Marcus Antonius: Der Verlierer, der nicht die Geschichte schrieb
von Ursula Kampmann im Auftrag von Künker
Es ist eine alte, eine bekannte Geschichte. Und doch kann man sie immer wieder neu erzählen. Denn es geht um Probleme, die sich allen Politikern stellen: Wie bringt man das Volk auf seine Seite? Ist ihm die Freiheit wichtiger als Sicherheit und tägliches Brot? Wem weist die Geschichte die Rolle des Guten zu, wem die des Bösen, und warum? Jeder Historiker wird dazu seine eigenen Antworten geben. Lesen Sie also noch einmal die Geschichte des Marcus Antonius, der als loyaler Unterstützer Caesars begann und zum Herrscher über die halbe Welt aufstieg, ehe ihn sein Verbündeter verriet und vernichtete.
Inhalt

Wie man sich im 19. Jahrhundert die große Stunde des Marcus Antonius vorstellte: Seine berühmte Rede bei Caesars Bestattung, gemalt von George Edward Robertson, 1864. Davor: Vorderseite von Marcus Antonius mit Octavianus. Aureus, 41 v. Chr., Ephesos. Taxe: 12.500 Euro. Aus Auktion 419 (17. März 2025), Nr. 342.
Spross einer noblen Familie
Marcus Antonius wurde am 14. Januar entweder 82, 83 oder 86 geboren. Er stammte aus einer noblen und bestens vernetzten Familie, die schon viele Senatoren und einige Konsuln gestellt hatte. Es stand also von Geburt an fest, dass Marcus Antonius ein hochrangiger Senator werden wollte. Das war nicht einfach. Denn sein Stiefvater Publius Cornelius Lentulus Sura war umstritten: Das Volk wählte ihn zum Konsul; der Senat schmiss ihn raus – offiziell wegen dessen Lebenswandel. Zu einem uns unbekannten Datum kehrte Sura in den Senat zurück. Er dürfte zu diesem Zeitpunkt ein vehementer Gegner der Clique um Cicero gewesen sein. Nahm er deshalb Teil an der Verschwörung des Catilina? Gab es diese Verschwörung überhaupt, bevor Cicero Catilina aus Rom vertrieb? Schloss Sura wirklich ein Bündnis mit den Allobrogern? Er wurde deswegen zum Tode verurteilt. Auf Antrag Ciceros. Obwohl der junge Caesar versuchte, dies zu verhindern.
Die Verurteilung Suras hatte Folgen: Sie machte Marcus Antonius und Cicero zu Feinden. Doch während Cicero wegen seines glasklaren Stils von allen Humanisten angebetet wurde, hinterließ uns Marcus Antonius nichts Schriftliches. Damit lag die Deutungshoheit der Geschehnisse bei einem erklärten Feind des Marcus Antonius. Wir müssen deshalb alles, was uns über Marc Antons homosexuelle Ausschweifungen, seine wilde Promiskuität, über Trinkgelage und Lotterleben überliefert ist, mit äußerster Vorsicht betrachten. Cicero pflegte seine Freunde als sittenstrenge Asketen zu beschreiben und seine Feinde als Weicheier mit Luxusallüren.
Karriere unter Caesar
Unterstellen wir also, dass Marcus Antonius es auch nicht wilder getrieben hat als seine Altersgenossen. Dass er äußerst tapfer war, konnten nicht einmal seine Feinde leugnen. Er zeichnete sich bereits als Jugendlicher unter Aulus Gabinus in Syrien aus und schloss sich Caesar 54 v. Chr. in Gallien an.
Der erkannte in ihm einen begabten Verbündeten, den er systematisch förderte. Mit Caesars Unterstützung wurde Marcus Antonius erst Quaestor, dann Augur und 49 v. Chr. Volkstribun. Damit bewies ihm Caesar das vollste Vertrauen: Er brauchte Marcus Antonius in diesem Jahr in Rom. Seine prokonsularische Vollmacht lief aus und er plante, sich gleich anschließend ein weiteres Mal zum Konsul wählen zu lassen. So wollte er verhüten, von seinen politischen Gegnern vor Gericht gezerrt zu werden.
