Der Orden vom Goldenen Vlies
Auf unzähligen Münzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sieht man das, was in vielen Katalogen kurz als „Vlieskette“ bezeichnet wird, den Orden vom hl. Vlies. Dieser Orden wurde am 10. Januar 1430 von Philipp dem Guten von Burgund anläßlich seiner Vermählung mit Prinzessin Isabella von Portugal gegründet.
Orden vom Goldenen Vlies. Foto: Peter Gerstbach / Wikipedia.
Dies hatte damals zweifellos politische Brisanz, denn Philipp der Gute, Herzog von Burgund, gab damit seinen Frontwechsel bekannt. Die Ordensgründung fiel nämlich in die Zeit des 100jährigen Krieges zwischen England und Frankreich, bei dem Burgund häufig das Zünglein an der Waage spielte. Seit 1415 stand Burgund auf der Seite der siegreichen Engländer. In diesem Jahr hatten sie nach der Schlacht von Azincourt praktisch die gesamte Normandie und die französische Hauptstadt besetzt. Doch um 1430 schien sich das Blatt gewendet zu haben: Unter der Führung einer Jungfrau hatte das französische Heer im Vorjahr die Stadt Orléans entsetzt und Karl VII. war kurz darauf in Reims zum König von Frankreich gesalbt worden. Dies waren Ereignisse, die Philipp den Guten veranlaßten, seine enge Partnerschaft mit dem englischen König zu überdenken. Ganz verderben konnte man es sich allerdings momentan auch noch nicht mit ihm. Und so war Philipp ziemlich in der Bredouille, als Heinrich VI. von England ihn anläßlich seiner Hochzeit 1430 zu einem Mitglied des Hosenbandordens berufen wollte. Schließlich waren die Mitglieder dieses Ritterbündnisses zu ewiger Treue gegenüber ihrem Großmeister verpflichtet. Guter Rat mußte also her, und so gründete Philipp der Gute sofort seinen eigenen Ritterorden, dessen Mitgliedern es – selbstverständlich – verboten war, einem anderen Orden als dem vom hl. Vlies anzugehören.
Philipp der Gute, Gemälde von Rogier van der Weyden um 1450. Quelle: Wikipedia.
Am 30. November 1431, am Fest des hl. Andreas, des Schutzpatrons der burgundischen Herzöge, lud Philipp zur ersten feierlichen Versammlung des Ordenskapitels, bei dem die Satzung des neuen Ritterordens bekannt gegeben werden sollte.
Die Mitgliedschaft wurde bei der Gründung auf 30 Ritter unter einem Großmeister beschränkt – später wurde diese Zahl wesentlich erhöht. Bei ihnen sollte es sich um „Edelleute von Namen und Wappen“ handeln. Sie mußten dem Herzog von Burgund, dem Großmeister des Ritterordens, „wahrhaft zugetan“ sein – schließlich sollte die Mitgliedschaft wichtige Adlige an den burgundischen Hof binden. Offizielles Hauptziel des Ordens war und ist – es gibt diesen Orden heute noch – die Förderung und Verteidigung des christlichen Glaubens (auch wenn heute nicht nur Christen dem Orden angehören). Deshalb nahmen Kirchgang und Messe eine zentrale Rolle im Ordensritual ein.
Gedacht war der Orden als ein unzertrennliches Band zwischen gleichberechtigten Mitgliedern, die sich gegenseitig ohne Rangunterschiede brüderlich verhalten sollten. Die Ordensritter waren von allen Abgaben freigestellt und unterlagen ausschließlich der Gerichtsbarkeit des eigenen Ordens. Sie hatten bei allen Feierlichkeiten Vortritt, solange kein gekröntes Haupt anwesend war.
Jason bringt Pelias das Goldene Vlies. Louvre, Kalyxkrater 340-330 v. Chr. Quelle: Wikipedia.
