alle Hintergrundartikel

Zwischen Triumph und Tragödie – Maximilian II. Emanuel, der „Fürst der Bankrotteure“

von Helmut Caspar

Bayern erlebte nach den Verheerungen und Schrecken des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) eine Periode relativ friedlichen Aufbaus unter den Kurfürsten Maximilian I. und Ferdinand Maria. In München wurde die Residenz wie eine Stadt in der Stadt von geradezu kaiserlichem Zuschnitt gebaut, ebenso die Theatinerkirche, der Mittelbau des Nymphenburger Schlosses und weitere Großbauten, die von der neuen Größe Bayerns künden sollten. Mit Maximilian II. Emanuel trat der Kriegsgott Mars an die Stelle der Musen. Als sich 1683 die Türken dem christlichen Europa näherten und Wien belagerten, verdiente der junge Kurfürst von Bayern seine ersten Sporen als erfolgreicher Feldherr. Er lebte von 1662 bis 1727 und folgte 1679 mit 18 Jahren als Kurfürst seinem Vater Ferdinand Maria. Er glänzte als Feldherr, Bauherr und Kunstsammler, musste aber auch schwere Schicksalsschläge wie den frühen Tod seines Sohns Joseph Ferdinand Leopold im Jahr 1699 hinnehmen, dem er so gern aufgrund der engen Verwandtschaft der Wittelsbacher mit dem Haus Habsburg die spanische Krone und damit Macht über ein ganzes Weltreich verschafft hätte.

Triumph und Niederlage. Links: Medaille 1703, von Philipp Heinrich Müller auf Maximilian II Emanuel und die Eroberungen von 16 Städten. Silber, 41 mm, 32.97 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1071. Schätzung: 500 CHF. Rechts: Medaille 1704, auf die Niederlage Maximilian II Emanuels bei Höchstädt. Silber, 43 mm, 29.46 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1072. Schätzung: 500 CHF.

Triumph und Niederlage. Links: Medaille 1703, von Philipp Heinrich Müller auf Maximilian II Emanuel und die Eroberungen von 16 Städten. Silber, 41 mm, 32.97 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1071. Schätzung: 500 CHF. Rechts: Medaille 1704, auf die Niederlage Maximilian II Emanuels bei Höchstädt. Silber, 43 mm, 29.46 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1072. Schätzung: 500 CHF.

Der körperlich und geistig behinderte, zudem kinderlose König Karl II. von Spanien hatte den kleinen Prinzen 1698 zu seinem Erben ernannt. Wenn alles nach Plan gegangen wäre, wäre er nicht nur Kurfürst von Bayern, sondern auch Oberhaupt des spanischen Weltreiches geworden und hätte dem Haus Wittelsbach zu ungeahntem Ruhm verholfen. Sein Vater Maximilian II. Emanuel hätte damit sein Ziel, in der europäischen Fürstenfamilie eine herausragende Rolle zu spielen, erreicht.

Als Karl II. im Jahr 1700 gestorben war, brach der Spanische Erbfolgekrieg aus, in dem sich die Habsburger und die Bourbonen, also die Kaiser Leopold I., Joseph I. und ab 1711 Karl VI. auf der einen Seite und Ludwig XIV. auf der anderen, um die Besetzung des Throns in Madrid bekämpften. Ludwig XIV. stritt im Namen seines Enkels Philipp von Anjou um die spanische Krone, Leopold I. wollte sie seinem zweiten Sohn Karl verschaffen. Der ganz Europa erschütternde, überaus verlustreiche Krieg endete mit den Frieden von Utrecht (1713) und Rastatt (1714). Dem Sonnenkönig Ludwig XIV. gelang es, seinen Enkel als Philipp V. als König von Spanien durchzusetzen. All die politischen Machenschaften und militärischen Unternehmungen, die Belagerung von Festungen und Eroberungen von Ländern wurden durch zahlreiche Medaillen mit zeittypischem Allegorienprunk und maßloser Heldenverehrung gefeiert.