Doch Caesar hatte nicht mit deren Skrupellosigkeit gerechnet. Man erklärte ihn zum Staatsfeind und ignorierte dabei das Veto-Recht der beiden Volkstribune. Das war ein klarer Rechtsbruch! Und mehr noch: trotz der Sakrosanctitas des Volkstribuns mussten Marcus Antonius und sein Kollege um ihr Leben fürchten. Sie flohen zu Caesar. Der Rest ist Geschichte. Caesar überschritt den Rubikon und besiegte die gegnerischen Senatoren. Marcus Antonius erwies sich dabei als brillanter Militär. Deshalb ernannte ihn Caesar im Jahr 48 v. Chr. zum Magister Equitum, also zu seinem militärischen Stellvertreter.

Caesar. Denar, 44, vor Caesars Ermordung. Sehr selten. Aus der Sammlung eines Juristen. Hervorragendes Porträt. Sehr schön. Taxe: 2.500 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 334.
Caesars Porträt
Am 1. Januar des Jahres 44 v. Chr. trat Marcus Antonius an der Seite Caesars das Amt des Konsul an. Zu diesem Zeitpunkt schien der Diktator die Macht sicher in Händen zu halten. In den letzten Tagen des Jahres 45 v. Chr. hatte ihm der Senat das Recht verliehen, sein Porträt auf Münzen zu setzen. Die wunderbaren Porträtdenare Caesars gehen auf diesen Beschluss zurück. Allerdings unterscheiden Numismatiker heute nicht mehr, wie es Alföldi einführte, zwischen Porträts vor und nach Caesars Tod. Wahrscheinlich wurden alle Porträtdenare VOR Caesars Ermordung geprägt.
Auch die Bedeutung des Porträts wird heute anders eingeschätzt. Man betont die Kontinuität, die von der Abbildung toter Vorfahren zur Darstellung eines überragenden Lebenden führte. Doch natürlich konnten Caesars Feinde darin auch eine Angleichung an hellenistische Monarchen sehen, vor allem weil der Senat Caesar Mitte Februar des Jahres 44 v. Chr. zum Diktator auf Lebenszeit ernannte.
Der politische Mord
Auch hier ist der Rest Geschichte. Caesar fiel am 15. März 44 v. Chr. unter den Dolchstößen seiner Gegner. Bemerkenswert für unseren Zusammenhang ist es, dass die Verschwörer sorgfältig darauf achteten, den mutigen und schlachterprobten Marcus Antonius vom Ort des Geschehens fernzuhalten. Sie fürchteten, er könnte Caesar durch sein persönliches Eingreifen das Leben retten.
Auf Einfluss des Marcus Iunius Brutus hatten die Verschwörer nur Caesar umgebracht. Sie stellten sich völlig naiv vor, dass die Beseitigung des „Tyrannen“ automatisch das gewohnte System von gegenseitigen Gefälligkeiten und Kompromissen wiederherstellen würde. Sie hatten sich verrechnet. Marcus Antonius ergriff die Initiative. Immerhin bekleidete er als Konsul das höchste Amt. So setzte er sich in den Besitz des Staatsschatzes, ließ sich von Caesars Witwe dessen Unterlagen aushändigen und rief Soldaten in die Stadt, um die Ruhe wieder herzustellen.
Auch für einen ersten Kompromiss mit den Caesarenmördern zeichnete er verantwortlich: Marcus Antonius mobilisierte einige mutige Senatoren und hielt am 17. März eine offizielle Senatssitzung ab. Sie bestätigte alle Gesetze Caesars und schuf so Rechtssicherheit. Man erteilte den Verschwörern die gewünschte Amnestie und beschloss gleichzeitig ein öffentliches Begräbnis des Diktators.

