Die Münzstätten von San Francisco: Teil 1 Die Old Mint
Am 24. Januar 1848, so will es die Legende, fand der Zimmermann James W. Marshall auf dem Gelände von Johann August Sutter Gold und setzte damit den kalifornischen Goldrausch in Gang. Hunderttausende strömten damals ins Land und machten aus dem gerade annektierten Gebiet einen boomenden Wirtschaftsbereich, der am 9. September 1850 als einunddreißigster Staat in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen wurde. Bereits knappe zwei Jahre später, am 3. Juli 1852 beschloss die Bundesregierung, in San Francisco eine Münzstätte einzurichten, die nach New Orleans, Dahlonega in Georgia und Charlotte in North Carolina die vierte Zweigstelle der 1792 eingerichteten Münzstätte von Philadelphia sein würde.
50 Dollars oktogonal 1852. Ausgegeben vom United States Assay Office of Gold, San Francisco. Aus Auktion Künker 271 (2016), 667.
Doch bis die erste Münzstätte ihren Dienst aufnahm, dauerte es zwei Jahre. In der Zwischenzeit arbeitete der ehemalige Uhrmacher Augustus Humbert als offizieller Goldprüfer in San Francisco und ließ aus dem von ihm geprüften Gold halboffizielle Goldmünzen prägen, die von den offiziellen Stellen bei der Begleichung von Steuern und Zöllen gerne angenommen wurden.
1 Dollar 1856, San Francisco. Aus Auktion Künker 271 (2016), 652.
Am 3. April 1854 eröffnete die erste staatliche Münzstätte in San Francisco, von der kein einziges Foto überliefert ist – und das obwohl wir aus dieser Zeit zahlreiche Abbildungen besitzen. Sie lag damals am Rande des Finanzbezirks, an der Commercial Street, und zwar genau dort, wo vorher Augustus Humbert seine Münzbarren hergestellt hatte. Er wurde allerdings durch einen anderen Prüfer, den Ungarn August Haraszthy, abgelöst. Der verstand selbst zwar nicht allzu viel von der Goldverhüttung – er hatte zuvor als Sheriff, Bauunternehmer und Weinbauer gearbeitet –, verfügte aber immerhin über einige ungarische Partner, die das Handwerk gelernt hatten.
Agoston Haraszthy (1812-1869), erster Prüfer der kalifornischen Münzstätte und wegen eines Skandals Vater des kalifornischen Weinbaus.
1857 kam es zum Eklat: Man beschuldigte Haraszthy, Gold unterschlagen zu haben. Doch auch wenn er nach einem vierjährigen Prozess von jeglicher Schuld freigesprochen wurde, hatte Haraszthy genug von der Arbeit in der Münzstätte und verlegte sich wieder auf den Weinbau. Darin war er erfolgreicher. Immerhin wird er in Kalifornien als „Vater des kalifornischen Weinbaus“ verehrt.
Die eindrucksvolle Front der Granite Lady. Foto: UK.
Am 1. April 1873 erließ der Kongress ein Gesetz, das die Organisation der Münzstätten neu regelte. Waren bisher mit Ausnahme von der Zentrale in Philadelphia alle Münzstätten als Zweigstellen behandelt worden, wurden sie nun zu unabhängigen Prägeanstalten erhoben, die dem Mint Headquarters Office in Washington unterstellt waren.
Der Bau der alten Münzstätte. Foto: Library of Congress HABS CAL,38-SANFRA,5-1.
Zu diesem Zeitpunkt war die neue, die zweite staatliche Münzstätte von San Francisco schon fast fertig. Man hatte bereits 1869 mit dem Bau begonnen und größten Wert darauf gelegt, sie erdbebensicher zu gestalten. Das Fundament aus Zement ruhte auf einem Bett von Sand, damals die modernste Technik. Man hatte für den Bau keine Kosten gescheut. Der Sandstein wurde vom kanadischen Newcastle Island gebracht, der Granit, der der Münzstätte ihren Spitznamen „the Granite Lady“ verschaffen sollte, aus Nordkalifornien.
20 Dollars 1874, San Francisco. Aus Auktion Künker 117 (2006), 5743.
Neben Gold- und Silbermünzen produzierte San Francisco als erste Münzstätte neben Philadelphia auch Kleingeld aus unedlem Metall, so zum Beispiel die bronzenen Cent-Stücke ab 1908. Das Münzzeichen S für San Francisco, in Gebrauch seit 1854, wurde beibehalten.
Das Empfangsbüro für die Öffentlichkeit. Foto: Library of Congress HABS CAL,38-SANFRA,5-32.
Zahlreiche Fotographien existieren vom täglichen Betrieb in der Old Mint. Hier sehen wir zum Beispiel das Empfangsbüro für die Öffentlichkeit, wo rohes Edelmetall abgeliefert werden konnte, um es zu Dollars verprägen zu lassen.
Das ehemalige Empfangsbüro frisch restauriert. Foto: UK.
Heute sind die Räume frisch restauriert und man muss schon detektivischen Spürsinn walten lassen, um ihre einstige Funktion zu erahnen.
Vielleicht war hier einmal das Büro der Edelmetallprüfer. Foto: UK.
Hier sehen wir zwei Edelmetallprüfer bei der Arbeit. Man beachte die verschlossenen Fenster. Die dicke Polsterung war als Sicherheit gedacht, damit keine Kugel durch die Fenster dringen könnte.
Edelmetallprüfer an der Arbeit. National Archives and Records Administration 296547.
Vom Grundriss her könnte das Bild in diesem renovierten Raum entstanden sein.
Ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier einmal ein schweres Gewicht stand. Foto: UK.
Allerdings weisen schwere Verstärkungen auf dem Boden darauf hin, dass in diesen Räumen einst schwergewichtige Objekte standen.