Maximilian II. Emanuel kämpfte zunächst erfolgreich an der Seite des römisch-deutschen Kaisers Leopold I. gegen die in Richtung Wien vordringenden Osmanen. In der Schlacht bei Mohács im August 1687 spielte er eine maßgebliche Rolle beim Sieg über das Osmanische Reich. Das Ereignis veranlasste die ungarische Stände, die Erblichkeit der ungarischen Krone für das Haus Habsburg anzuerkennen Maximilian II. Emanuel soll zwei Millionen Dukaten als Kriegsbeute verbucht haben. Dem Sieg der Kaiserlichen folgte nach Vertreibung der Türken die Inbesitznahme von Ungarn, Slawonien und anderen Ländern durch das Haus Habsburg.

Bereits vor dem Sieg bei Mohács gelang den kaiserlichen Truppen die Rückeroberung zahlreicher ungarischer Städte und Festungen. Anlässlich dieser Erfolge wurde 1685 diese Medaille auf Kaiser Leopold I. ausgegeben. Silber, 39 mm, 25.89 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1027. Schätzung: 350 CHF

Bereits vor dem Sieg bei Mohács gelang den kaiserlichen Truppen die Rückeroberung zahlreicher ungarischer Städte und Festungen. Anlässlich dieser Erfolge wurde 1685 diese Medaille auf Kaiser Leopold I. ausgegeben. Silber, 39 mm, 25.89 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1027. Schätzung: 350 CHF

Maximilan II. Emanuels Einsatz in den Türkenkriegen war nicht in erster Linie Ausdruck von Anhänglichkeit an das Kaiserhaus in Wien, sondern mit der Hoffnung verbunden, seinen Landbesitz vergrößern zu können. Seine militärischen Erfolge trugen ihm die einträgliche Statthalterschaft in den spanischen Niederlanden ein, was ihm jedoch bei weitem nicht genügte. Nachdem 1699 Maximilian II. Emanuels erst siebenjähriger Sohn Joseph Ferdinand Leopold starb und damit auch die Aussicht des Wittelsbachers auf die Besetzung des spanischen Königsthrons in weite Ferne gerückt war, vollzog der Kurfürst einen Seitenwechsel. An der Seite der Franzosen verließ ihn jedoch sein Kriegsglück. In der Schlacht bei Höchstädt an der Donau am 13. August 1704, im vierten Jahr des Spanischen Erbfolgekriegs, wurde die französisch-bayerische Armee unter dem Marschall Tallard und Kurfürst Maximilian II. Emanuel von kaiserlichen Truppen entscheidend geschlagen.

Leopold I. belegte den abtrünnigen und bei Höchstädt geschlagenen Feldherrn und Kurfürsten mit der Reichsacht, weshalb ihm die Rückkehr nach Bayern erst nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekriegs möglich war. Nach 14jähriger Abwesenheit in seine Heimat zurückgekehrt, versuchte der Herrscher die Konsolidierung des Landes. Doch als Mann des Barocks gab er das Geld seiner geschundenen Untertanen mit vollen Händen für Schlossbauten, Kunstsammlungen und rauschende Feste aus. Maximilian II. Emanuel verwandelte das kurfürstliche Landhaus in Schleißheim bei München in eine monumentale Einflügelanlage ganz im Stil des Barock, bestehend aus dem Alten Schloss, dem Neuen Schloss in der Mitte und dem Schloss Lustheim. Der Feldherr wollte seine Ambitionen auf das spanische Weltreich durch einen Palast nach französischem Vorbild unterstreichen. Er wurde ebenso prächtig wie nachlässig gebaut und musste bereits im 18. Jahrhundert aufwändig saniert werden. Als er am 26. Februar 1726 starb und in der Münchner Theatinerkirche beigesetzt wurde, hinterließ der „Fürst der Bankrotteure“, wie er mitunter genannt wurde, seinem Land einen immensen Schuldenberg von über 26 Millionen Gulden.

Die hier in der Auktion 18 der Leu Numismatik AG angebotenen Medaillen von 1703 und 1704 kommentieren die Eroberungen und Niederlagen des bayerischen Kurfürsten in Süddeutschland. 1703 beauftragte der Kurfürst den Augsburger Medailleur Philipp Heinrich Müller mit dem Entwurf einer Medaille. Diese zeigt Maximilian II. Emanuel in römischem Habit, als erfolgreichen Eroberer mehrerer Städte. Der Flussgott Danubis (Donau) huldigt ihm genau wie die Ulma als Verkörperung des eroberten Ulms. Die Rückseite ziert Victoria umgeben von den Wappen jener Städte, die Maximilian II. Emanuel in seine Gewalt bringen konnte.