Caesar. Denar, 44, vor Caesars Ermordung. Selten. Feine Tönung. Sehr schön. Taxe: 1.000 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 335.
Wer erinnert sich nicht an die eindrucksvolle Rede, die Shakespeare seinen Marcus Antonius bei dieser Gelegenheit halten lässt? Sie hat in unserer Phantasie die nüchternen Worte, die uns Appian überliefert, ersetzt. Tatsächlich war die Sprachgewalt des Marcus Antonius berühmt. Aber gerade erst hatte er die politisch so aufgeladene Situation beruhigt. Nutzte er wirklich zwei Tage später das Begräbnis, um das römische Volk zur Rache aufzuhetzen? Prägte nicht eher echte Trauer um einen bewunderten Förderer und Weggefährten seine Rede? Auch das werden wir nie wissen.
Fest steht, dass Marcus Antonius Caesar pries, und das obwohl er seit dem 18. März wusste, dass Caesar nicht ihn, sondern seinen Großneffen Octavianus als Erben eingesetzt hatte. Wie nahe ihm Marcus Antonius war, zeigt die Tatsache, dass er ihn als seinen Nacherben einsetzte. Sollte Octavianus etwas geschehen, würde Marcus Antonius sein Erbe antreten. Kein Wunder, dass Octavianus zunächst mit der Clique um Cicero zusammenarbeitete.
Die Provinzen zahlen die Rechnung
Trotzdem gewann die Partei um Marcus Antonius in den nächsten Monaten immer mehr Unterstützung. Brutus und Cassius begriffen, dass es einen Bürgerkrieg brauchte, um ihnen die Achtung zu verschaffen, die sie als Tyrannenmörder verdient zu haben glaubten. Aber um einen Krieg zu führen, benötigt man drei Dinge: Geld, Geld und nochmals Geld.
Wie effektiv sie sich das beschafften, treibt jedem mit Phantasie begabten Menschen die Tränen in die Augen. Die Provinzen zahlten die Rechnung. Brutus ging nach Makedonien. Ein Unterstützer zweckentfremdete 16.000 Talente – rund 96 Mio. Denare – aus der Staatskasse, damit Brutus ein Heer aufstellen konnte. Seine 7 oder 8 Legionen verschafften ihm die Kontrolle über Makedonien; Cicero das passende Amt. Damit genoss Brutus das Recht, die Bürger seiner Provinz besteuern. Er tat es ausgiebig. Und weil das Geld nicht reichte, brach er kurzerhand einen Krieg vom Zaun und plünderte die Schätze des reichen Thrakien.
Cassius tat dasselbe in Syrien und Kleinasien. Seine Masche: All die Städte, die den offiziell vom Senat ernannten Statthalter Dolabella unterstützt hatten, wurden mit Kontributionen „bestraft“. Wie das aussah, illustriert das Beispiel Tarsos, dem Cassius 1.500 Talente abforderte – eine völlig unrealistische Summe. Weder öffentliche noch private Gelder reichten, um sie zu decken. Nachdem auch das Edelmetall der Tempel eingeschmolzen war, ließ Cassius alle Bürger der Stadt in die Sklaverei verkaufen, was übrigens immer noch nicht reichte, um die 1.500 Talente zu begleichen.

M. Iunius Brutus. Denar, Mitte des Jahres 42 v. Chr., Kleinasien oder Nordgriechenland. Aus einer vor 1990 abgeschlossenen Sammlung. Sehr selten. Schön bis sehr schön. Taxe: 50.000 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 337.
