Bilder aus einer Prägewerkstätte des 16. Jahrhundert
Die Wappenscheibe des Werner Zentgraf, Münzmeister zu Schaffhausen
Im Jahr 1565 gab der Schaffhauser Münzmeister Werner Zentgraf eine Wappenscheibe in Auftrag, die auch heute noch in eindrücklicher Art und Weise über die Herstellung von Münzen Auskunft gibt. Sie zu betrachten, ist fast als würde man selbst einer Münzstätte des 16. Jahrhunderts einen Besuch abstatten.
Glasgemälde aus der Schaffhauser Münze mit Darstellung der Arbeitsgänge in einer Münzwerkstätte. Angefertigt im Jahr 1565, heute im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, ausgestellt im Bode-Museum, Raum 241.
Der Auftraggeber, Werner Zentgraf, ist uns aus den Archiven gut bekannt. Eine erste Erwähnung als Münzmeister von Schaffhausen stammt aus dem Jahr 1550. Wobei dem Mann das Handwerk damals sicher nicht neu war. Schon sein Vater war Münzmeister gewesen, wenn auch nicht in Schaffhausen, so doch im benachbarten Konstanz. Werner Zentgraf lernte als Sohn des früheren Konstanzer Münzmeisters, Jakob Zentgraf, sein Handwerk von der Pike auf. Mit seiner Ankunft in Schaffhausen fällt eine Epoche der reichen Talerprägung zusammen, die aber nicht von ihm initiiert wurde, sondern von Benedikt Stokar (1516-1579), der in Bern, Solothurn und eben auch Schaffhausen die Münze gepachtet hatte.
Schaffhausen. Reichstaler 1551. Wiel. 683. Aus Auktion Münzen und Medaillen AG, Basel 91 (2001), 977.
Dieser Münzverleger war äußerst umstritten, da er für sich einen guten Gewinn daraus zog, vollwertiges Geld in minderwertiges umzuprägen. Nachdem Stokar sich auf Verlangen der öffentlichen Meinung um 1560 aus dem Geschäft mit den Münzen zurückziehen mußte, übernahm kurzzeitig Zentgraf sein Amt und arbeitete in Personalunion als Münzmeister und Münzpächter, aber auch seine Münzen wurden als zu leicht befunden, so daß man sich in Schaffhausen ernsthaft überlegte, ob man Jakob Stampfer aus dem benachbarten Zürich mit der Schaffhauser Prägung betrauen sollte. Doch es kam zu keiner Einigung mit dem berühmten Stampfer, Zentgraf blieb, doch die Münzprägung gingen in den nächsten Jahren deutlich zurück: Am 8. Januar 1563 noch hatte man dem Zentgraf das Versprechen abgenommen, nur geläutertes Brand- und Barrensilber zu vermünzen, aber das Rohmaterial war nun schwer zu bekommen, da Kaiser Ferdinand die Eidgenossen dazu zwingen wollte, die Münzordnung des Reiches auch für ihre Gepräge zu übernehmen.
Thann. Reichstaler 1556. Dav. 9910. Aus Auktion Münzen und Medaillen AG, Basel 91 (2001), 704.
Ferdinand gründete eine neue, eigene Münzstätte in Thann, die nun bevorzugt mit Silber beliefert wurde. In Schaffhausen ging also die Prägung zurück, aber Zentgraf litt finanziell unter dieser Einschränkung nicht sonderlich. Mit einem Empfehlungsschreiben des Schaffhauser Rates bewarb er sich um die Münzmeisterstelle in Thann, nach 1564 arbeitete er für Colmar, für Breisach und Freiburg. Und dies alles natürlich gleichzeitig, ohne sein Münzmeisteramt in Schaffhausen aufzugeben. Das Geschäft lief also gut. Kein Wunder, daß der erfolgreiche Münzmeister in der Lage war, ein teueres Glasbild in Auftrag zu geben, mit dem er das Handwerk, das ihn und die seinen ernährte, verherrlichte.
