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Die Jahrhunderthochzeit in Sachsen

Am 15. September 1697 wurde August der Starke zum polnischen König gekrönt. Dies war ein Triumph für die Dynastie der Wettiner, für den der sächsische Kurfürst hohe Kosten und sogar den Religionswechsel in Kauf genommen hatte.

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Doch August träumte noch von höheren Ehren für sein Geschlecht: Die Heirat seines Sohnes mit der Tochter von Kaiser Joseph I. bot rein erbrechtlich gesehen die Aussicht, dass der sächsische Kurprinz den Kaisertitel erwerben könnte. Dass die älteste Tochter Josephs I. hinter der zum Zeitpunkt der ersten Verhandlungen noch nicht einmal geborenen Erbin von Josephs Bruder, Karl VI., zurückstehen musste, wissen wir erst heute. 1719 konnte August noch darauf hoffen, dass die damals erst 2-jährige Maria Theresia von einer der vielen Seuchen und Kinderkrankheiten dahingerafft würde. Wenn wir uns über Aufwand, Kosten und Prunk der sächsischen Jahrhunderthochzeit wundern, sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass August der adligen Welt demonstrieren wollte, dass sein Sohn des Kaisertitels würdig sei.

Sachsen. Silbermedaille auf die Geburt des Kurprinzen Friedrich August im Jahr 1696 von M. H. Omeis. Selten. Gutes sehr schön. Taxe: 150.- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2396.

Sachsen. Silbermedaille auf die Geburt des Kurprinzen Friedrich August im Jahr 1696 von M. H. Omeis. Selten. Gutes sehr schön. Taxe: 150.- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2396.

Jahrelange Planungen

Wie wir aus archivalischen Quellen wissen, hegte August der Starke den Plan, seinen Sohn auf Kaiserkurs zu bringen, schon seit 1705. 1711 schickte er den Kurprinzen vorsichtshalber auf eine mehrjährige Kavaliersreise, um ihn aus dem Einflussbereit der sächsischen Protestanten zu entfernen. Denn die Konversion zum katholischen Glauben war für diese Ehe unabdingbar. Friedrich August erledigte das 1712 unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eine bittere Pille musste August der Starke trotzdem schlucken: Auch er stimmte der Pragmatischen Sanktion von 1713 zu, die den Vorrang der Nachkommen Karls VI. gegenüber denen Josephs I. festlegte. Doch Menschen starben damals schnell. Und Verträge konnten widerrufen werden. (Was 1740 nach dem Tod Karls auch tatsächlich geschah.) Jedenfalls machte August mit seiner Zustimmung den Weg zur Ehe frei: Im März 1718 wurde offiziell die Verlobung von Friedrich August von Sachsen mit Maria Josepha, Tochter Kaiser Josephs I., bekannt gegeben.

Die eigentliche Hochzeit fand am 20. August 1719 in Wien statt. Das Jahrhundertfest arrangierte August der Starke anlässlich des Einzugs der Braut in Sachsen. Man feierte im Zeichen der sieben Planeten fast den ganzen September 1719.

Sachsen. Silbermedaille auf die Verleihung des Goldenen Vlieses an Friedrich August im Jahr 1719 von Chr. Wermuth. Vorzüglich. Taxe: 150,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2422.

Sachsen. Silbermedaille auf die Verleihung des Goldenen Vlieses an Friedrich August im Jahr 1719 von Chr. Wermuth. Vorzüglich. Taxe: 150,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2422.

Im Zeichen des Sol: Der sächsische Jason

Am 2. September 1719 begann das Fest mit dem Einzug der Braut auf dem Bucentauro, einem Prunkschiff, das dem venezianischen Staatsschiff nachempfunden war.

Ein erster Höhepunkt einer ganzen Reihe von spektakulären „Events“ war das Fest des Sonnengottes Sol am 10. September. Es beinhaltete ein „theatralisches“ Feuerwerk. Wir dürfen uns darunter kein Feuerwerk heutigen Stils vorstellen; wir kommen der Wirkung näher, wenn wir an eines der beliebten Son et Lumière Spektakel denken, bei denen eine Geschichte mit Beleuchtung und Musik erzählt wird. Thema war die Eroberung des Goldenen Vlieses durch den antiken Heroen Jason.

