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Eine Gedenkmünze auf die Vollendung der Österreichischen Südbahn

Gedenkmünzen waren im 19. Jahrhundert eine seltene Erscheinung. In den ersten 25 Jahren der Herrschaft von Kaiser Franz Joseph gab es nur zwei Anlässe, die er mit einer Gedenkmünze würdigte: Seine Hochzeit mit „Sisi“ und eben die – wie auf der Münze selbst zu lesen – Vollendung der Oesterreichischen Südbahn 1857. Jeder Zeitzeuge, der 1857 von dieser Gedenkmünze erfuhr, konnte einschätzen, welch hohe Priorität dieses Projekt für das Habsburgerreich hatte.

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Ausschnitt aus „Der letzte Viadukt vor der Einfahrt in den Bahnhof von Triest.“ SLUB Dresden. Public Domain Mark 1.0. PPN 337170053. Davor: Doppelter Vereinstaler 1857. Aus Auktion Künker 308, Nr. 471.

Ausschnitt aus „Der letzte Viadukt vor der Einfahrt in den Bahnhof von Triest.“ SLUB Dresden. Public Domain Mark 1.0. PPN 337170053. Davor: Doppelter Vereinstaler 1857. Aus Auktion Künker 308, Nr. 471.

Wir dürfen deshalb diese Gedenkmünze auf keinen Fall aus dem Blickwinkel der modernen Gedenkmünzenprägung sehen. Während heute eher der Sammler, seine Bedürfnisse und das Gewinnstreben von Münzstätte und / oder Staat im Mittelpunkt stehen, hatten Gedenkmünzen damals im Zeremoniell einen festen Platz. Welcher das war, das wollen wir an diesem Beispiel zeigen.

Doppelter Vereinstaler 1857, Wiener Hauptmünzamt. Nur 1.644 Exemplare geprägt. Prachtexemplar aus polierten Stempeln. Fast Stempelglanz. Schätzung: 4.000 Euro. Aus einer rheinischen Privatsammlung. Aus Auktion Künker 308 (18.-19. Juni 2024), Nr. 470.

Doppelter Vereinstaler 1857, Wiener Hauptmünzamt. Nur 1.644 Exemplare geprägt. Prachtexemplar aus polierten Stempeln. Fast Stempelglanz. Schätzung: 4.000 Euro. Aus einer rheinischen Privatsammlung. Aus Auktion Künker 308 (18.-19. Juni 2024), Nr. 470.

Die Münze „Vollendung der Österreichischen Südbahn“

Die Vorderseite zeigt den Kopf des Kaisers mit Lorbeerkranz n. r., umgeben von der deutschen Umschrift Franz Joseph I. von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich. Das A steht für das Wiener Hauptmünzamt. Die kleinen Initialen C.R. weisen auf den Medailleur Carl Radnitzky hin.

Doppelter Vereinstaler 1857, Wiener Hauptmünzamt. Nur 1.644 Exemplare geprägt. Prachtexemplar aus polierten Stempeln. Fast Stempelglanz. Schätzung: 4.000 Euro Aus einer rheinischen Privatsammlung. Aus Auktion Künker 308 (18.-19. Juni 2024), Nr. 471.

Doppelter Vereinstaler 1857, Wiener Hauptmünzamt. Nur 1.644 Exemplare geprägt. Prachtexemplar aus polierten Stempeln. Fast Stempelglanz. Schätzung: 4.000 Euro Aus einer rheinischen Privatsammlung. Aus Auktion Künker 308 (18.-19. Juni 2024), Nr. 471.

Sammler unterscheiden heute zwei Varianten dieser Gedenkmünze, und zwar je nachdem wohin das oberste Blatt des Lorbeerkranzes weist: Auf das K wie beim vorherigen Stück oder auf das A wie bei diesem Exemplar.

Der Leuchtturm von Triest auf einer Zeichnung aus dem Jahr 1854.

Der Leuchtturm von Triest auf einer Zeichnung aus dem Jahr 1854.

Die Rückseite ist bei beiden Varianten gleich. Hier lesen wir mit 2 Vereinsthaler das Nominal, also den Wert der Münze. Bildbeherrschend ist ein Leuchtturm, der vom Habsburger Doppeladler bekrönt wird. Es handelt sich um den Leuchtturm des alten Hafens von Triest, und zwar um die so genannte Laterne – nicht zu verwechseln mit dem erst nach dem Ersten Weltkrieg erbauten Faro della Vittoria.

Raddampfer des österreichischen Lloyd um 1860.

Raddampfer des österreichischen Lloyd um 1860.

Genauso bildet die Münze nicht irgendein Schiff rechts oben ab, sondern einen Raddampfer, wie ihn die Dampfschifffahrtsgesellschaft des Österreichischen Lloyds betrieb. Dieses 1832 gegründete Konsortium besaß Dampfschiffe, die sowohl Donau, Po, Lago Maggiore, aber auch Mittelmeer und Atlantik befuhren. Ab Triest bot der Lloyd einen Linienverkehr entlang der dalmatischen Küste an, aber auch bis nach Griechenland, in die Türkei, die Levante und selbst nach Ägypten. Später kamen sogar Übersee-Dampfer mit Destinationen wie Singapur und Hongkong dazu.