Wie viel Leid und Tränen mit dem berühmtesten Münztyp der Weltgeschichte verbunden sind, mag man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Dolch und Freiheitshut auf den EID-MAR-Denaren stand eben nicht für die Freiheit, sondern stellte den Leistungsnachweis des Brutus dar. Er erhob, genauso wie Caesar es wegen der Eroberung Galliens getan hatte, auf Grund seiner überragenden Leistung den Anspruch auf eine führende Rolle in der römischen Republik.
Unsere heutige Interpretation stammt aus einem ganz anderen Zusammenhang. Die Niederländer griffen den Freiheitshut zwischen zwei Dolchen im 80-jährigen Krieg wieder auf (1568-1648). Sie interpretierten das Bild als ein Symbol für den glorreichen Kampf der Republik gegen den Tyrannen. Dank der vielen Druckerpressen und Verlage, die es in den freien Niederlanden bereits gab, verbreiteten sie ihre Version der Geschichte so effektiv, dass Intellektuelle Jahrhunderte lang der Leyenda negra auf den Leim gingen. Auch die schwarze Legende, die aus den katholischen Spaniern die Bösewichte der frühen Neuzeit machte, illustriert, in welchem Maß Fake News unser populäres Geschichtsbild prägen.
Aber zurück zum Thema. Chronologisch befinden wir uns mit diesem Denar kurz vor der Entscheidungsschlacht bei Philippi. Dank ihres brutalen Vorgehens waren die Caesarenmörder finanziell hervorragend ausgestattet. Irgendwo – entweder noch in Kleinasien oder bereits in Nordgriechenland – ließen sie Mitte des Jahres 42 v. Chr. umfangreiche Münzemissionen prägen, um sich damit die Loyalität ihrer Soldaten zu kaufen. 1.500 Denare pro Mann – ungefähr vier Jahreslöhne – ließ Brutus seinen Soldaten zahlen. Zenturios erhielten das Fünf-, Legaten das Zehnfache. Wie viel das Brutus letztendlich kostete, wissen wir nicht, aber es muss eine immense Summe gewesen sein. Allein seine Legionen hatten eine Sollstärke von 80.000 Mann. Dazu kamen 20.000 Reiter und Hilfstruppen.

Marcus Antonius. Denar, 42 v. Chr., Italien. Selten. Fast vorzüglich. Taxe: 750 Euro. Aus Auktion 419 (17. März 2025), Nr. 339
Proskriptionen und Steuern
Während Brutus und Cassius die reichsten Provinzen des römischen Imperiums ausbeuteten, versorgten sich die Triumvirn aus Italien. Triumvirn? Nun ,Octavianus hatte schnell verstanden, dass er als Erbe Caesars nicht an die Seite von dessen Gegnern, sondern an die seiner treuesten Weggefährten gehörte, die noch dazu besseren Aussichten boten. Das Resultat war ein am 27. November 43 v. Chr. erlassenes Gesetz, mit dem die Volksversammlung Marcus Antonius, Lepidus und Octavianus als triumviri rei publicae constituendae diktatorische Vollmachten verlieh.
Um die Republik wieder herzustellen, brauchten auch die Triumviren Geld. Man hat die Proskriptionen, denen unter anderem Cicero zum Opfer fiel, als Geldbeschaffungsmaßnahme identifizieren wollen. War sie das wirklich, dann war sie ein völlig ineffizientes Mittel. Da konnte man von den vielen neu eingeführten Steuern mehr erwarten. Sie gipfelten darin, dass man besonders reichen Bürgern vorschlug, sie sollten doch gleich ihr gesamtes Vermögen abgeben, um hinterher einen Teil wieder zurück zu erhalten.
Trotzdem war Marcus Antonius vor der Schlacht von Philippi nicht in der Lage, seinen Soldaten ein Donativ auszuzahlen. Hatten die Zwangssteuern zu wenig eingebracht? Oder verhinderten feindliche Schiffe, die Staatskasse über die Adria zu bringen? Jedenfalls mussten sich die Soldaten der Caesarianer mit Versprechungen begnügen. Sie gewannen die Schlacht trotzdem.

