine schlecht lesbare Münzlegende entziffern zu können, ist ihm höchster Genuss.
Der Forscher hat in der Regel einen schmalen Geldbeutel. Und da er seinen Lustgewinn aus dem Bestimmen zieht, das für jede Münze nur einmal geleistet werden kann, braucht er ständig neue Stücke zu einem möglichst günstigen Preis. Deshalb trifft man den Forscher häufig auf Münzbörsen an, wo er in den Schalen mit den schwer bestimmbaren Münzen wühlt, die von Münzhändlern billig abgegeben werden. Mit seinen überlegenen Kenntnissen gelingt es dem Forscher immer wieder, ein «Schnäppchen» zu machen, also tatsächlich eine Münze zu finden, die wesentlich mehr wert ist als das, was der Händler dafür haben will.
Auch der Forscher träumt wie der Spekulant von einem Schatz, doch während der Spekulant seinen Schatz in Franken und Rappen beziffern kann, wünscht sich der Forscher das Stück, das eine ungelöste wissenschaftliche Frage beantwortet.
Forscher sind faszinierende Persönlichkeiten, die stundenlang interessant über ihr Gebiet plaudern können. Man hört ihnen gerne zu. Sieht man die Münzen mit ihren Augen, dann werden noch die hässlichsten Stücke zu wichtigen historischen Zeugnissen, die einen Einblick gewähren in unsere Vergangenheit.
Daran erkennen Sie den Forscher: Wenn Sie seine Sammlung betrachten, haben sie im ersten Moment das Gefühl, das es sich lediglich um Müll handelt, doch in dem Moment, in dem der Forscher zu erzählen beginnt, vergessen sie die Erhaltung der Münzen.
Sein Jagdgebiet sind: die Krabbelkisten auf Münzbörsen und die Lots in Auktionen.
Er sammelt meist: Münzen, die einen hohen Anspruch an die Kenntnisse des Sammlers stellen. Dazu gehören zum Beispiel Münzen des Mittelalters, Prägungen der griechischen Städte unter römischer Herrschaft oder Stücke aus dem Nahen Osten.
8. Der Heimathirsch
Während jedermann dem Forscher aufmerksam lauscht, flieht ein vernünftiger Mensch den Heimathirsch. Diese Bezeichnung für einen bestimmten Sammlertypus stammt aus der archäologischen Umgangssprache und beschreibt einen Mann, der in seiner eigenen Umgebung jeden Fundplatz kennt, dem es aber trotz seines Spezialwissens nicht gelingt, sein Wissen in einen grösseren Rahmen einzuordnen. Diese Eigenschaft teilt er mit dem numismatischen Heimathirschen. Den interessiert nichts ausserhalb seines Spezialgebietes, über das er mit einer Detailgenauigkeit zu berichten weiss, die jeden Zuhörer zum Gähnen bringt.
Der Heimathirsch sammelt nur ein Gebiet, zu dem er aus biografischen Gründen eine besondere Beziehung hat, sein häufigstes «Thema» sind Münzen der Gegend, aus der er stammt oder in der er lebt.
Der Heimathirsch ist im privaten Umgang gewöhnungsbedürftig. Er ist rechthaberisch und weiss alles besser. Dies ist für ihn relativ einfach, da er sich grundsätzlich nur über das Thema unterhält, das ihn selbst interessiert. Zum Zuhören ist der Heimathirsch unfähig.
Der Heimathirsch kauft ausschliesslich Münzen seines Sammelgebiets. Dies führt dazu, dass er irgendwann alle häufigen Münzen hat und kaum noch Neues erwerben kann. Trotzdem zieht er weiterhin über die Münzbörsen. Denn sein wichtigstes Vergnügen ist es, jedem, der sich ihm nicht schnell genug durch die Flucht entzieht, aufzuzählen, welche Stücke mittlerweile in seiner Sammlung liegen.
Daran erkennen Sie den Heimathirschen: Er redet und redet und redet und redet und redet und redet …
Sein Jagdgebiet ist: dort, wo er Menschen erbeuten kann, die ihm zuhören müssen.
Er sammelt ausschliesslich: Münzen, zu denen er eine biografische Verbindung hat.
9. Der Historiker
Münzen sind für den Historiker ein Mittel, um die Vergangenheit greifbar zu machen. Ihn interessiert an einem Objekt nicht Erhaltung oder Schönheit, sondern die Geschichte, die einem Stück innewohnt und an der er durch den Kauf der Münze teilzuhaben meint.
Sein Interesse gilt den Münzen, mit denen ein Name oder ein Ereignis verbunden werden kann, die im Gedächtnis der Allgemeinheit verwurzelt sind. Caesar oder Kleopatra, der Tributpfennig des Neuen Testaments oder die 30 Silberlinge des Judas. Stücke wie diese sind gegenüber ihrem realen, durch Erhaltung und Seltenheit bestimmten Wert überteuert, da für den Historiker der Kaufpreis keine Rolle spielt.
Historiker sind Inselsammler. Sie sammeln kein Gebiet, sondern einzelne Namen, manche von ihnen nennen nur wenige (unter zwölf) Stücken ihr Eigen. Diese wenigen Objekte zeigen sie mit Begeisterung anderen Menschen. Den Sammlertyp des Historikers findet man vor allem unter Lehrern (v. a. Latein, Geschichte, Religion – in absteigender Reihenfolge) und ehemaligen Lateinschülern (die all die Sechsen – bzw. in der Schweiz Einsen – vergessen haben, die sie einst in diesem Fach kassierten).
Historiker sammeln nicht nur Münzen, sie lesen mit Vorliebe historische Romane, sehen sich im Kino jeden Sandalenfilm an und langweilen die ganze Familie auf den gemeinsamen Urlauben, wenn sie vor jedem Stein einer Ruinenstadt anbetend stehen bleiben.
Daran erkennen Sie den Historiker: Er nennt nur wenige Münzen sein Eigen, über jede einzelne kann er aber bis zum Abwinken erzählen.
Sein Jagdgebiet ist: vorwiegend die Münzhandlung, wo er möglichst schnell kauft, ohne über den Preis zu diskutieren.
Er sammelt ausschliesslich: Münzen, die mit Persönlichkeiten in Verbindung stehen, die er kennt und für historisch bedeutend hält.