Wahrscheinlich ist auf der Münze das Vorgängermodell zur Dampflokomotive SB 23 zu sehen, wie sie in der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik hergestellt wurden.

Wahrscheinlich ist auf der Münze das Vorgängermodell zur Dampflokomotive SB 23 zu sehen, wie sie in der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik hergestellt wurden.

Gegenüber auf der linken Seite sehen wir eine Dampflokomotive, gemäß freundlicher Auskunft von Michael Autengruber wahrscheinlich das Vorgängermodell zur Dampflokomotive SB 23. Mit leistungsstarken Lokomotiven wie dieser wurde es für schwere Güterzüge möglich, die steilen Alpenpässe des Semmering zu überwinden.

Mit dieser Gegenüberstellung von Lokomotive und Dampfschiff thematisiert das Münzbild eine Tatsache, die für das österreichische Kaiserreich von enormer Bedeutung war: Die Südbahn war der Anschluss der Hauptstadt Wien ans Mittelmeer und damit an die weite Welt. Das beschleunigte den Waren-, aber auch den Personenverkehr enorm. So stehen die beiden Wappen für Wien (unter der Lokomotive) und für Triest (unter dem Dampfschiff).

Plakat der Südbahn-Gesellschaft aus dem Jahr 1898, das für die direkte Zugverbindung von Wien nach Triest wirbt.

Plakat der Südbahn-Gesellschaft aus dem Jahr 1898, das für die direkte Zugverbindung von Wien nach Triest wirbt.

Warum wurde die Österreichische Südbahn gebaut?

Schon als 1841 die erste Teilstrecke der geplanten Südbahn in Betrieb genommen wurde, entdeckten die Wiener das Potential, das ihnen die Eisenbahn zur Freizeitgestaltung bot. Dabei war der Tourismus das letzte, an das Kaiser Franz Joseph dachte, wenn er sich für den Eisenbahnbau einsetzte. Dass während seiner Regierungszeit beinahe alle Strecken des heutigen österreichischen Eisenbahnnetzes entstanden, hatte in erster Linie handelspolitische Gründe. Die Industrie im gesamten Habsburgerreich profitierte von sicheren, regelmäßigen und relativ günstigen Transportmöglichkeiten.
Mindestens genauso wichtig waren aber militärische Überlegungen. Die Eisenbahn etablierte sich weltweit als das Transportmittel der Wahl, wenn schnelle Truppenverschiebungen vorgenommen werden sollten. Da sich Venedig während der Revolution von 1848 als unzuverlässig erwiesen hatte, suchte Franz Joseph nach einem Ersatz. Triest bot sich an. Doch eine sichere und schnelle Verbindung zwischen Kernland und Hafen fehlte. Sie musste neu entstehen. Dass die Bahntrasse auf unangreifbarem Boden verlief, war von existentieller Bedeutung. Deshalb entschied man, die Gleise nicht, wie ursprünglich vorgesehen, durch die ungarische Tiefebene zu verlegen. Dies wäre zwar wesentlich günstiger gewesen, doch auch die Magyaren waren 1848 von Habsburg abgefallen. Deshalb entschied sich die österreichische Regierung für die Streckenführung über die Alpen. Das war eine technische Meisterleistung. Die Semmeringbahn, heute UNESCO-Weltkulturerbe, gilt zu Recht als Meilenstein der Eisenbahngeschichte.

Der letzte Viadukt vor der Einfahrt in den Bahnhof von Triest. Aus dem Album: Zur Erinnerung an die Eröffnung der Staats-Eisenbahn von Laibach bis Triest unter den Allerhöchsten Auspicien Seiner k. k. apost. Majestät des Kaiser Franz Josef I. von 1857. SLUB Dresden. Public Domain Mark 1.0. PPN 337170053.

Der letzte Viadukt vor der Einfahrt in den Bahnhof von Triest. Aus dem Album: Zur Erinnerung an die Eröffnung der Staats-Eisenbahn von Laibach bis Triest unter den Allerhöchsten Auspicien Seiner k. k. apost. Majestät des Kaiser Franz Josef I. von 1857. SLUB Dresden. Public Domain Mark 1.0. PPN 337170053.

Der Schlussstein und die feierliche Eröffnung der Bahnstrecke

Am 27. Juli 1857 wurde der letzte Teil der neuen Bahnstrecke zwischen Laibach und Triest in Anwesenheit des Kaisers feierlich eröffnet. Über das damit verbundene Zeremoniell berichtet die Wiener Zeitung vom 29. Juli 1857. Ort der Feierlichkeiten war Triest, bzw. der letzte Viadukt vor Einfahrt in den Bahnhof, wo Kaiser Franz Joseph den Schlussstein legen sollte.

