Die Münzstätten von San Francisco: Teil 2 Die New Mint
Name und persönliche Daten wie Passnummer, Geburtsdatum und einiges mehr werden bereits eine Woche vorher per E-Mail abgefragt. Es folgt ein umfangreiches Merkblatt, was man in der Münzstätte darf und vor allem was man nicht darf. Und dann ist die Erlaubnis da. Wir – meine Begleiterin, Mary Lannin, Vorsitzende des Citizens Coinage Advisory Committees der United States Mint, hatte den Besuch überhaupt erst möglich gemacht – fahren mit dem Auto einmal um die Münzstätte herum. Die herausgehobene Lage des Baus beeindruckt. Er scheint auf seinem Felsen wie auf einer Art Insel über der Stadt zu schweben. Die hohen Stacheldrahtzäune sind erst einmal ein bisschen einschüchternd. Doch die Wachen am Eingang sind freundlich, während sie die untere Seite unseres Auto mit Spiegeln untersuchen, um sicher zu gehen, dass wir keinen Sprengstoff auf das Gelände zu schmuggeln versuchen. Tun wir natürlich nicht. Und dann öffnet sich das Tor zur neuen Münzstätte von San Francisco…
Am 15. Mai 1937 wurde die Neue Münzstätte von San Francisco eingeweiht. Dass man das alte Gebäude überhaupt ersetzte, hatte politische Gründe. Der Börsencrash von 1929 hatte eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst, die viele Menschen arbeitslos machte. Für sie wurde ein umfangreiches Beschäftigungsprogramm initiiert, in dessen Rahmen sie mit staatlichem Auftrag jede Menge Infrastrukturprojekte in Angriff nahmen. Insgesamt wurden während des New Deals 125.000 öffentliche Gebäude, 77.000 Brücken und viele andere öffentliche Bauten errichtet. Zu ihnen gehört der New Yorker Flughafen La Guardia, die Oakland Bay Bridge von San Francisco und eben die neue Münzstätte.
Es muss eine großartige Zeit für Architekten gewesen sein, wenn man sich ansieht, wie viele Bauten allein Gilbert Stanley Underwood (1890-1960), Architekt der neuen Münzstätte, geschaffen hat. Er war eigentlich bekannt für seinen eher rustikalen Stil, in dem er ein Dutzend Lodges für Nationalparks bauen ließ. Für die neue Münzstätte setzte er auf etwas, das man als „Egyptian Revival Style“ bezeichnet, und das als architektonischer Ausdruck der Stabilität der Währung gesehen werden kann, die im Inneren des Baus entsteht. 44 Terracotta-Plaketten, die als Baudekoration angebracht sind, zeigen Darstellungen von Münztypen, die zwischen 1790 und 1920 geprägt wurden.
Im Jahr 1949 wurden in der Münzstätte von San Francisco mehr als 10 Millionen Münzen im Auftrag und zur Unterstützung von Chiang Kai-Shek geprägt. Ein Fünftel davon waren auf das Jahr 1898 zurückdatierte mexikanische Pesos, die sich von den Originalen leicht unterscheiden lassen: Am einfachsten ist es, sich das Datum auf der Rückseite anzusehen. Sind M und O auf der gleichen Höhe, handelt es sich um Originale aus dem Jahr 1898. Steht das O über dem M, ist es eine Nachprägung aus der Münzstätte von San Francisco.
Hier überprüft der damalige Superintendent der San Francisco Mint einen Teil der Produktion. Das Silber dafür war aus China gekommen. Nach der Schließung der Münzstätte von Shanghai hatten die Chinesen 150 Tonnen Silber und Kupfer geschickt, um dieses in mehr als 3 Mio. Dollar und 6 Mio. Halbdollar prägen zu lassen.