Marcus Antonius mit Octavianus. Aureus, 41 v. Chr., Ephesos. Aus einer vor 1990 abgeschlossenen Sammlung. Sehr selten. Gutes sehr schön / Sehr schön. Taxe: 12.500 Euro. Aus Auktion 419 (17. März 2025), Nr. 342.
Eine schwierige Koexistenz
Danach zog Marcus Antonius in den Osten, um dort den Krieg gegen die Parther vorzubereiten. Er machte Station in Ephesos. Dort ließ er eine umfangreiche Serie von Münzen prägen, die sein Porträt auf der Vorderseite mit wechselnden politischen Verbündeten zeigt.
In Ephesos traf er all die Klientelkönige, deren Ressourcen er für seinen Kampf gegen die Parther brauchte. Unter ihnen war Kleopatra, wegen ihres märchenhaften Reichtums die wichtigste Verbündete. Ihre Gesandtschaft war mit aller verfügbaren Pracht ausgestattet. Schließlich illustriert nach diplomatischem Brauch der Prunk die Bedeutung eines Herrschers. Spätere Historiker – und in dieser Tradition auch Hollywood – stilisierten Kleopatras Auftritt dagegen zu einer lasziven Geschmackslosigkeit, die zum Beginn einer Amour fou wurde: Der heißblütige Marcus Antonius sei einfach zu schwach gewesen, dem unglaublichen Sexappeal der Orientalin zu widerstehen. Dass die beiden erfahrenen Vollblutpolitiker auf ihre gegenseitige Unterstützung angewiesen waren, wird dabei häufig vernachlässigt.
Während Marcus Antonius seine Truppen sammelte, bereitete Octavianus die Mobilisierung von rund 50 bis 60.000 Soldaten vor. Sie nutzten ihm als Stimmvolk und militärische Reserve nur dann etwas, wenn er sie nahe Rom in Italien ansiedelte. Doch dort gab es kaum freies Land. Italische Bauern mussten ihren Besitz aufgeben, um Platz für die Soldaten zu machen.

Marcus Antonius mit Lucius Antonius. Denar 41 v. Chr. Ephesos. Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich. Taxe: 1.250 Euro. Aus Auktion 419 (17. März 2025), Nr. 345
Natürlich waren die italischen Bauern dazu nicht bereit. Lucius Antonius, amtierender Konsul und Bruder des Marcus Antonius, nahm sich ihrer an. Er mag auch die Gefahr erkannt haben, die seinem Bruder durch so viele potentielle Klienten Octavians in Italien drohte.
200.000 Mann sollen wegen der Landenteignung in Mittelitalien gekämpft haben. Der Sieg gehörte Octavian. Die Bauern wurden enteignet. Wie brutal der Krieg war, zeigt die Eroberung von Perusia. Der gesamte Stadtrat bezahlte die Unterstützung des Lucius Antonius mit dem Leben. Vier Autoren überliefern, dass Octavian den Befehl erteilte, anlässlich des 4. Jahrestages von Caesars Ermordung 300 Ritter und Senatoren am Altar des Divus Iulius hinzuschlachten. Man mag das heute nicht mehr glauben, aber die Episode illustriert, was seine Zeitgenossen dem zukünftigen Friedenskaiser zutrauten.
Lucius Antonius ging übrigens straffrei aus. Er erhielt die Statthalterschaft über Spanien. Noch wollte Octavianus Marcus Antonius lieber nicht herausfordern. Im Jahr 40 v. Chr. teilten die Triumvirn ganz offiziell die Verantwortung über das römische Reich zwischen sich auf: Marcus Antonius erhielt den Osten, Octavian den Westen und Lepidus Afrika.

Marcus Antonius mit Octavia. Aureus, 38 v. Chr., Athen(?). Aus einer vor 1990 abgeschlossenen Sammlung. Äußerst selten. Sehr schön. Taxe: 15.000 Euro. Aus Auktion 419 (17. März 2025), Nr. 344.