Die Wiener Zeitung berichtet über das prachtvolle Ambiente: „Wo vor wenigen Wochen noch alles chaotisch durcheinander lag, und man sich eher in einem Steinbruch als auf einen Bauplatz versetzt zu sehen wähnte, war gleichsam ein Garten hingezaubert. Mehr als tausend Tannen, allerlei einheimische und exotische Gewächse mit Springbrunnen und zierlichen Pavillons bildeten einen anmutigen Park, der um so größere Überraschung erzeugte, wenn man bedachte, in welch kurzer Frist diese Schöpfung hervorgerufen wurde. … Die Wege vom kaiserlichen Pavillon bis zu der Stelle des Viaduktes, auf welcher Se. Majestät der Kaiser die feierliche Schlußsteinlegung vornahm, war mit feinen Tüchern und Teppichen belegt, und zur Öffnung, in welche der Schlußstein gelegt ward, führten zierliche und bequeme Stiegen.“

Der Kaiser und eine große Delegation von Vertretern der Regierung und des Handels reisten im Zug von Wien aus an. Die Fahrt dürfte sich in die Länge gezogen haben, weil es sich kein Ort nehmen ließ, den Monarchen auf der Durchfahrt gebührend zu begrüßen: „Auf der ganzen Länge der Südbahn waren die Stationen festlichen geschmückt und es erwarteten an denselben die Behörden, die Geistlichen u. s. w. den kaiserl. Zug, um den Monarchen ehrfurchtsvoll zu begrüßen.“

Auch in Triest hatte sich eine große Zuschauermenge versammelt: „Die auf den geschmackvoll gezierten und geräumigen, durch Zeltdächer gegen die Strahlen der Sonne geschützten Tribünen in dichter Menge versammelten Zuschauer sahen mit gespannter Erwartung dem Herannahen des kaiserlichen Zuges entgegen.“

Auf den letzten Kilometern begleiteten die Dampfschiffe des Österreichischen Lloyd den Zug: „Die von Seite des österr. Lloyd entlang der Küste von St. Bartholomä bis unterhalb Santa Croce aufgestellten, reich beflaggten Dampfer setzten sich, als der kaiserliche Zug aus den Felseneinschnitten unterhalb Nabresina herauskam, in Bewegung und begleiteten denselben bis zum Stationsplatz.“

Ihre Geschütze verkündeten der wartenden Menge, dass der Kaiser demnächst ankommen werde: „Endlich verkündeten Geschützsalven, daß sich derselbe von Nabresina her gegen die Stadt bewegte; um 10 1/4 Uhr fuhr er in den Bahnhof ein, begrüßt von den rauschenden Klängen der Volkshymne, dem Donner der Batterien des Hafens und der Forts und tausendfachen Jubelrufen.“

Nach der offiziellen Begrüßung durch die Stadthonoratioren hielt Franz Joseph vor der Schlusssteinlegung eine Rede. Er sagte: „Mit lebhaftester Befriedigung lege ich den Schlußstein eines Werkes, das nach Überwindung der größten Schwierigkeiten nunmehr vollendet und wie ich hoffe, mit Gottes Hilfe dazu bestimmt ist, die Wohlfahrt der Provinzen meines Reiches und namentlich jene meiner getreuesten Stadt Triest zu vermehren, auf die ich den Segen des Allmächtigen herabrufe.“

Erst jetzt folgte die Schlusssteinlegung. Dabei mauerte Franz Joseph eine kupferne Büchse in eine offene Vertiefung des Viadukts ein, und in diesem Zusammenhang erfahren wir, welche Rolle die Gedenkmünzen spielten. Die kupferne Büche enthielt nämlich neben einer Reihe von Objekten „eine zur Erinnerung an diese Festlichkeit geprägte Denkmünze und endlich mehrere Geldmünzen“.

Es folgte ein Tedeum, der bischöfliche Segen und danach zog der Kaiser in die Stadt ein, wo sich ein weiterer Festakt in der Residenz anschloss.

Wer erhielt Gedenkmünzen zur Vollendung der Südbahn?

Leider verraten uns zeitgenössische Zeitungsberichte wenig darüber, wer die 1.644 Gedenkmünzen, die anlässlich der Vollendung der Südbahn geprägt wurde, erhielt. Wir können aber davon ausgehen, dass man bei diesen nicht primär für den Umlauf gedachten Stücken – dafür war die Prägezahl viel zu gering – ähnlich vorging wie bei den Medaillen. Über den offiziellen Umgang mit diesem Medium hat Andrea Mayr 2023 eine bahnbrechende Arbeit vorgelegt, aus der wir erfahren, dass Medaillen vor allem an „eine Präsenzöffentlichkeit“ verteilt wurden. Mit anderen Worten: Es ist wahrscheinlich, dass Franz Joseph bzw. ein von ihm beauftragtes Mitglied seiner Entourage den zum Festakt angereisten Würdenträgern eine Denkmünze, wie man damals sagte, in einem hübschen Etui überreichte. Münzen, die dabei nicht zum Einsatz kamen, konnten nach dem Ereignis an der Kassa des Hauptmünzamts mit einem Aufschlag erworben werden, so dass auch Sammler – wenn sie Glück hatten – so eine Prägung erhielten.

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