Medaille 1703, von Philipp Heinrich Müller auf Maximilian II Emanuel und die Eroberungen von 16 Städten. Silber, 41 mm, 32.97 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1071. Schätzung: 500 CHF.

Medaille 1703, von Philipp Heinrich Müller auf Maximilian II Emanuel und die Eroberungen von 16 Städten. Silber, 41 mm, 32.97 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1071. Schätzung: 500 CHF.

Nur ein Jahr später, nach seiner besagten Niederlage bei Höchstädt, wurde von unbekannter Hand eine silberne Spottmedaille in Auftrag gegeben, die die Medaille Müllers vom Vorjahr satirisch kopiert. Auf dieser Spottmedaille flieht der Kurfürst vor der verärgerten Bavaria. Aus dem huldigenden Danubis ist ein schäumender Flussgott geworden, der drohend seinen Dreizack schwingt. Auf der Rückseite ist die Justitia an die Stelle der Victoria getreten, umgeben von den Städten die Maximilian II Emanuel im Zuge seiner Niederlage verlor.

 Medaille 1704, auf die Niederlage Maximilian II Emanuels bei Höchstädt. Silber, 43 mm, 29.46 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1072. Schätzung: 500 CHF.

Medaille 1704, auf die Niederlage Maximilian II Emanuels bei Höchstädt. Silber, 43 mm, 29.46 g. Leu Auktion 18, 2. Juni 2025, 1072. Schätzung: 500 CHF.

Gemeinsam mit dieser Medaille wurden auch entsprechende Flugschriften mit Abbildungen verteilt, von denen sich eines in der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten hat.

Flugschrift: Der Bayrischen Medaille oder Schau-Müntze Satz und Gegensatz, Ausschnitt Seite 1, 1704. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 1000, 23h.

Flugschrift: Der Bayrischen Medaille oder Schau-Müntze Satz und Gegensatz, Ausschnitt Seite 1, 1704. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 1000, 23h.

Die Flugschrift trägt den Titel „Der Bayrischen Medaille oder Schau-Müntze Satz und Gegensatz“ und beschreibt sowohl die Medaille von 1703 als auch ihr Pendant von 1704.

Flugschrift: Der Bayrischen Medaille oder Schau-Müntze Satz und Gegensatz, Ausschnitt Seite 2f. 1704. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 1000, 23h.

Flugschrift: Der Bayrischen Medaille oder Schau-Müntze Satz und Gegensatz, Ausschnitt Seite 2f. 1704. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 1000, 23h.

Die Beschreibung endet mit einem Gedicht: „Welch ewig dauren soll / wird in Metall geleget / damit die Nachwelt auch vergangene Dinge seh; / Hier hat der Meineyd sich zur Schand in Ertz gepräget / Auf dass sein Ebenbild in spate Zeiten geh; / Vor zweyen Jahren fieng die Thorheit an zu kriegen / Wornechst zwey grosse Städt in Knechtschafft sie gesetzt; / Drauf musste diesem Wuth halb Schwaben unterligen / So / dass der Hochverrath das ganze Reich verletzt; (…) Der Bayrfürst flicht hierbey / läst Städt und und Dörffer sitzen / Die er in vorigen Jahr riß mit Gewalt an sich / Verlohr zugleich die Pfaltz von seiner Chur-Macht Spitzen / Und Bayrlands Regiment ließ er dem Weib am Stich / Und das ist nun die Müntz/ womit er hat gepranget / Die über seine Prob / so sein Gepräge hält; / Mit solcher ist er jetzt in Brüssel angelanget / Weil man sie abgeschätzt in unsrer Teutschen Welt / Und an derselben Statt ein andre Müntz geschlagen / Die Land und Leute setzt in alten Freyheits Stand / So / daß von solchem Werck man wol mit Recht kan sagen / Gott sei mit Leopold und seiner Freunde Band.“

Was bleibt von Maximilian II. Emanuel? Prachtvolle Schlösser – und Medaillen, die von seiner Selbstinszenierung wie von seinem Scheitern gleichermaßen erzählen.

Nichts mehr verpassen?

NEWSLETTER HIER ABONNIEREN