alle Hintergrundartikel

Frauen auf Gedenkmünzen: Ein langer Weg zu echter Gleichberechtigung

Von Sebastian Wieschowski

Das Bundesministerium der Finanzen erklärte anlässlich der Bekanntgabe der neuen Prägereihe, dass „herausragende weibliche Persönlichkeiten und deren Lebensleistungen gewürdigt“ werden sollen – ein überfälliger Move, denn bisher waren Frauen auf deutschen Sammlermünzen eine Randgruppe.

Inhalt

Auftakt zu einer neuen Münzenserie: „Prägende Frauen“. Foto: Künstler: Jordi Truxa, Fotograf: Hans-Joachim Wuthenow, Hintergrund: Jacob Lund via Canva Pro.

Auftakt zu einer neuen Münzenserie: „Prägende Frauen“. Foto: Künstler: Jordi Truxa, Fotograf: Hans-Joachim Wuthenow, Hintergrund: Jacob Lund via Canva Pro.

Auf den 5-DM-Gedenkmünzen der Bundesrepublik Deutschland war keine einzige Frau vertreten. Erst am 3. Juli 1992 wurde mit einer 10-DM-Silbermünze zum 125. Geburtstag von Käthe Kollwitz erstmals eine weibliche Persönlichkeit auf einer bundesdeutschen Gedenkmünze gewürdigt. Bis zur Einführung des Euro folgte lediglich eine weitere Frau: 1998 erschien eine Gedenkmünze zu Ehren von Hildegard von Bingen anlässlich ihres 900. Geburtstags. In der Euro-Ära wurde erst 2005 wieder eine Frau auf einer deutschen Gedenkmünze abgebildet – Bertha von Suttner, die anlässlich des 100. Jahrestages ihres Friedensnobelpreises auf einer Silbermünze verewigt wurde.

Weibliche Persönlichkeiten – eine Randerscheinung auf Gedenkmünzen

Insgesamt bleibt die Präsenz weiblicher Persönlichkeiten auf deutschen Gedenkmünzen bis heute überschaubar: Elisabeth von Thüringen im Jahr 2007, Marion Gräfin Dönhoff im Jahr 2009, die Frauenfußball-WM in Deutschland im Jahr 2011 – danach kam bis zur Einstellung der 10-Euro-Gedenkmünzen keine weitere Frau auf deutsche Gedenkmünzen. Nach der 20-Euro-Gedenkmünze zu Ehren von Nelly Sachs im Jahr 2016 setzte die Bundesregierung erst 2019 wieder ein numismatisches Statement für die Gleichberechtigung in Form einer 20-Euro-Münze zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Durchschnittlich wird also etwa alle zwei Jahre eine Frau auf deutschen Gedenkmünzen gewürdigt – wenn überhaupt.

10-DM-Gedenkmünze zu Ehren von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1992. Foto: Wieschowski.

10-DM-Gedenkmünze zu Ehren von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1992. Foto: Wieschowski.

Diese Taktfrequenz soll sich in den kommenden Jahren ändern: Im Jahr 2025 erinnert eine Münze an das 50-jährige Jubiläum des Internationalen Jahres der Frau, das die Gleichberechtigung und Rechte von Frauen weltweit in den Fokus rückte. Ebenfalls 2025 wird Elly Heuss-Knapp gewürdigt, die sich als Gründerin des Müttergenesungswerks für die gesundheitliche Erholung von Müttern einsetzte.

2026 folgt eine Münze zu Elisabeth Schwarzhaupt, die als erste Bundesministerin Deutschlands die Gleichstellungspolitik maßgeblich prägte. Im Jahr 2027 steht die Rockmusikerin Tamara Danz, die als Frontfrau der DDR-Band „Silly“ bekannt wurde, im Mittelpunkt.

2028 wird eine Münze zu Astrid Lindgren erscheinen, der weltberühmten Kinderbuchautorin, die mit Figuren wie Pippi Langstrumpf Generationen von Leserinnen und Lesern begeisterte. Ein Jahr später, 2029, erinnert eine Münze an Anne Frank, deren Tagebuch zu einem der wichtigsten Zeugnisse der NS-Zeit wurde.

