Die große osmanische Münzreform
Am 12. Dezember 2011 versteigert das Osnabrücker Auktionshaus Künker die Sammlung Sultan – Münzen des osmanischen Reichs. Es handelt sich um das spektakuläre Ergebnis von 30 Jahren Sammeltätigkeit. 908 Lose spiegeln die Münzgeschichte der letzten sechs osmanischen Sultane. Und der zentrale Einschnitt dabei ist natürlich die große Münzreform des Jahres 1845.
Der kranke Mann am Bosporus
Es war der russische Zar Nikolaus I., der bei Verhandlungen mit den Vertretern der anderen europäischen Großmächte zum ersten Mal dieses Bild benutzte. Rußland sei wie ein kranker Mann, den man ja nicht fallen lassen dürfe. Denn der Fall des osmanischen Reiches würde unberechenbare Folgen für alle haben.
Yirmilik, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 vor der Münzenreform). Friedberg 13. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 4. Schätzung: 200 Euro.
Die orientalische Frage – ob man das Osmanische Reich beseitigen solle oder nicht – beherrschte die Medien der damaligen Zeit. Die Politiker blieben vorsichtig. England, Frankreich, Österreich und natürlich auch Rußland profitierten von der Machtlosigkeit des Sultans. Keines der Länder gönnte dem anderen einen großen Gebietszuwachs, den man auf Kosten des Osmanischen Reichs natürlich leicht hätte machen können.
Mahmud II. und Abdülmecid I.
Am 1. Juli 1839 übernahm Abdülmecid die Herrschaft. Schon sein Vater Mahmud II. hatte verstanden, daß nur eine umfassende Modernisierung seinem Haus die Herrschaft erhalten würde.
Ceyrek, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 vor der Münzenreform). Friedberg 15. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 9. Schätzung: 75 Euro.
Er hatte bereits eine Reihe von juristischen und militärischen Reformen umgesetzt – und seinen Sohn nach Frankreich geschickt, um dort eine moderne Bildung im westlichen Stil zu erwerben. Als Mahmud starb, waren viele Reformen so weit gediehen, daß sein Sohn sie „nur noch“ umsetzen mußte.
3 Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 vor der Münzenreform). KM 655. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 16. Schätzung 150 Euro.
So wurde Abdülmecid berühmt als Initiator der Tanzimat (= Verordnungen), einer Politik der Annäherung an die westliche Welt. Er reorganisierte das Heer, gab seinem Reich nationale Symbole, führte ein neues Zivil- und Strafgesetz ein, gründete eine Art Parlament und die ersten modernen Universitäten, reformierte das ungerechte Besteuerungssystem und arbeitete an einer effektiveren Verwaltung. Und natürlich kam es unter Abdülmecid auch zu einer umfassenden Finanzreform, die dem ständig sich inflationär verschlechternden Geld eine neue, stabile Währung entgegensetzen wollte.
Die Papiergeldreform
Noch unter Mahmud II. existierte im osmanischen Reich keine einheitliche Währung. Löhne, Preise und Steuern basierten auf einer alten Rechnungseinheit namens Aqce. Ausländische Münzen wie der Maria-Theresien-Taler beherrschten den Alltag, und Geldwechsler machten gute Geschäfte.
Das System war kompliziert, aber eingespielt, so daß es zunächst darum ging, die Bevölkerung an eine neue, einheitliche Währung zu gewöhnen. Dazu wurden Staatsschuldscheine (kaime) zu 500, später zu 1.000 Piaster in Umlauf gebracht, deren Attraktivität man erhöhte, indem sie jährlich mit 12,5 % verzinst wurden.
Über dieses Papiergeld sollten natürlich auch die notwendigen Mittel für die umfangreichen Reformen hereingebracht werden.
500 Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 nach der Münzenreform). Friedberg 16. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 24. Schätzung: 5.000 Euro.
250 Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 nach der Münzenreform). Friedberg 17. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 26. Schätzung: 3.000 Euro.
Die Münzreform
In Anlehnung an das französische Vorbild und die Lateinische Münzunion übernahm das Osmanische Reich ein bimetallisches System, also ein System, das auf einer festen Relation von Gold- und Silbermünzen basierte.
100 Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 nach der Münzenreform). Friedberg 18. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 30. Schätzung: 300 Euro.
Eingeführt wurde das 100 Kurush-Stück zu 100 Piaster, gerne auch als Livre turque bezeichnet. Es war theoretisch 7,216 g schwer, hatte einen Feingehalt von 916 2/3 / 1000 und enthielt damit 6,61 g Feingold. Sein Wert lag zwischen dem französischen 20-Franc-Stück und dem britischen Pfund.
20 Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845). KM 675. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 60. Schätzung: 100 Euro.
Kurush, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845 nach der Münzenreform). KM 671. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 85. Schätzung: 400 Euro.
Zweites Hauptnominal wurde der Medschidije in Silber mit einem Gewicht von 24,055 g und einem Feingehalt von 830 / 1000. Teilstücke wurden in Silber zu 10, 5, 2, 1 sowie 1/2 Piaster vollwertig ausgebracht.
40 Para, Konstantinopel, 1255 H. (= 1845). KM 670. Aus Auktion Künker 199 (12. Dezember 2011), Nr. 94. Schätzung: 400 Euro.
Die Kupfermünzen gab es zu 40, 20, 10 und 5 Para, wobei 40 Para einem Medschidije entsprachen.
Die neue osmanische Münzstätte beim Topkapi Palast in Istanbul. Foto: Gryffindor / Wikipedia.
Geprägt wurde von französischen und englischen Münztechnikern in einer neuen, mit Dampfkraft betriebenen und mit englischen Maschinen ausgestatteten Münzstätte, die unterhalb des Topkapipalastes errichtet wurde. Geblieben war der Hauptverantwortliche: Der Münzstättendirektor Düzoglu Agop Celebi stammte aus einer armenischen Münzmeisterfamilie, deren geschicktes Agieren die maroden osmanischen Staatsfinanzen zwei Generationen lang vor dem Zusammenbruch bewahrt hatte.
Ein großer Erfolg – und ein großes Problem
Die neue stabile Währung stellte eine große Erleichterung für den internationalen Handel dar. Vor allem die ausländischen Handelshäuser machten glänzende Geschäfte. Denn dem Osmanischen Reich waren nun Kredite auf dem internationalen Finanzmarkt viel leichter zugänglich. Und dies war nicht nur positiv. Zwar gedieh der Handel, doch gleichzeitig wuchsen die Schulden, so daß sich das Osmanische Reich immer mehr in die Hände seiner Gläubiger begab. 1881 mußte gar eine internationale Staatsschuldenverwaltung eingerichtet werden.
Und wer dabei an vergleichbare Erscheinungen der Gegenwart denkt, der kommt vielleicht auf die Idee, daß man aus der Geschichte doch lernen könnte – so man wollte.
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