Ein Blick in den Prägesaal. Foto: Library of Congress. HABS CAL,38-SANFRA,5-31.
Vielleicht wurden hier ja Münzen geprägt.
Eine Morgan & Orr Münzpresse. Foto: Wikipedia / David Shankbone.
Wahrscheinlich mit Münzpressen von Morgan & Orr wie diese hier, die 1873 für die damals ganz neue Münzprägeanstalt gebaut wurden.
Ein Blick in die Edelmetallverarbeitung. Foto: National Archives and Records Administration 296555.
Auf dem gleichen Stockwerk war die Schmelze und die Rondenfertigung untergebracht.
Der renovierte Raum. Foto: UK.
Vielleicht wurde das Bild in diesem Raum aufgenommen. Der Boden würde passen.
Ein weiterer der renovierten Räume. Foto: UK.
Hier wurde der ehemalige Boden durch helles Parkett ersetzt. Die einfacheren Leuchter – jedenfalls im Vergleich zu den Räumen, in denen im weißen Hemd gearbeitet wurde – sind allerdings auch auf den alten Bildern deutlich zu identifizieren.
Die Kamine der Schmelze. Foto: UK.
Die einstigen Kamine der Schmelze sind heute noch deutlich zu erkennen.
Ein Blick ins Untergeschoss, wo die Münzen und Barren gelagert wurden. Foto: UK.
Wenn man heute die Granite Lady besucht, glaubt man am ehesten, im Untergeschoß die einstige Atmosphäre zu spüren. Hier waren die Safes untergebracht, wo hinter dicken Eisentüren die Gold- und Silberbarren sowie die geprägten Münzen lagerten.
Die Mauern sind mehr als stabil. Foto: UK.
Wie dick die Mauern sind, demonstriert uns Devyn McNichol, die uns durch die Räume führte.
Der geschlossene Safe. Foto: UK.
Ein Safe kann nicht mehr geöffnet werden. Natürlich witzelt jeder, dass hier das ganze Gold versteckt sein soll.
Ein Blick wie es in so einem Raum um das Jahr 1935 herum ausgesehen haben könnte: Die Variante mit Barren. Foto: National Archives and Records Administration 296609.
Und in diesen Säcken liegt gemünztes Gold. Foto: National Archives and Records Administration 296610.
Wie es hinter der verschlossenen Tür aussehen könnte, zeigen zwei Aufnahmen aus dem Jahr 1935, als die Räume noch mit Gold und Silber vollgestopft waren.
San Francisco nach dem Erdbeben, ein Blick vom Dach der Münzstätte. National Archives and Records Administration 296588.
Am 18. April 1906 bebte die Erde in San Francisco. Bei einer Stärke von 8,4 auf der Richterskala brachen die stabilen Häuser wie Kartenhäuser zusammen. Ein gewaltiges Feuer folgte. Rund 3.000 Menschen sollen bei diesem Beben ums Leben gekommen sein.
Die Münzstätte nach dem Beben. National Archives and Records Administration 296587.
Die Münzstätte aber überlebte. Ihre stabile Bauweise kombiniert mit dem für Erdbeben entworfenen Fundament hatte den Einsturz verhindert. Gegen das Feuer kämpften die Angestellten der Münzstätte mit einem Wasserschlauch und Wasser aus einer Quelle, die sich direkt auf dem Gelände befand.
50 Dollar 1915, San Francisco. Gedenkmünze für die Panama Pacific International Exposition. Aus Auktion Sincona 5 (2012), 91.
Sie retteten die Münzstätte. Und die Prägung konnte weitergehen. Damit war die Granite Lady instrumental dafür, dass trotz der schweren Schäden das Wirtschaftsleben in San Francisco nicht zum erliegen kam.
Ein Zeichen dafür, dass San Francisco schon wenige Jahre nach der Katastrophe zu seiner früheren Bedeutung zurückgefunden hatte, war die große Panama Pacific International Exposition, für die in der San Francisco Mint die Gedenkmünzen im Wert von 50 Dollars geprägt wurden, bis zum Jahr 2010 die größten und schwersten Goldmünzen, die jemals von einer US Münzstätte hergestellt wurden.
Plan der Münzstätte. Quelle: NonPlusUltra.
1937 gab die Münzstätte nach 63 Jahren ihre Granite Lady auf und zog in den neuen Bau um, in dem heute noch die amerikanischen Münzen geprägt werden. Danach waren in der „Old Mint“ Büroräume untergebracht, bis die Münzstätte 1972 ihr Gebäude zurückkaufte, um dort ein Museum einzurichten, das bis 1994 in Betrieb war. 1997 verkaufte die Münzstätte den Bau ein zweites Mal.
Was jetzt mit der Granite Lady passieren soll, steht in den Sternen. Derzeit wird sie für Events vermietet, und wer zum Beispiel in den Räumen der Münzstätte heiraten will, kann sich an die Agentur NonPlusUltra wenden. Auf der Website sind sowohl der Plan des Gebäudes als auch zahlreiche stimmungsvolle Bilder der Räumlichkeiten zu sehen.
Wir berichten nächste Woche über die neue Münzstätte von San Francisco, zu der wir ebenfalls Zutritt erhalten haben.
Wir möchten uns herzlich bei Mary Lannin bedanken, die diesen Besuch organisiert und möglich gemacht hat. Außerdem gilt unser Dank Devyn McNichol von NonPlusUltra, die uns durch die Räume der alten Münzstätte geführt hat.
Eine unglaublich reiche Auswahl an Bildern aus der alten Münzstätte bietet die unerschöpfliche Wikipedia, ohne die unser Artikel wesentlich langweiliger geworden wäre.