Das Purimfest der Protestanten
Purimtaler: „Sammlerbezeichnung für einen Erfurter Taler von 1632 aus der Zeit der schwedischen Besatzung, der aus Anlass eines so genannten Purimfestes zur Feier des „befestigten evangelischen Glaubens“ am 7. September 1632 ausgegeben wurde. Den Namen erhielt der Taler nach dem Beginn der Rückseitenumschrift DIES PVRIM (lat. Purimtag).“ So erklärt Helmut Kahnts Großes Münzlexikon von 2005 auf S. 369 den Begriff. Dabei bleibt einiges offen, so zum Beispiel warum die Stadt Erfurt im Jahr 1632 ein jüdisches Fest feierte.
Zeitgenössische Darstellung der Schlacht von Breitenfeld.
Die historische Situation
Erfurt hatte ein Problem. Die Stadtregierung hatte bereits 1577 die Konkordienformel unterzeichnet und damit ihre Hinwendung zum protestantischen Glauben bekundet. Doch Erfurt war keine freie Reichsstadt. Es unterstand einem Landesherrn, und zwar ausgerechnet dem katholischen Erzbischof von Mainz. Keine angenehme Lage. Zwar gelang es beiden Parteien einen Kompromiss auszuhandeln – die Erfurter Bürger erhielten die freie Wahl des Glaubens, dafür verzichtete die Stadt darauf, den Status als freie Reichsstadt anzustreben, aber der Kompromiss war labil. Erfurt war nicht Feind, nicht Freund, was die Bürger schon allein daran merkten, dass zu Beginn des 30jährigen Krieges die kaiserlichen Soldaten ihre Stadt immer wieder ausplünderten, obwohl der Erfurter Rat doch für viel Geld beim Kaiser Schutzbriefe gekauft hatte.
Und dann siegte der schwedische König Gustav Adolf im Jahr 1631 bei Breitenfeld und alles war gut. Am 2. Oktober zog er in Erfurt ein. Am 4. Oktober schwor der Erfurter Rat ihm den Huldigungseid. Die Stadt hatte einen neuen Herren, diesmal einen protestantischen.
Links der Dom, rechts die Serverikirche, heute wird in beiden Kirchen wieder der Gottesdienst nach katholischem Ritus gefeiert. Foto: KW.
Die Protestanten annektieren den Dom
Bei seinem Einzug hatte Gustav Adolf den Katholiken seinen Schutz zugesagt. Dies war nicht im Sinne der Protestanten, die deshalb darauf verzichten mussten, in der größten Kirche der Stadt ihren Gottesdienst abzuhalten. Deshalb plante der Rat einen Coup, gegen den Gustav Adolf nicht einschreiten würde. Der Rat erließ am 30. August 1632 die „Christliche Anordnung“, am 6. September in allen protestantischen Kirchen Erfurts – und auch im katholischen Dom – den Sieg Gustav Adolfs bei Breitenfeld zu feiern. Dieses Fest sollte von da an jährlich wiederholt werden.
Dem Domkapitel wurde lapidar mitgeteilt, dass man in Zukunft im Dom den Gottesdienst nach protestantischem Muster zu feiern gedächte. Schließlich habe man das schon früher getan, (unerwähnt blieb, dass dies während der Bauernkriege von 1525 geschehen war.)
Natürlich beschwerten sich die Domherren beim schwedischen Residenten. Doch der wollte nicht einschreiten: Er wolle das Domkapitel natürlich nicht zwingen, aber es wäre schon besser, wenn man sich mit dem Rat friedlich einigen könne.
Natürlich gelang dies nicht. Am Morgen des 7. September 1632 brachen Vertreter des Rats die Türen des Doms auf. Tausende von Protestanten strömten in die Kirche, um „ihren“ Gottesdienst zu feiern.
Wie die Annexion des Doms zum Purimfest wurde
Der streitbare Pfarrer Valentin Wallenberger hielt die Festpredigt. Darin verglich er die Gedächtnisfeier der Schlacht von Breitenfeld mit dem jüdischen Purimfest. Die Jüdin Esther habe die Juden genauso vor der Vernichtung durch die Perser bewahrt, wie Gustav Adolf die Protestanten mit der Schlacht von Breitenfeld vor der Vernichtung durch die Katholiken gerettet habe.
Nach dem Gottesdienst feierte man das „Wiederauferstehungsfest“ der katholischen Universität im protestantischen Geist. Natürlich kam es auch zu Gewalt – gegen Katholiken und ihren Besitz, aber Vertreter des Rats schritten ein und begrenzten den Schaden.
Es ging also nie um ein jüdisches Fest in Erfurt, sondern darum, dass die Protestanten sich die wichtigsten Gebäude ihrer Stadt von den Katholiken zurückeroberten. Die Nachricht darüber verbreitete sich unter allen anderen protestantischen Städten, genauso wie ein Druck der Predigt von Valentin Wallenberger.
Erfurt. Reichstaler 1632, Purimtaler. Aus Auktion Künker 286 (2017), Nr. 1225. Schätzung: 1.000 Euro.
Die Purimtaler
Als Andenken an das Geschehen wurden die Purimtaler ausgegeben. Sie tragen auf der Vorderseite die lateinische Aufschrift „Deine Rechte, Herr, hat den Feind zerschmettert“, ein Zitat aus dem Buch Exodus 15,6, das sich genauso gut auf die Erfurter Katholiken wie auf die Feinde anwenden lässt, die Gustav Adolf in der Schlacht zu Breitenfeld vernichtet hatte.
Auf der Rückseite ist zu lesen. „Purimtag der Evangelischen im Jahr 1632 am 7. September zu Erfurt gefeiert. / Gotte, dem dreimal Besten und Größten, sei Ehre und Lob, der Gustav Adolf, dem König der Schweden, Goten und Wenden, gegen das kaiserliche und Liga-Heer den Sieg gewährte bei Leipzig am 7. September 1631.“
Die Purimtaler nur als Gedächtnisprägung an die Schlacht von Breitenfeld zu bezeichnen, greift also zu kurz. Sie wurden auf jeden Fall nach den Ereignissen von Erfurt, also nach dem 7. September 1631, geprägt und greifen das Thema der Predigt Valentin Wallenbergers auf. Damit erinnerten sie die Protestanten in der schlimmen Zeit, die auf den Tod Gustav Adolfs folgte, daran, dass der Herr einst einen Helden zu ihrer Befreiung geschickt hatte und ihn jederzeit wieder schicken würde können.
Einen Auktionsvorbericht lesen Sie in der MünzenWoche.