Marlene Dietrich, die als Schauspielerin und Sängerin internationale Berühmtheit erlangte und sich gegen das NS-Regime stellte, wird 2030 auf einer Münze gewürdigt. 2031 folgt die Philosophin Hannah Arendt, die mit ihren Analysen zur totalitären Herrschaft und politischen Theorie weltweite Beachtung fand.

Die Physikerin und Chemikerin Marie Curie, die als erste Frau einen Nobelpreis erhielt und bahnbrechende Entdeckungen zur Radioaktivität machte, wird 2032 geehrt. Ein Jahr später, 2033, folgt eine Münze zu Bertha von Suttner, die als Friedensaktivistin und erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin in die Geschichte einging.

2034 werden die Mütter des Grundgesetzes, jene Frauen, die an der Ausarbeitung des deutschen Grundgesetzes beteiligt waren, mit einer Münze gewürdigt. Abschließend erscheint 2035 eine Münze zu Elly Beinhorn, die als Pionierin der Luftfahrt mit spektakulären Langstreckenflügen beeindruckte.

Prägende Frauen: War die Auswahl wirklich clever?

Gibt es nun wirklich Grund zum Feiern? Durchaus – doch es gibt bei einem genaueren Blick auf die Auswahl der Frauen, die bisher auf deutschen Gedenkmünzen gewürdigt werden auch Anlass zur Kritik. So könnte man den Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium eine Überbetonung traditioneller Frauenrollen unterstellen. Viele der bislang gewürdigten Frauen sind Künstlerinnen, Schriftstellerinnen oder im sozialen Bereich tätig gewesen (z. B. Käthe Kollwitz, Marion Gräfin Dönhoff, Hildegard von Bingen, Nelly Sachs, Elly Heuss-Knapp). Diese Auswahl spiegelt klassische Frauenbilder wider, in denen Frauen vorrangig als fürsorglich, kreativ oder moralisch prägend dargestellt werden. Weniger vertreten waren bisher Frauen, die in männerdominierten Feldern tätig waren, wie Naturwissenschaften, Technik oder Wirtschaft.

10-DM-Gedenkmünze zu Ehren von Hildegard von Bingen aus dem Jahr 1998. Foto: Wieschowski.

10-DM-Gedenkmünze zu Ehren von Hildegard von Bingen aus dem Jahr 1998. Foto: Wieschowski.

Auffällig ist zudem, dass bisher kaum Frauen mit politischer Macht oder Entscheidungsgewalt gewürdigt wurden: In der bisherigen Auswahl fehlt es an Politikerinnen, die aktiv an der Gestaltung von Staat und Gesellschaft mitgewirkt haben. Die geplante Ehrung von Elisabeth Schwarzhaupt (erste Bundesministerin Deutschlands) ist ein Fortschritt, doch es gibt viele weitere bedeutende Politikerinnen, die nicht berücksichtigt wurden, z. B. Helene Weber, Annemarie Renger. Der Fairness halber sollte man erwähnen, dass viele geeignete Kandidatinnen wie Rita Süssmuth oder Angela Merkel wohl noch ein paar Jahre warten müssen, bis ihnen numismatische Ehren zuteil werden – denn es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, wonach lebende Persönlichkeiten nicht auf Münzen abgebildet werden. Doch eines ist festzuhalten: Während viele männliche Staatsmänner und Bundeskanzler auf Münzen verewigt wurden, fehlt eine vergleichbare Würdigung weiblicher Führungspersönlichkeiten.

Wo sind die Frauen aus Wirtschaft und Politik?

Neben der Politik gibt es jedoch noch zahlreiche weitere Felder des öffentlichen Lebens, die bisher ausgespart wurden – beispielsweise fehlende Wirtschaftspionierinnen und Unternehmerinnen. Bislang wurden keine Frauen aus der Wirtschaft oder Industrie auf deutschen Gedenkmünzen geehrt. Dabei gäbe es bedeutende Persönlichkeiten wie Melitta Bentz (Erfinderin des Kaffeefilters) oder Margarete Steiff (Begründerin der Steiff-Spielwaren). Ihre Leistungen sind vergleichbar mit zahlreichen männlichen Erfindern und Unternehmern, die regelmäßig auf Münzen erscheinen.

