Fälschungserkennung: Eine manipulierte 20-Mark-Münze aus Preußen
von Ben Wengel, Senior Grading Finalizer für Weltmünzen bei NGC
Bei diesem Artikel handelt es sich um die Übersetzung eines Beitrags, der am 13. Februar 2024 erstmals auf der Website von NGC veröffentlicht wurde.
Die 20-Mark-Goldmünze von Wilhelm II. von Preußen ist die letzte Goldmünze des Deutschen Kaiserreichs. Von 1913 bis 1915 sollen jährlich mehr als eine Million Normalprägungen dieses Münztyps ausgegeben worden sein. Die Prägungen sind bei Sammlern sehr beliebt und auch diejenigen, die physisches Gold zu geringen Aufschlägen im Vergleich zum Materialwert erwerben wollen, schätzen die Stücke sehr.
Zieht man den Standard Catalog of World Coins zu Rate, so sollte man annehmen, dass es bei diesen Prägungen keine besonderen Jahrgänge gibt und dass die Münzen aller drei Jahre mehr oder weniger häufig sind und bei gleicher Erhaltung zu ähnlichen Preisen gehandelt werden. Der einzige Hinweis darauf, dass Münzen des Jahres 1915 begehrter sein könnten, besteht darin, dass diese Münzen in Stempelglanz im Vergleich zu Stücken der Jahre 1913 und 1914 eine gute, wenn auch nicht immense Wertsteigerung erfahren haben. Und doch sind die Prägungen von 1915 trotz einer Auflage von 1.268.055 Stück seltener und somit schwerer zu finden. Daher erzielen sie hohe Zuschläge, wenn sie doch einmal unter den Hammer kommen.
Die öffentlich zugängliche Datenbank von NGC (der NGC Census) zeigt, dass bisher nur 23 Exemplare der preußischen 20-Mark-Münze von 1915 von NGC gegradet wurden. Ein anderes großes Grading-Unternehmen hat lediglich 12 Exemplare untersucht. Bei allen 35 Münzen handelt es sich um Exemplare in Stempelglanz. Das ist eine sehr geringe Zahl im Vergleich zu den 586 Münzen des Jahrgangs 1914, die von NGC gegradet wurden.
Vermutlich ist der Erste Weltkrieg der Grund für die Seltenheit dieser Münzen. Deutschland hob im Jahr 1914 den Goldstandard auf und die Goldmünzen verschwanden Stück aus dem Zahlungsverkehr. Möglicherweise nutzte Deutschland viele dieser preußischen 20-Mark-Münzen von 1915, um nach Kriegsende Reparationszahlungen an die Siegermächte zu leisten, die die Münzen wiederrum in großen Mengen einschmolzen. Was auch immer der Grund für die Seltenheit der Münzen von 1915 sein mag, hier liegt jedenfalls die Ursache für Täuschungs- und Fälschungsversuche dieses Jahrgangs.
Kürzlich wurde bei NGC eine manipulierte Münze von 1915 untersucht, die einen äußerst geschickten Täuschungsversuch darstellt. Durch den Einsatz von Hochleistungsvergrößerung und forensischem Stempelabgleich kam NGC zu dem Schluss, dass es sich bei der eingereichten Münze tatsächlich um eine manipulierte Münze desselben Typs aus dem Jahr 1913 handelte.
Trotz des gekonnt ausgeführten Versuchs, die „3“ in eine „5“ zu verwandeln, gab es einige Hinweise, die den erfahrenen Numismatiker darauf aufmerksam machen sollten, dass mit dieser Münze etwas nicht stimmt. Schon in der Hand konnte auf den ersten Blick festgestellt werden, dass die Münze gereinigt wurde und, was noch wichtiger ist, dass diese Reinigung auf der Rückseite um das Datum herum durchgeführt wurde. Das allein ist zwar kein Beweis dafür, dass das Jahr verändert wurde, doch Münzmanipulierer reinigen oder bearbeiten Münzen oft, um einen Riss zu verbergen oder Farbveränderungen abzumildern, die aus dem Austausch oder der Beschädigung des Metalls resultieren, oder um ihre Täuschungsversuche auf andere Weise zu verschleiern. Daher wurde die Münze näher mit einem Vergrößerungsglas untersucht und hochauflösende Bilder von echten Münzen des Jahrgangs 1915 zu Vergleichszwecken herangezogen.
Schaut man sich die Form der „5“ und den die Zahl umgebenden Bereich genau an, können Anzeichen von Metallbeschädigungen in den Feldern unmittelbar um die Zahl herum ausgemacht werden. Diese Anzeichen sind bei keiner anderen Ziffer des Datums auf dieser Münze vorhanden. Vergleicht man die Münze mit echten Exemplaren des Jahrgangs 1915, fällt ein subtiler, aber dennoch bedeutsamer Unterschied zwischen den Ziffern auf – die Position des Halbkreises der „5“ und die Menge an Platz, die der Bereich unterhalb und direkt links des Halbkreises einnimmt.
Diese Beobachtungen waren besorgniserregend. Daher wurde mit der Methode des „forensischen Stempelabgleichs“ versucht, die vermeintliche Münze von 1915 mit einem der für die üblicheren Jahrgänge verwendeten Stempel in Verbindung zu bringen. So könnte bewiesen werden, dass die bei NGC eingereichte Münze manipuliert wurde. Glücklicherweise zeigte die Münze eindeutige Hinweise darauf, mit welchem Stempel sie geprägt worden war. Das machte das Verfahren deutlich weniger aufwändig. Die Münze zeigte leichte, aber dennoch sichtbare Spuren eines Stempelbruchs in der Aufschrift auf der Vorderseite „DEUTSCHER KAISER“:
Die Experten machten sich unmittelbar daran, Exemplare mit demselben Stempelbruch aus dem Jahr 1913 zu suchen, da es für einen Fälscher weniger aufwändig wäre, eine „3“ in eine „5“ zu verwandeln, als eine „4“ in eine „5“. Schnell konnten Münzen des Jahres 1913 mit demselben Stempelbruch gefunden werden und es wurde bestätigt, dass es sich um dieselben Stempelmerkmale handelt. Nach weiteren Untersuchungen wurde klar, dass die anfänglichen Bedenken hinsichtlich des Datums der bei NGC eingereichten Münze begründet waren.
Münzen mit manipulierter Jahreszahl sind besonders überzeugende Täuschungen, da die Münze selbst echt ist und nur ein kleines, auf einen sehr engen Raum begrenztes Detail verändert wurde. So können vermeintlich seltene oder begehrenswerte Münze geschaffen werden, die auf den ersten Blick echt erscheinen. Je nachdem, wie talentiert der Münzfälscher vorgeht, ist viel Liebe zum Detail, der Zugang zu zahlreichen Bildern und/oder die Fähigkeit, einzigartige Merkmale eines einzelnen Münzstempels zu identifizieren und mit anderen Exemplaren zu vergleichen, notwendig, um die Täuschung zu entlarven. Die Experten bei NGC sind mit diesen Techniken bestens vertraut. Daher verließ die Münze den Grading-Saal mit einem Etikett, das sie als das auswies, was sie wirklich war: eine Münze mit manipulierter Jahreszahl.
Der Autor Ben Wengel ist als Senior Grading Finalizer für Weltmünzen bei NGC tätig.