Dichter und ihr Einkommen: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Wann genau Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen seinen abenteuerlichen Simplicissimus Teutsch geschrieben hat, wissen wir nicht. Jedenfalls erschien die Ankündigung zur Publikation des Buches im Katalog der Leipziger Herbstmesse von 1668: „Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch / das ist: Die Beschreibung eines seltzamen Vaganten, genannt Melchior Sternfels von Fuchshaim / überaus lustig / und männiglich (= sehr, Anm. d. Verf.) nützlich zu lesen. Am Tag gegeben (= publiziert) von German Schleiffheim von Sulfort.“
Das Frontispiz der Erstausgabe des Abenteuerlichen Simplicissimus von 1669.
Wir wissen weder, was das Buch kostete, noch wissen wir, was der Verleger des Simplicius Simplicissimus, Wolf Eberhard Felßecker aus Nürnberg, dem Autor für sein Manuskript zahlte. Aber eines können wir sagen: Felßecker war nicht gerade das, was man einen soliden Geschäftsmann nennt. Er druckte und vertrieb alles, womit sich schnell Geld verdienen ließ: Die so beliebten Kalender zum Beispiel, auf schlechtem Papier mit reißerischen Geschichten. Oder eine Art Zeitung, wöchentlich erscheinende Nachrichten, die sich nicht durch ihre Verlässlichkeit auszeichneten. Außerdem gab es immer wieder Ärger, weil Felßecker die erfolgreichen Bücher anderer Unternehmer nachdruckte (und billiger verkaufte). Und nun hatte er Druck und Vertrieb des Simplicissimus übernommen, dessen ansprechende Geschichte gute Geschäfte verhieß.
1976 erschien eine deutsche Gedenkmünze auf Grimmelshausen im Wert von 5 DM. Foto: Jobel / CC BY 3.0
Ob er Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen überhaupt für das Manuskript bezahlt hat? Das 17. Jahrhundert war eine Übergangszeit, in der ein fester Lohn andere Formen des Entgelts ablöste. Allerdings hatte sich das Honorar für Schriftsteller noch nicht durchgesetzt. Überhaupt das Wort „Honorar“! Darin versteckt sich das lateinische Wort „honos“ für die Ehre und das „honorarium“ hatte noch bis weit in die frühe Neuzeit hinein überhaupt nichts mit einer Bezahlung zu tun, sondern war ein Ehrengeschenk, das man einem anderen für dessen Leistung übereignete.
Natürlich konnte so ein Ehrengeschenk unter Geschäftspartnern auch schon vorher besprochen werden. Ein Verleger zum Beispiel mag deutlich gemacht haben, was er willens war, nach Ablieferung des Manuskripts dem Autor zu geben. Und dem Autor stand es selbstverständlich frei, sich bei mehreren Verlegern zu erkundigen, was für ein Ehrengeschenk sie ihm nach Ablieferung des Manuskripts zukommen lassen würden.
Mit einem wohligen Schauer lasen die Käufer des Simplicissimus eine Generation nach Ende des Kriegs von dessen schrecklichen Geschehnissen. Hier eine Plünderungsszene, gemalt von Jacques Callot im Jahre 1633.
Häufig wurde der Autor in Freiexemplaren bezahlt. 100 Stück waren die Regel, was normalerweise etwa 10 % der Auflage entsprach. Diese Bücher „verschenkte“ der Autor an Freunde, Gönner und Menschen, von denen er wusste, dass sie sich für sein Buch interessierten. Und er konnte damit rechnen, dass er für sein Geschenk ein Gegengeschenk erhalten würde, in Naturalien, in Privilegien, aber auch in Geld. Geschenk und Gegengeschenk verband wie ein Netz die frühneuzeitliche Gesellschaft. Jeder gab; ob mehr oder weniger – das hing vom sozialen Status ab: Wenn ein armer Autor sein Buch an einen hochmögenden Fürsten schickte, durfte er damit rechnen, dass die Gegengabe, die er dafür erhielt, den Wert des Buches um ein Vielfaches überstieg. Übergab er sein Buch dagegen einem anderen Autor, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass der ihm sozial Gleichgestellte, mit einem eigenen Buch antworten würde.
