Heinrich Julius,
Löser zu 10 Talern 1609,
ss+


Friedrich Ulrich,
Löser zu 5 Reichstalern 1620,
ss-vz


Karl Eugen,
Silbermedaille 1777,
vz-st


Das Ende einer Ära: ANS zieht um nach Ohio
Die American Numismatic Society hat sich für einen Umzug nach Toledo entschieden. Damit verlässt sie nach rund 170 Jahren New York. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte der ANS und erklären, warum es Sinn macht, nach 170 Jahren von New York in den Rust Belt zu wechseln.
von Ursula Kampmann
Inhalt
Es war ein gewaltiger Anspruch, den einige junge und sehr junge Männer formulierten, als sie sich am 6. April 1858 auf Einladung des gerade erst 16-jährigen Augustus B. Sage trafen. Ihren lokalen Münzverein nannten die 14 Gründerväter gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen etwas pompös die „American Numismatic Society“. Angelehnt war der Name an zwei große, königliche Vorbilder: an die 1836 in London gegründete Royal Numismatic Society und die Société Royale de Numismatique de Belgique in Brüssel von 1843.

Das erste feste Quartier auf der Audubon Terrace. KI generiert mit Perplexity
Das erste Quartier: Audubon Terrace
Doch der Anspruch beflügelte. Tatsächlich entwickelte sich die ANS, wie die American Numismatic Society gerne abgekürzt wird, zum amerikanischen Forschungszentrum für Numismatik, zu einem echten Pendant des British Museum oder des Berliner Münzkabinetts. Dabei half es natürlich, dass sich der amerikanische Reichtum in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in New York konzentrierte, und dass viele Reiche und Schöne das Sammeln von Münzen als Hobby entdeckten.
Etliche davon betätigten sich als Sponsoren und Wohltäter der ANS. Nennen wir an dieser Stelle nur J. Pierpont Morgan (Bankier), J. Sanford Saltus (Stahl), Edward Dean Adams (Financier) und William Poillon (Keramik). Der bedeutendste von ihnen war Archer M. Huntington, Erbe eines der vier reichsten Eisenbahnbarone der USA. Er träumte von einem kulturellen Zentrum auf der Audubon Terrace in Upper Manhattan, und so stellte er das Grundstück und die Mittel zur Verfügung, damit sich die ANS ihr eigenes Gebäude errichten konnte.
Unter der Adresse Broadway, between 155th and 156th Streets, New York wurde die ANS wirklich eine Amerikanische Numismatische Gesellschaft, deren Museum Notes und Jahrbücher die bedeutendsten Numismatiker weltweit schrieben und lasen.
Veränderungen
Das alles war vor langer, langer Zeit. Und in dieser langen Zeit hat sich die Rolle der Numismatik verändert. Natürlich gibt es immer noch Mäzene, aber viele von ihnen bevorzugen es, ihr Geld in andere, öffentlichkeitsträchtigere Projekte zu investieren. Darüber hinaus explodierten die Grundstückspreise in New York. Auf ständig steigende Kosten für den Unterhalt einer großen Institution traf also ein Rückgang an spendenwilligen Mitgliedern.
Dazu entwickelte sich Washington Heights, wo die Audubon Terrace lag, in den 1980er Jahren zu einem der größten Drogenumschlagplätze im Nordosten der USA. Die New York Times bezeichnete das Viertel im Jahr 1989 als die „Crack Capital of America“. 103 Morde, 1.130 Körperverletzungen, 1.919 Raubüberfälle und 2.647 Einbrüche registrierte der zuständige Polizeibezirk. Ausländische Numismatiker erzählten hinter vorgehaltener Hand (und dabei sicher des Effekts wegen ein bisschen übertreibend) von den Schrecken, die sie auf dem Weg zur Audubon Terrace erlebt hatten.
Das isolierte die ANS, und es entstanden zwei Fraktionen, von denen die eine dafür war, alles beizubehalten wie es war, während die andere überfällige Veränderungen anmahnte.