Bertha von Suttner: Die erste Frau auf einer 10-Euro-Gedenkmünze im Jahr 2005. Foto: Wieschowski.

Bertha von Suttner: Die erste Frau auf einer 10-Euro-Gedenkmünze im Jahr 2005. Foto: Wieschowski.

Auch Sportlerinnen bleiben eine Randerscheinung. Mit Ausnahme der Münze zur Frauenfußball-WM 2011 gibt es keine direkte Würdigung von Sportlerinnen. Bedeutende Athletinnen wie Katarina Witt (Eiskunstlauf), Birgit Fischer (Kanu-Olympiasiegerin) oder Steffi Graf (Tennis-Legende) fehlen bislang völlig – spätestens beim Thema „Sport“ wäre es an der Zeit, über Ausnahmen von der „Keine numismatische Würdigung zu Lebzeiten“-Regel nachzudenken.

Zudem waren bisher Musikerinnen und Popkultur wenig vertreten. Die geplante Münze zu Tamara Danz im Jahr 2027 ist eine Ausnahme und vor allem deshalb möglich, weil die Sängerin der DDR-Rockband „Silly“ im Jahr 1996 viel zu früh verstorben ist und bis heute ausreichend Zeit vergangen ist, um sie auf eine Gedenkmünze zu bringen. Nun wäre es zu viel verlangt, Persönlichkeiten wie Nina Hagen, Ute Lemper oder Annett Louisan in Silber oder gar Gold zu würdigen, doch im Gegensatz dazu wurden männliche Musiker häufiger ausgewählt – insbesondere klassische Komponisten wie Bach oder Beethoven.

10-Euro-Gedenkmünze zum 100. Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff im Jahr 2009. Foto: Wieschowski.

10-Euro-Gedenkmünze zum 100. Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff im Jahr 2009. Foto: Wieschowski.

Doch geht es auch anders? Es gibt durchaus einige gelungene internationale Vorbilder für eine diversere Auswahl. In den USA ehrt das „American Women Quarters Program“ Frauen aus verschiedenen Bereichen, darunter Maya Angelou (Schriftstellerin), Sally Ride (erste US-Astronautin) und Wilma Mankiller (erste weibliche Cherokee-Häuptlingin). In Frankreich wurden gerade erst drei Frauen, nämlich Simone Veil (Politikerin), Marie Curie (Wissenschaftlerin) und Joséphine Baker (Entertainerin und Widerstandskämpferin) auf den regulären Umlaufmünzen zu 10, 20 und 50 Cent verewigt und werden dementsprechend künftig im täglichen Geldverkehr anzutreffen sein – ein starkes Statement. In Großbritannien hat die Royal Mint beispielsweise Florence Nightingale (Pflege-Pionierin), Beatrix Potter (Kinderbuchautorin) und Rosalind Franklin (DNA-Forscherin) geehrt.

Insbesondere das „American Women Quarters Program“ (AWQ) der US Mint ist ein Beispiel, das durchaus als Inspiration für weitere Münzenserien in Deutschland dienen könnte. Die Serie startete 2022 und läuft bis 2025. Jedes Jahr erscheinen fünf neue Vierteldollar-Münzen, die herausragende Frauen aus verschiedenen Bereichen der US-Geschichte ehren. Die US Mint hat sich bewusst für eine breite Auswahl an Frauen aus verschiedenen Bereichen entschieden. Dabei wurden nicht nur klassische Rollen wie Künstlerinnen oder Schriftstellerinnen berücksichtigt, sondern auch Frauen aus Wissenschaft, Politik, Sport und sozialen Bewegungen. Die USA zeigen also, dass Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen große Leistungen vollbracht haben – und nicht nur aus Kunst oder Sozialwesen.

10-Euro-Gedenkmünze zur Frauen-Fußball-WM in Deutschland im Jahr 2011. Foto: Wieschowski.

10-Euro-Gedenkmünze zur Frauen-Fußball-WM in Deutschland im Jahr 2011. Foto: Wieschowski.

Zudem sind die Women Quarter ein mustergültiges Beispiel für Inklusivität und Repräsentation. Die Münzen sind bewusst divers: Sie ehren Frauen aus unterschiedlichen ethnischen, sozialen und kulturellen Hintergründen. Afroamerikanische, indigene, asiatisch-amerikanische und lateinamerikanische Frauen sind Teil der Serie – eine bewusste Entscheidung, um die gesamte US-Geschichte abzubilden. Die Serie erzählt also nicht nur die Geschichte der „bekannten Gesichter“, sondern auch die Geschichten von Frauen, die sonst oft übersehen werden.