Allerdings schafften es besonders geschäftstüchtige Autoren mittlerweile, die zahlreichen, konkurrierenden Verleger zu größeren Zugeständnissen zu veranlassen. So beschwerten sich die Leipziger Buchhändler 1667 bei der sächsischen Regierung darüber, dass ihre Kosten immer höher würden. Die Autorenhonorare seien inzwischen so gestiegen, dass man einem Autor für einen Bogen (wohl mit 16 Seiten) einen Dukaten zahlen müsse. Entweder hatten die Buchhändler übertrieben (was man ja gerade in einem Brief an den Regierung gern zu tun pflegt), oder die Autorenhonorare fielen in den nächsten Jahren, jedenfalls schrieb Ahasver Fritsch in seinem Tractatus de typographis von 1675, dass man 12 bis 16 Groschen pro Bogen zahle, also einen halben bis zweidrittel Taler. 38,5 Bogen umfasste die Erstausgabe des Simplicissimus. Den Rest kann sich jeder selbst ausrechnen.
Ob Grimmelshausen wohl in Talern wie diesem bezahlt wurde? Eher nicht, solche Prachtstücke waren für repräsentative Zahlungen reserviert oder wenn eine Ehrengabe zu geben war. – Nürnberger Rathaustaler o. J. (1668). Aus Auktion Künker 201 (2012), 647.
Das große Geschäft mit dem erfolgreichen Buch wird sicher nicht der Autor, sondern der Verleger gemacht haben. Er bot seine Erzeugnisse in Leipzig und Frankfurt am Main an, wo zweimal im Jahr, zu Ostern und im Herbst, eine Woche lang die großen Buchmessen stattfanden. Besucht wurden sie nicht von den Autoren oder gar den Lesern, sondern hauptsächlich von Verlegern und den Agenten der verschiedenen Handelshäuser. Den Lesern wurde in Katalogen rechtzeitig mitgeteilt, mit welchen neuen Büchern zu rechnen sei. Und die Kunden – natürlich hauptsächlich aus den besseren Kreisen, schließlich hätte ein durchschnittlicher Handwerker für ein Buch wie den Simplicissimus etwas mehr als eine Woche arbeiten müssen – gaben einem Handelshaus den Auftrag, bestimmte Bücher zu kaufen. Das Handelshaus vermittelte den Auftrag an Agenten vor Ort, und so erreichten die Bestseller der damaligen Zeit ihre Leser gut verpackt in kleinen Fässchen auf dem Eselsrücken.
Selbst wenn Grimmelshausen für sein ursprüngliches Manuskript ein Honorar bezogen hätte, mit einer Erfolgsbeteiligung konnte er nicht rechnen. Was vielleicht erklärt, warum er mit seinem Verleger nicht mehr zufrieden war. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ein Straßburger Verleger plötzlich begann, den Simplicissimus zu drucken. Felßecker versuchte zu intervenieren, stellte aber alle gerichtlichen Anträge ganz plötzlich ein. Wahrscheinlich hatte ihn der Autor selbst über sein Vorgehen aufgeklärt.
Eines jedenfalls muss man festhalten: Selbst ein Bestseller wie der Simplicissimus reichte im 17. Jahrhundert nicht, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Grimmelshausen verdiente sich sein Geld als Beamter und Gastwirt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buchs diente er, beauftragt vom Straßburger Bischof, als Schultheiß von Renchen, einer kleinen Stadt in der Nähe von Straßburg, wo er für das Eintreiben der Steuern und die niedere Gerichtsbarkeit zuständig war. Dass er nebenbei das wichtigste Prosawerk des Barock in deutscher Sprache geschrieben hat, würde unser heutiges Finanzamt als nicht steuerpflichtiges Einkommen aus Nebentätigkeit beschreiben.
Wollen Sie wissen, ob es Shakespeare besser ging? Dann lesen Sie „Dichter und ihr Einkommen: William Shakespeare“!