Ballspiele im Alten Mexiko
von Ursula Kampmann
Als Hernan Cortez im Jahr 1528 nach Spanien zurückkehrte, brachte er einige gefangene Azteken mit, die zur Freude Karls V. und seines Hofs ein merkwürdiges Ballspiel vorführten. Fast nackt, bekleidet nur mit einem gepolsterten Lendenschurz und fingerlosen Handschuhen spielten die Männer mit Hüfte und Gesäß einen Ball aus Kautschuk. Im Mittelpunkt des spanischen Interesses standen nicht die leicht anstößigen Bewegungen, die die Spieler dabei vollführten. Wesentlich interessanter war der Ball an sich. Ja, auch in Spanien kannte man Bälle, aber die waren aus Leder, ausgestopft mit Wolle oder Haaren. Etwas so Elastisches wie die aztekischen Kautschukbälle hatte man in der westlichen Welt noch nicht gesehen.
Vielleicht die früheste Darstellung eines Ballspielers. Tlatilco, Mexiko, 3.-4. Jh. v. Chr. Museum der Kulturen / Mexiko City. Foto: UK.
Völlig gleichgültig standen die spanischen Zuschauer der Tatsache gegenüber, dass das Ballspiel eine uralte Tradition der mesoamerikanischen Völker war. Wahrscheinlich hatte man schon in Teotihuacan zu Ehren der Götter Ball gespielt. Sicher wissen wir es von den Maya. Sie haben uns im Popol Vuh, dem heiligen Buch der Quiché-Maya von Guatemala, ihren Mythos überliefert, wie es zum ersten Ballspiel gekommen ist.
„Scheibe von Chinkultic“, in der Mitte Darstellung eines Ballspielers. Museum der Kulturen / Mexiko City. Foto: UK.
Einst waren die Götter der Unterwelt erzürnt darüber, dass die Brüder „Eins Blasrohrschütze“ und „Sieben Blasrohrschütze“ unablässig Ball spielten. Die Götter töteten die eifrigen Spieler, um so den Menschen eine Lehre zu erteilen. Untröstlich versteckte deren Mutter die Ballspielgeräte. Doch ihre Enkel fanden sie und – wie das Popol Vuh schreibt, „gingen fort, auf dem Ballplatz zu spielen.“
Figur eines Ballspielers. 6. Jh. n. Chr. Museum der Kulturen / Mexiko City. Foto: UK.
Und so fühlten sich die Götter der Unterwelt erneut gestört durch das Trampeln der Ballspieler auf ihrem Kopf. Sie schickten den Vogel Voc, um die jungen Männer vor ihr Gericht zu zitieren. Und sie befahlen den Gefangenen, mit ihnen, den Göttern, um die Wette zu spielen.
Figur eines Ballspielers. 6. Jh. n. Chr. Museum der Kulturen / Mexiko City. Foto: UK.
Natürlich versuchten die Götter, die jungen Männer zu überlisten. Sie versteckten einen Dolch im Ball, der den unwissenden Spieler sofort getötet hätte. Doch ihre menschlichen Gegner durchschauten die List. Sie kämpften gegen die Götter der Unterwelt und überwältigten sie.
Das Ballspielfeld von Chichen Itza. Foto: UK.
Von diesem göttlichen Kampf zeugen die 520 uns erhaltenen Ballspielplätze, die Touristen aus aller Welt bewundern. Der vielleicht bekannteste liegt in Mexiko. Er gehört zum Ausgrabungskomplex von Chichen Itza und misst 168 Meter in der Länge und 38 Meter in der Breite.
Tempel der Jaguare an der Längsseite des Ballspielfeldes. Foto: UK.
An den beiden Längsseiten überragen ihn Tempel, die unter den schönen Namen „Tempel der Jaguare“ und „Tempel des Bärtigen“ bekannt sind. Die Zuschauer standen nicht dort, sondern entlang der Mauern, auf die von außen Treppen emporführten.
Ring des Ballspielplatzes. Foto: UK.
Hoch über dem Platz, als Teil der gemauerten Begrenzung, finden sich in der Mitte des Spielfeldes zwei Ringe, die Joanne K. Rowling wohl zu Quidditch, dem Sport auf dem fliegenden Besen, inspiriert haben. Es gibt keinerlei Quelle, die uns verrät, zu welchem Zweck die riesigen Ringe gedient haben. Nichtsdestotrotz nehmen heute die meisten Forscher an, dass der Ball durch das Loch praktiziert werden musste. Aber ob dies mit zwei Mannschaften um die Wette geschah oder der Zielwurf einen ganz anderen Zweck hatte, dazu lassen uns die Quellen im Stich.
Die gefräßige Sonne. Teotihuakan. Museum der Kulturen / Mexiko City. Foto: UK.
Wir wissen lediglich, dass die Glaubenswelt der mesoamerikanischen Völker von der Angst beherrscht war, die Sonne könne eines Tages nicht mehr die Kraft haben, aufzugehen und der Welt das Licht zu bringen. Deshalb musste sie mit menschlichem Blut gestärkt werden. Die Maya opferten nicht nur Kriegsgefangene. Wichtigste Aufgabe ihrer Herrscher war es, sich an äußerst schmerzhaften Stellen selbst Blut zu entnehmen, um damit die Sonne zu ernähren.
Relief an der Seitenwand des Ballspielplatzes von Chichen Itza: Opferung eines Mannes. Das Blut spritzt aus dem Hals des Getöteten in Form von fächerförmig sich verzweigenden Schlangen. Foto: UK.
Und diese Sonne symbolisierte nun für die Zeitdauer eines Spieles der Ball. Er ist in Darstellungen aztekischer Kodizes mit allen ikonographischen Merkmalen der Sonne versehen. Und auch das Ende des Spiels gehört in diesen Zusammenhang.
Relief an der Seitenwand des Ballspielplatzes von Chichen Itza: Totenschädel im Ballrund. Foto: UK.
Spieler wurden geköpft. Ob alle oder nur einer, ob Sieger oder Verlierer, das alles wissen wir nicht. Wir wissen lediglich, dass es lebensgefährlich war im alten Mexiko mit dem Ball zu spielen.
Diese Furcht müssen unsere Fußballspieler in Brasilien nicht haben. Wenn da einer Prügel bezieht, dann ist es höchstens der Schiedsrichter.
Für den modernen Fremdenverkehr führen folkloristisch gekleidete Einheimische etwas aus, das vom mesoamerikanischen Ballspiel inspiriert ist. Wenn Sie sich das einmal ansehen wollen, dann klicken Sie hier.
Für einen nicht ganz ernst gemeinten Trickfilm zum Thema, klicken Sie hier.