Das neue Gebäude der ANS war ein beeindruckendes 6-stöckiger Bau an der Fulton Street. KI generiert mit Perplexity
Der Umzug nach Manhattan
Wir dürfen nicht vergessen, dass die ANS zwar eines der größten Münzkabinette der Welt besitzt, aber eine private Vereinigung ist und deshalb praktisch keine nennenswerten staatlichen Unterstützungen erhält. Die ANS zu führen, war also weniger eine wissenschaftliche, mehr eine wirtschaftliche Aufgabe.
Ihr stellte sich im Jahr 1999 Ute Wartenberg, die vorher mehrere Jahrzehnte als Kuratorin für griechische Münzen im British Museum tätig war. Als sie ihr Amt als Executive Director der American Numismatic Society antrat, war sie sich sehr bewusst, dass ihre Aufgabe nicht leicht sein würde und sie sich mit ihren Maßnahmen nicht nur Freunde machen konnte. Sie setzte zusammen mit den Reformern im Jahr 2000 ein Budget durch, das die Kosten drastisch reduzierte und einen Umzug der ANS nach Manhattan vorbereitete. Ziel war es damals, die American Numismatic Society für die moderne Welt des Sammelns fit zu machen, den Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Hinwendung zum normalen Sammler zu bewältigen.
So wurde also das Gebäude an der Audubon Terrace verkauft, und ein neues Gebäude in Manhattan, 96 Fulton Street für 6,5 Mio. $ erworben. Einen großen Teil der dafür notwendigen Mittel stiftete der damalige Präsident der ANS, Donald Partrick, und die Harry Bass Foundation. Der Umzug erfolgte im Jahr 2003. Alle waren voll der schönsten Hoffnungen, dass sich durch die günstige Lage die Besucherfrequenz stark erhöhen werde.

Die ANS als nur ein Mieter von vielen. Das jetzige Quartier in der Varick Street
Zur Miete: 75 Varick Street
Die Hoffnungen platzten schnell. Die Besucherzahlen stiegen nicht so, wie man es sich erhofft hatte, und neue Mitglieder gewann man durch den Umzug ebenfalls kaum. Außerdem kletterten die Kosten weiterhin in die Höhe. Das finanzielle Damoklesschwert schwebte immer noch über der Gesellschaft, so dass sich die Trustees bereits vier Jahre später zum nächsten Umzug entschließen mussten.
Diesmal verzichtete man darauf, ein Gebäude zu kaufen. Aus den noblen sechs Stockwerken der Fulton Street wurde ein einziges. Nun residierte die ANS im 11. Stock der 75 Varick Street. Dort leistet sie ihre hervorragende Arbeit noch immer.
Der Umzug hatte das Ausufern der Kosten zwar verhindert, aber die Situation war ökonomisch immer noch unbefriedigend. Für 1,8 Mio. USD pro Jahr verfügte die ANS in der zweitteuersten Stadt der Welt über nicht genügend Raum, ihre Sammlungen und Bücher adäquat aufzubewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Corona und die Möglichkeiten des Internets
Dann kam Corona, und die ANS konnte ihre Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung voll ausspielen. Denn wir dürfen eines nicht vergessen, während all dieser wirtschaftlichen Schwierigkeiten, gelang es der ANS zahlreiche wissenschaftliche Projekte im Internet voranzutreiben. Sie gehörte unter anderem zu den ersten, die ihre Sammlungen im Internet verfügbar machte. Heute versorgt sie Wissenschaftlern eine Fülle von existentiell wichtigen, digitalen Katalogwerken.
Die Arbeit der ANS wurde also anders als die vieler Museen kaum durch Corona eingeschränkt. Im Gegenteil, viele Mitglieder lernten erst in Zeiten des Lockdowns die Angebote der ANS zu schätzen. Vor allem der lange Tisch – eine regelmäßige Vortragsreihe via digitalem Meeting Room – zog Teilnehmer aus der ganzen Welt an. Dies könnte der Moment gewesen sein, in dem alle Beteiligten begriffen, dass eine American Numismatic Society durchaus nicht in New York angesiedelt sein muss, auch wenn sie einst in New York gegründet sein mochte.
Auf der Suche nach einem neuen Quartier
Seitdem hörte man immer wieder von Plänen, wohin die ANS umziehen könnte. Chicago war zum Beispiel im Gespräch. Aber es war schwierig, eine sinnvolle Lösung zu finden, die alle Bedingungen der ANS erfüllte. Schließlich musste ein zentraler Flughafen in der Nähe sein. Es brauchte eine umfassende Bibliothek und die Anbindung an weitere Forschungsinstitutionen. Die Lebenshaltungskosten sollten niedrig, das Ambiente trotzdem attraktiv sein. Last but not least hoffte man auf eine große Community, die man für die Angebote der ANS vor Ort interessieren könnte.