Als Symbol des Ordens wurde das Goldene Vlies gewählt, was allerdings ein ziemlicher Mißgriff war. Dem von der Antike begeisterten Herzog schwebte wohl der Gedanke an eine ritterliche Gemeinschaft vor, die ausgezogen war, um Abenteuer zu erleben – wie dies eben Jason mit seinen Gefährten tat. Die in den antiken Sagen mindestens genauso bewanderten Ritter erhoben gleich in der ersten Versammlung dagegen Einspruch – ein Raubzug, um ein Goldenes Vlies zu erobern, eine Zauberin, dank der die Eroberung erst gelang, dies war im frommen 15. Jahrhundert doch ein bißchen zu heidnisch für einen Ritterorden, der sich ausdrücklich dem Schutz der Religion verschrieben hatte. Aber den Namen gab es schon mal, also wurde er neu interpretiert. Man berief sich stattdessen auf das Alte Testament und die Geschichte von Gideon. Der hatte von Gott ein Zeichen erbeten, um sich zu überzeugen, daß er auserwählt sei, Israel vor seinen Feinden zu retten. Und Gott hatte ein Widderfell mit Tau bedeckt, während der umliegende Boden trocken geblieben war. Diese Geschichte wurde gern als Parallele zur unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter interpretiert. Ein Vlies kam auch darin vor, und damit war die fromme Legende geeignet als Erklärung für das Ordenssymbol eines christlichen Ritterordens.
Karl V. Silbergußmedaille nach H. Reinhart. Brustbild mit Orden vom Goldenen Vlies. Rv. Doppeladler mit Wappenschild. Aus Auktion Künker 189 (2011), 1570.
Herzog Philipp der Gute hatte bei seinem Regierungsantritt 1419 als Wahlspruch folgende Devise gewählt: „Ante ferit quam flamme micet“ (= Zuvor der Schlag, dann glänzt die Flamme). Als Illustration führte er Feuerstein und Feuereisen ein. Diese Elemente finden sich in der Kollane. Die Feuersteine erscheinen als emaillierte Halbkugeln, bei denen auf schwarzem Grund weiße Flammen züngeln, die Feuerböcke sind zu Kettengliedern geworden, wobei jedes Mitglied des Ordens durch einen Feuerbock, der Großmeister durch zwei symbolisiert ist. Der Sinn, der hinter dieser Kette stehen soll ist folgender: Wie eine Kette nur dann hält, wenn jedes einzelne Glied hält, so soll auch der Orden durch jedes seiner Mitglieder an Zusammenhalt gewinnen.
Maximilian I. Schauguldiner 1509, geprägt 1517 in Antwerpen auf die Annahme des Kaisertitels. Der geharnischte Kaiser n. r. reitend. Rv. Gekröntes Wappen, umgeben von anderen Wappen, um das innere Wappen Ordenskette vom Goldenen Vlies. Aus Auktion Künmker 188 (2011), 577.
Durch die Heirat Maximilians I. mit der burgundischen Erbin ging die Großmeisterschaft über den Orden auf die Habsburger über. Nach dem Aussterben der spanischen Linie dieses Geschlechts fühlten sich zwei Herrscherhäuser zum Erben berufen: Die österreichischen Habsburger und die spanische Linie der Bourbonen. Noch heute üben die Nachkommen dieser beiden Dynastien das Großmeisteramt über die beiden mittlerweile getrennten Orden aus. Den Vorsitz über den österreichischen Orden vom Goldenen Vlies führt Karl II., der 16. Vorstand des Hauses Habsburg-Lothringen. Dem spanischen Zweig präsidiert seit 1938 Juan Carlos I., König der Spanier. Er hat den Orden zu einer wahrlich königlichen Gemeinschaft gemacht. Ihr gehör(t)en unter anderem an (die Namensnennung erfolgt nach dem Jahr des Eintritts) Konstantin, König von Griechenland, Karl Gustav, König von Schweden, Jean, Großherzog von Luxemburg, Akihito, Kaiser von Japan, Hussein, König von Jordanien, Beatrix, Königin der Niederlande, Margrete, Königin von Dänemark, Elisabeth, Königin der Vereinigten Königreiche, Albert II., König der Belgier und Harald V. von Norwegen.