Münzen erzählen Geschichten

Ganz besonders das starke Storytelling durch die US Mint wäre ein wünschenswerter Ansatz in Deutschland. Während hierzulande die Gedenkmünzen allzu oft wie staatliche Pflichtaufgaben daherkommen, nutzt die US Mint die Münzen als Plattform für eine größere Geschichte. Sie erzählt nicht nur, wer auf den Münzen ist, sondern auch warum diese Frauen wichtig sind. Dies geschieht auf mehreren Ebenen: Zu allererst mit detaillierten Biografien und Bildungsangeboten. Jede Münze wird auf der Website mit einer ausführlichen Biografie und historischen Kontext versehen. Es gibt Lehrmaterialien für Schulen, um Münzen als Geschichtsvermittler zu nutzen.

Käthe Kollwitz wurde auf einer der ersten Gedenkmünzen der DDR gewürdigt. Foto: Wieschowski

Käthe Kollwitz wurde auf einer der ersten Gedenkmünzen der DDR gewürdigt. Foto: Wieschowski

Dazu kommt die visuelle Gestaltung mit Symbolkraft. Jede Frau wird mit ikonischen Symbolen oder Momenten aus ihrem Leben dargestellt. Nur ein Beispiel: Maya Angelou wird mit ausgebreiteten Armen und einem fliegenden Vogel gezeigt – eine Referenz an ihr berühmtes Werk I Know Why the Caged Bird Sings. Die Motive wirken locker, leicht – und oft sogar ziemlich cool. Dadurch sprechen sie auch Zielgruppen an, die sonst nicht viel mit Sammlermünzen zu tun haben.

Währenddessen ist die deutsche Gedenkmünzenserie „Prägende Frauen“ ein Schritt in die richtige Richtung. Doch es könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass Frauen nun „nachträglich“ in die deutsche Numismatik aufgenommen werden, anstatt von Beginn an selbstverständlich Teil der Münzgestaltung zu sein. Eine gleichmäßigere Verteilung über die Jahrzehnte hinweg wäre wünschenswert gewesen, anstatt einer plötzlichen Häufung in den nächsten Jahren.

Die üblichen Verdächtigen

Doch es bleibt zu hoffen, dass die Serie „Prägenden Frauen“ nur der Auftakt sein wird für echte Gleichberechtigung bei der Themenwahl für deutsche Gedenkmünzen. Ob es die Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium ernst meinen, wird sich schon bald in der 2-Euro-Gedenkmünzen-Serie „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zeigen. Darin wird 2026 ein alter Bekannter (mal wieder) auf eine Umlaufmünze gebracht: Konrad Adenauer.

5 Mark Münze zum Internationalen Jahr der Frau in der DDR. Foto: Wieschowski

5 Mark Münze zum Internationalen Jahr der Frau in der DDR. Foto: Wieschowski

Immerhin ist das Thema „Gleichberechtigung“ nicht neu – daran erinnert auch der Weltfrauentag, der in dieser Woche gefeiert wird. Er hat seine Wurzeln in der Arbeiterinnenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Inspiriert von Protesten für bessere Arbeitsbedingungen und das Frauenwahlrecht in den USA, wurde er erstmals 1911 in mehreren europäischen Ländern begangen, unter anderem in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Dänemark. Ins Leben gerufen wurde der Tag maßgeblich durch die deutsche Sozialistin Clara Zetkin, die auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 vorschlug, einen internationalen Aktionstag für Frauenrechte einzuführen. Apropos Clara Zetkin – warum ist ausgerechnet die Mutter des Weltfrauentags nicht in der Serie „Prägende Frauen“ vertreten? Womöglich weil sie bereits durch die SED-Propaganda ausgiebig vereinnahmt wurde und nicht nur auf einer Gedenkmünze, sondern sogar auf den 10-Mark-Scheinen der DDR zu sehen war.

Nichts mehr verpassen?

NEWSLETTER HIER ABONNIEREN