Vom Taler zur Mark: der lange Weg zur gemeinsamen Währung
In den Jahren zwischen 1800 und 1914 entwickelte sich Deutschland von einem landwirtschaftlich geprägten Flickenteppich zu einer geeinten Industrienation. Die wichtigen Etappen kennen wir aus den Schulbüchern: Von den Studentenprotesten nach dem Wiener Kongress über die gescheiterte Revolution von 1848 und die drei „Einigungskriege“ Preußens bis zur Gründung des Kaiserreichs.
Inhalt
War der deutsche Nationalstaat also ein Resultat patriotischer Gefühle im Verein mit dem enormen Ehrgeiz der Militärmacht Preußen? Das wäre zu kurz gegriffen, denn auch die Wirtschaft spielte eine wesentliche Rolle. Zollbeschränkungen und verschiedene Währungen der unzähligen Kleinstaaten hemmten den Handel und fühlten sich für die Bürger zunehmend mittelalterlich an. Länder wie Frankreich und Großbritannien waren längst zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum geworden und diskutierten den Freihandel mit anderen Nationen. Davon war Deutschland noch weit entfernt.
Deshalb bemühten sich die deutschen Politiker des 19. Jahrhunderts, den Austausch von Gütern zu erleichtern und die Währungen anzugleichen. Münzverträge ebneten nach und nach den Weg für eine gemeinsame Reichswährung. Illustrieren wir diese Entwicklung am Beispiel der Münzen des Doppelherzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, von dem einige seltene und herausragend erhaltene Stücke in der Künker Auktion 388 zu finden sind, die am 22. Juni 2023 unter dem Titel „Taler und Mark“ eine norddeutsche Privatsammlung anbietet.
Die Ausgangslage
Im ausgehenden 18. Jahrhundert prägten die deutschen Territorialstaaten ihre eignen Münzen nach unterschiedlichen Münzfüßen. Während die Scheidemünzen nur im eigenen Land kursierten, waren die Kurantmünzen für den grenzüberschreitenden Handel gedacht. Deshalb bestimmte sich ihr Wert nach dem Silbergehalt. Im Zentrum dieses Gewichtssystems stand seit dem Mittelalter die Kölner Mark, eine Gewichtseinheit, die ca. 234 g Silber entsprach. Die Grundfrage war deshalb, wie viele Münzen man aus einer Kölner Mark Silber prägte. Preußen hatte 1750 beispielsweise einen 14-Taler-Fuß eingeführt, bei dem also aus den 234 Gramm Feinsilber 14 Taler geprägt wurden. Dieser Münzfuß beherrschte um 1800 den norddeutschen Raum.
Das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha ging einen anderen Weg. Das zeigt uns dieser Konventionstaler von 1835, geprägt unter Herzog Ernst I. Der Name der Münze leitet sich ab von der Münzkonvention zwischen Österreich und Bayern aus dem Jahr 1753, mit der eine neue Silbermünze dort den alten Reichstaler ersetzte. Dieser Konventionstaler setzte sich in großen Teilen Süd- und Westdeutschlands durch, so auch in den sächsischen Herzogtümern. Zum Münzfuß des Konventionstalers verrät uns die Inschrift selbst mehr. Wir lesen „ZEHN EINE MARK FEIN“. 10 solcher Taler wurden also aus einer Kölner Mark Silber geprägt und entsprachen damit – zumindest vom Feingewicht – 14 preußischen Talern.
Und jetzt wird’s kompliziert. Da im süddeutschen Raum der Gulden die zentrale Rechnungswährung war, berechnete man dort den Wert jedes Talers in Gulden. Doch da sich der Silberpreis ständig veränderte, wechselte auch der Kurs des (preußischen) Talers. Somit stand ein Händler vor dem Problem, dass sich der (süddeutsche) Rechnungsgulden nur schwer mit dem (preußischem) Taler ins Verhältnis setzen ließ. Deshalb wurde in der Münzkonvention von 1753 ein Taler definiert, der sich mühelos in Gulden umrechnen ließ.
Eine Münze, zwei Wertangaben
Ein Doppeltaler von 1843 führt uns in die nächste Phase. Er ist das Ergebnis von tiefgreifenden Reformen. Bereits 1833 war der Deutsche Zollverein gegründet worden. Der sorgte nicht nur dafür, dass lästige Zollschranken wegfielen, sondern sah auch eine zukünftige Vereinheitlichung der Währungen vor. Mit dem Münchner Münzvertrag 1837 und dem Dresdener Münzvertrag im Jahr darauf gelang hier ein Durchbruch. Der neu gegründete süddeutsche Münzverein definierte die Kölner Mark mit 24 1/2, nicht wie bisher mit 24 Gulden. Das ermöglichte ein klares Wertverhältnis zwischen (süddeutschem) Gulden und (preußischem) Taler: 1 Taler entsprach 1,75 Gulden.