Das Antoninisch-Claudische Kaiserhaus
Teil des Vertrags war eine Frau, und zwar die Schwester des Augustus. Octavia war zu Beginn des Jahres 40 v. Chr. Witwe geworden. Es brauchte einen eigenen Senatsbeschluss, damit sie vor Ablauf der vorgeschriebenen Trauerzeit Marcus Antonius heiraten durfte. Natürlich war das eine politische Ehe. Nichts besonderes in Rom. Wie wichtig diese Ehe für den Reichsfrieden war, zeigt die Tatsache, dass Marcus Antonius Octavia auf seinen Münzen abbildete. Sie war damit erst die zweite Römerin, der diese Ehre zuteil wurde. Uns gilt Octavia heute als mustergültige und loyale Gattin, die sich auch nach dem Selbstmord ihres Mannes um das Schicksal ihrer beiden gemeinsamen Töchter kümmerte. Über Antonia Maior und Antonia Minor wurde Marcus Antonius nämlich Großvater des Kaisers Claudius, Urgroßvater des Kaiser Caligula und Urgroßvater resp. Ururgroßvater – einmal über die eine, dann über die andere Tochter – des Kaisers Nero. Damit waren die Kaiser der so genannten iulisch-claudischen Dynastie mindesten genauso eng mit Marcus Antonius verwandt wie mit Octavianus.
Die Parther
Im Jahr 37 v. Chr. schlossen Octavianus und Marcus Antonius ihren letzten Vertrag. Darin legten sie fest, dass Octavianus dem Marcus Antonius 20.000 Legionäre für den Partherfeldzug zur Verfügung stellten sollte. Denn trotz der Reichtümer des Ostens hatte Marcus Antonius ein Problem: Er durfte nur römische Bürger für die Legionen rekrutieren. Doch die lebten im Westen, wo Octavianus herrschte. Zum Ausgleich übergab Marcus Antonius dem Octavian 120 Kriegsschiffe, um sie im Kampf gegen Sextus Pompeius einzusetzen. Das entsprach fast der halben Flotte, mit der Agrippa 36 v. Chr. den entscheidenden Sieg errang. Marcus Antonius dagegen wartete vergebens auf die 20.000 versprochenen Legionäre.

Caracalla. Aureus, 201-206 auf den Sieg gegen die Parther. Sehr selten. Fast Stempelglanz. Taxe: 20.000 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 504.
Ob es die fehlenden Soldaten waren, die für die vernichtende Niederlage verantwortlich waren, die Marcus Antonius gegen die Parther erlitt? War es ein Verrat des armenischen Königs? Oder die römische Hybris, die einfach nicht begreifen wollte, dass es sich bei den Parthern um eine ebenbürtige Weltmacht handelte, die noch Generationen später mit Rom kämpfte?
Jedenfalls kehrte Marcus Antonius im Januar 35 v. Chr. von seinem Feldzug mit einem dezimierten und völlig demoralisierten Heer zurück. Es wird von heutigen Historikern als strategische Meisterleistung gerühmt, dass es ihm überhaupt gelang, seine Truppen einigermaßen geordnet zurückzuziehen. Und während Marcus Antonius in Sidon seine Wunden leckte, führte ihm Octavia auf Befehl ihres Bruders 2.000 Legionäre zu. 2.000! Nicht die versprochenen 20.000! Nach dem Feldzug! Nicht, wie versprochen, davor!
Wir wissen, wie Marcus Antonius auf diese Farce einer Hilfeleistung reagierte. Er sandte Octavia den Scheidungsbrief, kündigte damit das Bündnis und heiratete Kleopatra, die nie gezögert hatte, ihm ihre Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Damit lieferte Marcus Antonius dem Octavianus einen Freibrief, seinen Ruf in Rom systematisch zu unterminieren. Aus dem loyalsten und fähigsten Anhänger Caesars wurde dank brillanter Propaganda ein orientalischer Lustmolch, den eine verweichlichte Königin in ihren Fängen hielt.