Die neue Münzstätte prägte allerdings nur noch bis 1955, als man die Produktion in San Francisco aus Gründen der Kostenersparnis einstellte. Der großartige Bau wurde umgenutzt zu einem Ankaufsbüro der US Mint für Edelmetall, wo noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts Zahnärzte und Juweliere ihr Altgold verkauften.
Seit 1965 werden in San Francisco wieder Münzen geprägt, zunächst vor allem Umlaufmünzen, um eine Münzknappheit, die sich in den 60er Jahren wegen der Schließung von Filialmünzstätten entwickelt hatte, zu beheben. Seit die US-Regierung im Jahr 1982 wieder begann, Gedenkmünzen herauszugeben, ist San Francisco auf Gedenkmünzen spezialisiert. Philadelphia und Denver prägen die Umlaufmünzen und West Point das Bullion.
San Francisco dürfte weltweit wohl zu den größten Münzstätten für Gedenkmünzen gehören. Die Zahlen der geprägten Münzen sind für europäische Verhältnisse unfassbar. Um nur ein einziges Beispiel zu nennen:
Von dem Quarter zum Thema „Everglades“ aus der Reihe „America the Beautiful“ wurden hier, in San Francisco, 954.540 Stücke in unzirkuliert hergestellt, 784.467 in Polierter Platte und 501.944 in Silber, Polierte Platte, insgesamt also 2,24 Mio. Stück! Und jedes Jahr werden fünf Quarters ausgegeben. Und dabei sind die Münzen aus dieser Reihe, die für den Umlauf in Philadelphia und Denver entstehen, insgesamt noch einmal 30 Millionen (sic!), noch gar nicht eingerechnet. Zum Vergleich, von der am 4. Februar 2016 herausgegebenen deutschen 10 Euro-Gedenkmünze „Rotkäppchen“ wurden gerade einmal 175.000 Stück in „Spiegelglanz“ hergestellt.
Da wundert sich niemand, dass 18 Gräbener Pressen im Prägesaal stehen. Sie sind normalerweise ziemlich ausgelastet. Schließlich entstehen nicht nur die Quarters hier, sondern ein großer Teil der Gedenkmünzen, wie zum Beispiel die Präsidenten-Dollars in PP, von denen San Francisco rund eine Million jährlich produziert.
Und passen Sie auf, irgendwo bei dieser Million ist ein Reagan-Dollar dabei, den ich selbst geprägt habe. Nun ja, ich habe den Knopf an der Prägemaschine gedrückt. NGC oder PCGS hätten das Stück bestimmt geslabt, so dass die Münze sofort das Doppelte wert gewesen wäre…
Wer so viele Münzen herstellt, hat einen gewaltigen Bedarf an Prägestempeln. Diese werden in Philadelphia hergestellt, wo auch die Designs entworfen werden. Die Endfertigung erfolgt in San Francisco. So ist es erst einmal notwendig, jeden rohen Stempel für den Prägevorgang vorzubereiten. Dafür wird er in einer PVD-Coating-Anlage verchromt.
PVD steht für das englische Physical Vapour Deposition, oder übersetzt physikalische Dampfphasenabscheidung. Vereinfacht gesagt, wird dabei festes Chrom verdampft, so dass der Stoff in unendlich kleinen Teilchen durch die Luft schwebt, die sich dann in einer unglaublich dünnen Schicht auf dem Stempel ablagern.
Durch diese Schicht aus Chrompartikeln werden die Stempel wesentlich haltbarer. Und die Schicht ist so dünn, dass auch die kleinsten Feinheiten im Stempel sichtbar bleiben.
Auch das Polieren wird mittlerweile mit einer Bürst-Poliermaschine aus der Schweiz vollautomatisch erledigt.
Nach dem verchromen und polieren erfolgt das frosten, das künstliche Aufrauen der Reliefs, um sie so von den stempelglänzenden Feldern besser abzuheben.
An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an das ganze Team der San Francisco Mint – stellvertretend abgebildet ist hier das Team der Abteilung, die sich mit der Stempelveredelung befasst. Alle haben uns so unglaublich freundlich empfangen und durch die verschiedenen Abteilungen geführt.