Zementiert wurde dieser neue Wechselkurs durch eine neue Kurantmünzen, die im gesamten Bereich des Zollvereins anerkannt wurde. Deshalb erhielt sie den Namen Vereinsmünze. Dieser Doppeltaler von 1843 ist so eine Vereinsmünze. Die Rückseiteninschrift zeigt eine doppelte Wertangabe: „2 THALER VII EINE F. MARK 3 ½ GULDEN“. Diese Münze ist also 2 Taler nach dem preußischen 14-Taler-Fuß wert oder eben 3 ½ Gulden, wenn man im süddeutschen 24,5-Guldenfuß rechnet.
Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha hatte wesentliches Interesse an diesen Anpassungen des Münzwesens, denn sie halfen ihm unmittelbar. Wir müssen uns klar machen, dass Sachsen-Coburg und Gotha nicht ein Herzogtum war, sondern eine Personalunion aus zwei Herzogtümern: Sachsen-Gotha und Sachsen-Coburg. Und im Herzogtum Gotha rechnete man nach preußischen Talern, das südlichere Coburg war Mitglied im süddeutschen Münzverein und rechnete nach Gulden. Eine gemeinsame Basis für seine Herrschaftsgebiete bedeutete also große Erleichterungen.
Der Doppeltaler verknüpfte den norddeutschen und den süddeutschen Währungsraum und war deshalb von hoher symbolischer Bedeutung. Im Alltag dagegen kam diese Münze wegen ihres hohen Werts kaum zum Einsatz.
Die Kölner Mark wird obsolet
Ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung war der Wiener Münzvertrag von 1857. Erstmals gab es eine richtige Gemeinschaftsmünze, den Vereinstaler. Wir sehen hier ein Exemplar von 1862, geprägt unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha. Geradezu revolutionär an dieser Münze war, dass nicht länger die mittelalterliche Kölner Mark als Grundgewicht diente, sondern das dezimale Zollpfund, also glatte 500 Gramm Silber.
Wie uns die Umschrift unserer Münze, „EIN VEREINSTALER XXX EIN PFUND FEIN“ verrät, wurden nun aus einem Pfund Silber 30 Vereinstaler geprägt. Der Kniff dabei: Das Feingewicht des preußischen Talers veränderte sich damit faktisch nur um den Bruchteil eines Gramms.
Mit dem Vereinstaler wurden die Währungsräume endgültig durch eine gemeinsame Hauptmünze miteinander verbunden. Kaum langfristige Folgen hatte dagegen, dass Österreich und Liechtenstein mit dem Vertrag dem Münzgebiet beitraten. Bereits 1866, nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen, verließen sie den Währungsraum wieder.
Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha wird den Wiener Münzvertrag sicherlich begrüßt haben. Er galt als großer Verfechter der nationalen Einigung und hatte sich im Gegensatz zu einigen seiner Nachbarn im Krieg gegen Österreich auf die Seite Preußens gestellt. Der Sieg über Österreich gilt als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Reichseinigung unter preußischer Vorherrschaft. Nach dem Sieg gegen Frankreich im Krieg 1870/71 war es dann soweit: Im Spiegelsaal von Versailles wurde das Deutsche Kaiserreich proklamiert.
Endlich eine gemeinsame Währung!
Mit dem neuen Kaiserreich kam auch endlich eine einheitliche Reichswährung, die durch mehrere Münzgesetze fixiert wurde. Ihre Basis bildete die Errungenschaften der vorangegangenen Jahrzehnte. Nun wurde auch das oft vorgeschlagene Dezimalsystem eingeführt: 1 Mark gleich 100 Pfennige, einfach und praktisch. Der Silberstandard wurde aufgegeben und stattdessen der Goldstandard nach britischem Vorbild eingeführt. Tragen wir dieser Tatsache Rechnung, indem wir diesmal eine Goldmünze abbilden. Es handelt sich um das berühmte 20-Mark-Stück von Sachsen-Coburg und Gotha von 1872, bekannt als der seltenste Typ aller Reichsgoldmünzen. Er zeigt, dass die Spezifikationen der Münzen einheitlich waren, aber Gold- und Silbermünzen trotzdem im Namen der Bundestaaten und mit den Portraits ihrer Fürsten ausgegeben wurden.
Die Einführung der Reichswährung setzte einen Schlusspunkt hinter die langwierigen Bemühungen des 19. Jahrhunderts, das Münzwesen zu vereinheitlichen. Wie in der Politik hatte sich auch hier Preußen in den wesentlichen Punkten durchgesetzt.