Wir können viele einzelne Schritte, die nötig waren, um Münzen herzustellen, auf dem Glasgemälde identifizieren, allerdings ist die Reihenfolge nicht, wie wir es von den heutigen Comics gewöhnt sind, von links oben nach rechts unten, sondern die Szenen wurden ihrer Wichtigkeit nach angeordnet. Links unten beginnt der Prozeß der Münzherstellung mit dem Schmelzen des Materials. Das mußte in den meisten Münzstätten von zwei verantwortlichen Vertrauensmännern überwacht werden. Aus der Verordnung, die im Jahr 1567 für Mühlau in Tirol erlassen wurde, wissen wir, daß der Münzmeister und derjenige, der das Amt des Probierers und Kassiers in Personalunion ausübte, beide bei der Herstellung der Legierung anwesend sein mußten. Die beiden verfügten auch über je einen Schlüssel zum Silbergewölbe, in dem während der Nacht das geprägte Geld aufbewahrt wurde. In ihrer Verantwortung lag es also, wenn die Münzen nicht den nötigen Silbergehalt aufwiesen, was man dem Werner Zentgraf ja immer wieder vorgeworfen hatte.
Das Schmelzen des Materials.
Der Vorgang des Schmelzens begann um 1 oder 2 Uhr morgens, wenn der Ofen angeheizt wurde. Durch die Zufuhr von Sauerstoff erzielte man die Temperatur, die nötig war, um den Schmelzpunkt des Metalls zu erreichen. Es dauerte ungefähr 4 bis 5 Stunden, bis der Ofen heiß genug war, um das Silber zu schmelzen. Dies geschah in einem großen Tiegel, den der Tiegelwärter überwachte. Das heiße Metall wurde in kalte Formen gegossen und erhielt darin die Gestalt einer Stange. Wir sehen hier auf der Münzscheibe den Vorgang, bei dem ein Münzknecht das flüssige Metall mit einer Kelle in eine längliche Form gießt, die ein vornehm gekleideter Patrizier, vielleicht Zentgraf selbst, in seinen Händen hält.
Das Aushämmern des Zains – zwei Münzknechte hämmern Zain fein aus.
Nun mußte die Stange ausgehämmert werden, damit daraus der gleichmäßige Zain werden konnte, aus dem die Schrötlinge gefertigt wurden. Zunächst wurde sie grob, dann fein ausgehämmert. Übrigens war diese Technik schon bei ihrer Darstellung in manchen Münzstätten veraltet. In Hall / Tirol wurde ab 1523/4 die Streckbank eingeführt, eine Maschine, die von Wasserkraft betrieben mit Hilfe zweier Walzen die rohen Metallstreifen auf einen gleichmäßigen Durchmesser brachte. Dafür waren bis zu sieben Arbeitsgänge nötig, während derer der Zain immer wieder abwechselnd geglüht und gewalzt wurde.
Die Schrötlinge werden Stück für Stück gewogen, die zu schweren werden mit der Benehmschere verkleinert, die zu leichten sollten eigentlich an dieser Stelle aus dem Verkehr gezogen werden, um wieder eingeschmolzen zu werden.
Nachdem ein gleichmäßiger Zain hergestellt worden war, konnte man die Schrötlinge mit einem Locheisen ausstanzen, ein Vorgang, der auf unserem Glasgemälde nicht abgebildet ist; dem Münzmeister war ein anderer Arbeitsschritt viel wichtiger, für den er selbst die Verantwortung trug: Das Überprüfen der Rohlinge. Im Hintergrund sehen wir die Münzwaage, mittels derer jeder einzelne Schrötling auf sein Gewicht hin geprüft wurde. War er zu schwer, so knipste der Münzmeister mit der Benehmschere ein Stück davon ab. Wie wichtig diese Aufgabe war, sehen wir schon daran, daß der arbeitende Mann, den wir wohl mit Werner Zentgraf identifizieren dürfen, auf einem dicken Kissen in einer vornehmen Tracht bei der Arbeit sitzt.
Das Quetschen der Schrötlinge: Mit einem Hammer schlägt ein Münzknecht die Schrötlinge glatt, um sie optimal für die Prägung vorzubereiten.