Marcus Antonius und Antyllus. Aureus, 34 v. Chr., syrische oder armenische Münzstätte. Aus Auktion MMAG 25 (1962), Nr. 586. Äußerst selten. Sehr schön. Taxe: 30.000 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 346.
Dass Marcus Antonius alles andere war als das, zeigen seine logistischen Meisterleistungen. Innert eines einzigen Jahres war sein Heer in der Lage, nach Armenien zu ziehen, um dessen König wegen seines Verrats zu bestrafen. Marcus Antonius feierte diesen Sieg mit einem großen Fest in Alexandria. Octavian erklärte auch das zum Skandal: Marcus Antonius habe einen Triumpf gefeiert, ohne dem Iuppiter Optimus Maximus die Ehre zu erweisen, ohne den Senat zu befragen (und ohne den römischen Bürgern die üblichen Geschenke auszuteilen). Historiker glauben heute, dass sich Marcus Antonius an die Regeln hielt und nicht als Triumphator, sondern als neuer Dionysos in Alexandria einzog. Aber wen interessierte das in Rom?
Im Jahr dieses Sieges wurde in einer syrischen oder armenischen Münzstätte ein Aureus geprägt, der das Porträt des Marcus Antonius mit dem seines Sohnes Antyllus kombinierte. Dieser Antyllus, der eigentlich mit Julia, der Tochter Octavians verlobt war, kam nach dem Bruch zwischen Octavian und Marcus Antonius in den Osten. Er sollte nur 17 Jahre alt werden. Octavian ließ ihn nach seinem Sieg hinrichten – genauso wie den etwa gleichaltrigen Kaisarion, den einzigen leiblichen Sohn Caesars.

Marcus Antonius. Legionsdenar 32/31 Patras(?). Vorzüglich. Taxe: 400 Euro. Aus Auktion Künker 419 (17. März 2025), Nr. 340.
Der Endkampf
Damit sind wir beim Endkampf um die Macht angekommen. Stolz schreibt Octavianus in seinem Tatenbericht, dass ganz Italien aus freien Stücken den Eid auf ihn abgelegt und ihn ausdrücklich als Führer im Kampf gefordert habe. Nun ja, immerhin hatte Marcus Antonius selbst zu diesem Zeitpunkt noch genug Anhänger in Rom, dass 300 Senatoren – ein Drittel des Senats – das Versprechen auf freien Abzug nutzten, um sich zu Marcus Antonius in den Osten zu begeben.
Wir alle wissen, wie die Schlacht von Actium endete. Der Rückzug des Marcus Antonius mit der ägyptischen Flotte wirkte auf seine Legionäre wie eine Flucht. Sie fühlten sich im Stich gelassen und liefen in Scharen zu Octavianus über. Damit war der Krieg zu Ende, die Eroberung Alexandrias eine Frage der Zeit.
Der Rest ist zum Mythos geworden: Marcus Antonius stürzte sich in sein Schwert, Kleopatra tötete sich mit einem Schlangenbiss. Augustus ließ beide nebeneinander beisetzen. Nicht weil ihn das Schicksal des Liebespaares gerührt hätte, sondern weil es zu seiner eigenen Version der Geschichte passte: Der Römer Marcus Antonius wurde so zum Ägypter. Wen interessierte da noch, dass er ihm durch seinen Verrat keine andere Wahl gelassen hatte?
Literatur
- Hermann Bengtson, Marcus Antonius. Triumvir und Herrscher des Ostens. München (1977)
- Bernhard Woytek, Arma et Nummi. Forschungen zur römischen Finanzgeschichte und Münzprägung der Jahre 49 bis 42 v. Chr. Wien (2003)