Die Ronden stellt die San Francisco Mint zwar nicht selbst her, aber um sicher zu sein, dass das Endprodukt genauso ausfällt, wie der Sammler es wünscht, wird die gesamte Veredelung vor Ort gemacht. Dazu gehört zunächst das Glühen in einem riesigen Ofen. Damit wird dem Material seine Sprödigkeit genommen, so dass es optimal für das Prägen vorbereitet ist.
Dann werden die Ronden gerändelt, sprich das, was auf dem Rand zu sehen sein soll, wird geformt. Dass nach diesen beiden Prozessen die Ronde nicht mehr hübsch und blank aussieht, kann man sich vorstellen. Deshalb erfolgt nun eine Art „Waschgang“. Natürlich nicht in einer normalen Waschmaschine, sondern in einer speziell auf diesen Münztyp eingerichteten, komplizierten Anlage, bei der nicht nur Flecken beseitigt, sondern auch kleine Unebenheiten wegpoliert werden.
Wie die Münzen geprägt werden, haben wir ja schon gesehen. Nun fehlt uns eigentlich nur noch die Abteilung, wo die Gedenkmünzen in ihre hübschen Verpackungen gelegt und eingeschweißt werden. Dafür besitzt die San Francisco Mint eine moderne Verpackungsanlage, mit der bis zu 150.000 Münzsätze pro Tag verpackt werden können. Wenn sie die Münzen zunächst in Kapseln gelegt werden müssen, dann können „nur“ 20.000 Sätze pro Tag mit bis zu 14 Münzen gehandhabt werden.
Kleinere Kontingente werden allerdings immer noch schneller von Hand verpackt.
Zum Abschluss führte uns Michael Levin noch durch die prachtvolle Lobby der Neuen Münzstätte, ein wunderbares Beispiel für die Architektur, die während des New Deals entstand. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, uns bei allen zu bedanken, die den Besuch möglich machten, zunächst bei David Jacobs, Superintendent der San Francisco Mint, der uns so freundlich in seinem Büro empfing und uns dann persönlich durch seine Münzstätte begleitete. Dann bei Michael Levin, dem wohl besten Kenner der Geschichte der Münzstätten von San Francisco. Alles was ich über die Geschichte der Münzstätten geschrieben habe, habe ich seiner Broschüre entnommen. Natürlich auch bei Mary Lannin, begeisterte Münzsammlerin und Vorsitzende des Citizens Coinage Advisory Committees der United States Mint.
Nicht zu vergessen, Paul Lewis, Deputy Superintendent der San Francisco Mint, der mich mit einer Fülle von Details versorgte.
Wenn Sie sich übrigens über die komischen Brillen wundern: Sicherheit wird in der Münzstätte groß geschrieben. Deshalb bekommt jeder Stahlkappen für seine Schuhe, eine Plastikbrille, um die Augen gegen Funkenflug zu schützen sowie Ohrstöpsel. Das mag vielleicht nicht vorteilhaft aussehen, kann aber Verletzungen verhindern.
Wenn Sie mehr über den Prägeprozess in der San Francisco Mint wissen wollen, Mike Unser hat sie 2013 besucht und diesen Besuch in acht Folgen bis ins letzte Detail dokumentiert. Sie erfahren genau, wie die verschiedenen Arbeitsschritte im Prägeprozess in San Francisco ausgeführt werden.
Natürlich hat die US Mint eine eigene Seite für diese Münzstätte.
Vielleicht noch eindrücklicher ist ihr YouTube-Kanal, auch wenn es noch keinen Film speziell über San Francisco gibt.
1936 erschien ein Artikel über die Sicherheit der neuen Münzstätte, und dass sie fortan jedem möglichen Zwischenfall gewachsen sei. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
In der MünzenWoche berichteten wir bereits über die Alte Münzstätte von San Francisco.