Das Zeitalter der Alchemie
Glauben Sie nicht, dass nur unverbesserliche Dummköpfe an die Wunder der Alchemie glaubten! Im Gegenteil. Die klügsten Männer der frühen Neuzeit beschäftigten sich mit der Königin der Wissenschaften, der Lehre vom Trennen und vom Verbinden, vom Reinigen und vom Mischen, vom Stein der Weisen und dem Elixier des ewigen Lebens.
Silbermedaille o. J. (um 1700), Stempel geschnitten von Philipp Heinrich Müller, aus der Medaillen-Verlagsanstalt von Friedrich Kleinert. Luna-Diana über dem auf einem brennenden Scheiterhaufen liegenden Merkur. Rv. Der geflügelte Saturn fesselt mit einer Weinrebe den entfliehenden Merkur, zwischen ihnen der auf einem Adler sitzende Iupiter mit Fackel. Aus Auktion Künker 282 (28. September 2016), Nr. 4792.
Als diese Medaille entstand, gehörten viele Theorien und Denkmodelle der Alchemie bereits zum geistigen Allgemeingut einer gebildeten Oberschicht. Man wusste, dass die Sonne mit Gold verbunden war, der Mond mit Silber, Mars mit Eisen und der bewegliche Merkur mit dem sich ständig verändernden Quecksilber. Iupiter stand für Zinn, Venus für Kupfer und Saturn für Blei. Der Erde war kein Metall zugeordnet, da man sie (noch) für das Zentrum der Welt hielt und nicht für einen Planeten.
Es war eine komplizierte Wissenschaft, der sich schon im Mittelalter die bedeutendsten Gelehrten ihrer Zeit gewidmet hatten: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Roger Bacon. Sie faszinierte die Möglichkeit, die Welt mittels wissenschaftlicher Methoden zu ergründen und zu beschreiben. Doch die Kunst verlangte hohen Einsatz und viel Geld, so suchten zahlreiche Alchimisten einen Förderer, der ihre Untersuchungen finanzierte.
Der Alchimist auf der Suche nach dem Stein der Weisen, Ölgemälde von Joseph Wright of Derby, 1771.
Zu ihnen gehörten die bedeutendsten Herrscher ihrer Zeit. Kaiser Rudolf II. ist heute noch für sein Interesse berühmt oder sagen wir lieber berüchtigt. Zu Unrecht. Denn auch die führenden Köpfe unter den deutschen Fürsten beschäftigten Alchemisten an ihrem Hof. Nennen wir stellvertretend nur Julius, Herzog von Braunschweig und Lüneburg (1568-1589), August von Sachsen (1553-1586), den Fürstbischof von Würzburg, Julius Echter von Mespelbrunn (1573-1617) und Moritz „den Gelehrten“ von Hessen-Kassel (1592-1627). Der wohl bekannteste Alchemist dürfte der große Isaac Newton (1642-1726/7) gewesen sein, der wesentlich mehr Seiten mit alchemistischen Theorien beschrieb als er sie zum Thema Optik oder Physik füllte.
Auch so mancher Bürger verfiel der geheimen Kunst, unter ihnen ein Mann, den wir eigentlich aus einem ganz anderen Zusammenhang kennen. Friedrich Kleinert (*1633 in Bartenstein / Ostpreußen) hatte das Handwerk eines Drechslers gelernt, ehe er 1664 nach Nürnberg kam. Dort erhielt er das Bürgerrecht und die Erlaubnis, sich als Meister niederzulassen. Um 1680 kaufte er eine französische Spindelpresse, mit der er wunderschöne Medaillen produzierte. Das Besondere daran war, dass diese sogar eine Randinschrift besaßen, damals keine Selbstverständlichkeit. Am 26. November 1686 erteilte ihm der Nürnberger Rat offiziell die Erlaubnis, „seine Stempel in Augsburg machen zu lassen, damit die hiesigen Stempelschneider, welche von denen daselbst übertroffen werden, etwa dadurch zu mehreren Fleiß angehalten werden möchten.“
Derjenige, der so schöne Stempel lieferte, war der Augsburger Graveur Philipp Heinrich Müller (+1719). Und er wird seinem Auftraggeber irgendwann den Wunsch nach einer alchimistischen Medaille erfüllt haben. Dies dürfte kein auf Gewinn angelegtes Unternehmen gewesen sein, sondern ein Herzensanliegen. Kleinert beschäftigte sich nämlich mit der Kunst, Gold zu machen. Er investierte sein ganzes Vermögen in diesen Traum, und im Jahr 1692 war er bereits so verarmt, dass er sein stattliches Wohnhaus in der Innere Laufer Gasse 28 für 4200 Gulden verkaufen musste. Seine Prägewerkstatt ging 1710 in den Besitz von Caspar Gottlieb Lauffer 1674-1745) über.
Zeugnis seiner Leidenschaft ist eine Medaille, die in der Auktion 282 von Künker versteigert wird. Sie beschäftigt sich mit der Verwandlung von einem Metall in das andere. NON FVI, QVOD ERAM; NVNC SVM, DVM MORIOR (= ich bin nicht gewesen, was ich war, nun bin ich es, indem ich sterbe). So spricht Luna als Göttin des Mondes Symbol des Elements Silber, das durch Hitze aus dem Quecksilber, für das der Gott Mercur auf dem Scheiterhaufen steht, gewonnen werden soll.
Auf der Rückseite geht es um die Kombination von Blei (Saturn), Zinn (Iupiter) und Quecksilber (Mercurius). Saturn fesselt mit einer Rebe den entfliegenden Mercur, den Iupiter mit seinem Feuer erwärmt. Und die Alchemie wäre keine Geheimwissenschaft, wenn nicht jeder Nicht-Eingeweihte über die Bedeutung von Darstellung und Legende – So fesseln mich, da ich vor den Künsten floh, die durch Blut Verbundenen. – ins Rätseln geraten würde.
Damit ist diese Medaille nicht nur ein Zeugnis für ein Denken, das letztlich zu einer der wichtigsten modernen Wissenschaften geführt hat, der Chemie. Sie ist darüber hinaus ein Hinweis auf eine menschliche Schwäche eines Meisters seines Handwerks, der sich aus Begeisterung für die Alchemie ruiniert hat, und diese seltene Medaille als Zeugnis seiner Begeisterung hinterließ.
Zur Künker Herbst-Auktion 282 kommen Sie hier.
Und den MünzenWoche-Vorbericht zu dieser Auktion lesen Sie hier.