Der darunter abgebildete Mann bereitet die Schrötlinge für die Prägung vor, indem er sie mit einem Hammer glättet. Durch das Ausstanzen und das Beschneiden mochten sie nämlich scharfe Ränder und eine unebene Oberfläche aufweisen, die durch diesen Vorgang beseitigt wurde.
Die Ränder der Münzrohlinge werden geglättet.
Danach wurde mit einem Holzschlegel der Rand der in eine Klammer eingespannten Münzrohlinge geglättet.
Der eigentliche Prägevorgang.
Erst danach konnte geprägt werden. Wir sehen einen Münzknecht, der auf einen überlangen Oberstempel mit seinem Hammer schlägt, während der Unterstempel unsichtbar in den Amboß eingelassen ist. Links davon entdecken wir ein Zählbrett, in das die fertigen Münzen gelegt wurden.
Der Lehrling der Münzstätte glüht die Schrötlinge aus, bevor sie in eine Mischung aus Wasser, Kochsalz und Weingeist geworfen werden.
Ein wichtiger Vorgang, um optisch attraktive Münzen zu erhalten, war der Weißsiedevorgang. Dabei wurde ein Gemisch aus Wasser, Kochsalz und Weinstein angefertigt, das eine halbe Stunde kochen mußte. Auch die Schrötlinge wurden erhitzt. Wir sehen hier den Münzlehrling in seiner typischen Tracht, die ein unvoreingenommener Betrachter wohl eher mit einem mittelalterlichen Narren in Verbindung bringen würde. Tatsächlich haben sich aber ähnliche Gewänder von Münzlehrlingen bis heute erhalten (im historischen Museum von Hannover zum Beispiel ist so eine Kleidung im Original zu besichtigen), so daß wir sicher sagen können, daß der Glasmaler seiner Phantasie bei der merkwürdigen Bekleidung nicht freien Lauf ließ. Die dichten Schichten von Stoff mögen den Münzlehrling, der hier die Schrötlinge ausglüht, vor der Hitze geschützt haben, der er in der Münzstätte oft ausgesetzt gewesen sein mag.
Die vom Münzlehrling erhitzten Schrötlinge wurden in die vorbereitete, kochende Flüssigkeit geworfen und drei Minuten unter ständigem Aufrühren gekocht. Danach nahm man sie heraus und gab sie in ein sogenanntes Rollfaß, in dem sie eine Viertelstunde gedreht und mit kaltem Wasser gereinigt wurden. Anschließend trocknete man die Stücke über glühenden Kohlen, um einen Gelbstich zu vermeiden.
Übrigens, der Auftraggeber der Wappenscheibe, Werner Zentgraf, starb in Armut, seiner langjährigen Heimat verwiesen. Der Niedergang nahm seinen Anfang mit der zweiten Heirat des betagten Werner Zentgrafs im Jahr 1584 mit der jungen und hübschen Barbara Wissler, der man nicht nur nachsagte, daß sie unbefugterweise in der Münzstätte ein- und ausging, sondern auch daß sie sich der Schwarzen Kunst verschrieben habe. Gezaubert habe sie, so flüsterten die Nachbarn, nach Schätzen gesucht und Gespenster vertrieben. Der einzige Grund, warum man vorläufig noch nichts gegen ihren Ehemann unternahm, war die Tatsache, daß dessen Sohn mit der Tochter des reichen Schaffhauser Bürgermeisters Dietegen von Wildenberg verheiratet war. Der sorgte dafür, daß Werner Zentgraf weiterprägen durfte, allerdings nur zusammen mit seinem Sohn. Dies ging allerdings nicht mehr lange gut. Das Ehepaar Zentgraf wurde wegen unlauterer Geschäftsmethoden und hoher Schulden ins Gefängnis geworfen. In einem Malefizprozeß verurteilte man sie zu lebenslänglicher Haft, die aber dank der ehemaligen Freunde Zentgrafs und der guten Verbindungen seines Sohnes in lebenslängliche Verbannung gemildert wurde. Am 31. Juli 1594 verließ Werner Zentgraf Schaffhausen, seine Spuren verlieren sich von da an im Dunkel der Geschichte.
Für die Wappenscheibe des Werner Zentgraf im Interaktiven Katalog des Berliner Münzkabinetts, klicken Sie hier.
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