Die neue Heimat der ANS: Hoffentlich für viele Jahrzehnte! Foto: ANS
Toledo / Ohio
All dies soll sich nun auf dem Campus des Toledo Museum of Art verwirklichen. Ein eindrucksvolles Gebäude im Art Deco Stil wurde bereits gekauft. 2028 wird der Umzug vollzogen sein. Für Investitionen in Höhe von 20 Mio. USD will man sich sogar den Wunschtraum verwirklichen, endlich ein modernes Geldmuseum einzurichten, wie man es sich in New York nie leisten konnte.
Besucher könnte es dort reichlich geben, denn der Campus bietet genügend Raum, um sogar Schulbusse zu beherbergen. Damit könnte die ANS eine zentrale Rolle in der Erziehung zum Umgang mit Geld spielen, wie sie heute viele führende Geldmuseen übernommen haben.
All dies tröstet darüber hinweg, dass Toledo Teil des so genannten Rust Belt ist, der durch den Wegfall traditioneller Industrien stark an wirtschaftlichem Potential verloren hat. Doch in den letzten Jahren scheint es Aufwind zu geben. 2025 zählte man Toledo zu den interessantesten Immobilienmärkten der USA, Anfang des Jahres stiegen die Immobilienpreise um über 30%, wobei sich das Wachstum inzwischen bei knapp unter 10% eingependelt hat.
Damit bietet Toledo den Charme niedriger Lebenshaltungskosten und einer hoffnungsfrohen Aufbruchstimmung. Die Stadt empfängt die ANS mit offenen Armen, denn was in New York nur eine Institution von vielen war, wird von Toledo als das gesehen, was die ANS ist, eine international vernetzte Institution, die den Namen Toledo / Ohio in der ganzen Welt bekannt machen könnte. Ein lokaler Nachrichtensender beschäftigte sich bereits mit dem Umzug.
Die Mitarbeiter der ANS müssen sich nun entscheiden, ob sie mit nach Toledo gehen. Die Hälfte von ihnen soll sich bereits dazu entschlossen haben.
Trustees‘ Award für Adam M. Levine
Instrumental für den gesamten Prozess war Adam M. Levine, Direktor des Toledo Museum of Art. Er kennt die ANS seit vielen Jahren und sah für beide Seiten die Chancen, die so ein Umzug bringen könnte. Die Trustees der ANS anerkennen seine zentrale Rolle und zeichnen ihn während des alljährlichen Gala Dinners der ANS im Rahmen der New York International Numismatic Convention mit dem Trustee’s Award aus.
Das hat Adam Levine sich wahrlich verdient, wenn er der ANS die Wege gebahnt hat, ein neues Kapitel in ihrer langen Geschichte zu schreiben. Ein Kapitel, das hoffentlich nicht von Geldsorgen dominiert wird. Es wäre schön, wenn sich die ANS endgültig auf die numismatische Forschung und die Verbreitung numismatischen Wissens konzentrieren könnte.



