Das war ganz klar eine Hommage an die Habsburger. Kaiser Karl VI. hatte 1716 einen österreichischen Zweig dieses eigentlich burgundischen Ordens ins Leben gerufen, nachdem es ihm im Spanischen Erbfolgekrieg gelungen war, den Besitz der südlichen, ehemals burgundischen Niederlande zu behaupten. 1716 zeichnete er den Bräutigam mit diesem Orden aus. Darauf bezieht sich die hier abgebildete Silbermedaille von 1719. Sie zeigt Friedrich August als sächsischen Jason, der an der Spitze der Argonauten auszog, um das Goldene Vlies zu erobern.

Das Festgedicht, das anlässlich der Feier dieses Tages vorgetragen wurde, ist uns erhalten. Hier ein kleiner Auszug:

Der Prinz, wie sein Verdienst uns längst voraus verhieß,
Erhält vom großen Carl anheut das güldne Vließ,
Und tritt als Mitglied nun in höchsten Ritter-Orden:
Wodurch des Feuerwercks Bedeutung wahrgeworden.
Das damahls hier auf Ihn beym Einzug abgezielt,
Als er das schönste Vließ, die hohe Braut, erhielt.
Glück zu! heut ist erfüllt, was jeder prophezeihte;
Ein zweyfach güldnes Vließ ist nun des Printzens Beuthe.
Er trägt, Josepha, Dir zum Ruhm und auch zur Lust,
Das eine nun am Halß, das ander in der Brust.
Ach daß ein jedes Glied an dieser Ordens-Kette
Für Dich ein eigenes besonderes Glücke hätte.

Um Jason, Helios und das Goldene Vlies zusammenzubringen, mussten sich die Organisatoren schon richtig Mühe geben. Zum Glück galt Aietes, Herrscher von Kolchis, dem Phrixos zum Dank für seine Rettung das Goldene Vlies geschenkt hatte, als Sohn des Helios.

Sachsen. Bronzemedaille auf das Ross- und Fussturnier auf dem Altmarkt am 12. September 1719 von O. Wif. Selten. Gutes sehr schön. Taxe: 400,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2426.

Sachsen. Bronzemedaille auf das Ross- und Fussturnier auf dem Altmarkt am 12. September 1719 von O. Wif. Selten. Gutes sehr schön. Taxe: 400,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2426.

Im Zeichen des Mars

Für das Fest zu Ehren des Mars mussten die Organisatoren nicht so viel theoretischen Unterbau schaffen. Mars wurde am 12. September mit einem großen Turnier auf dem Dresdner Altmarkt gefeiert. Solche Turniere hatten nichts mit den wilden Kämpfen des Mittelalters zu tun, sondern waren hoch ritualisierte Geschicklichkeitsproben, bei denen die Mitglieder des Adels ihre Beherrschung der verschiedenen Waffengattungen demonstrieren sollten. Die Teilnehmer müssen sich dabei allerdings ziemlich blamiert haben, jedenfalls wenn wir der Historikerin Helen Watanabe-O’Kelly Glauben schenken. Sie schreibt: „Von den dreißig Teilnehmern am „Ballyen-Rennen“ (= Tjost, Anm. d. Verf.) haben fünfundzwanzig überhaupt nichts treffen können. Von den hundertundacht Teilnehmern am Fußturnier haben sich fünfundsiebzig ähnlich blamiert“.

Unsere Bronzemedaille zeigt den Turnierplatz mit den Kämpfenden aus der Vogelperspektive. Im Vordergrund findet innerhalb der Schranken das Ballyen-Rennen statt, also der Tjost. Dabei versuchen sich zwei Gegner gegenseitig, mit stumpfen Lanzen aus dem Sattel zu heben. Punkte werden dafür vergeben, wie genau die Lanze den Gegner trifft. In der Mitte des Marktes sehen wir Adlige zu Fuß mit Lanze und Schwert einander bekämpfen. Weitere Teilnehmer warten auf ihren Einsatz am Rande des Festplatzes.

Was wir auf der Medaille nicht sehen können, sind die vielen Zuschauer, die sich an den Fenstern drängen. Einige Vorwitzige kletterten sogar auf die Dächer, um den perfekten Blick aufs Geschehen zu haben.

Diese Medaille gehört zu einer Suite von sieben unterschiedlichen Typen, die den sieben Planetenfesten gewidmet waren. Für sie zeichnete der norwegische Medailleur Oluf Wif verantwortlich, der damals an der Dresdner Münzstätte beschäftigt war. Von jeder dieser Medaillen wurden 200 Stück in Silber und eine uns unbekannte Zahl in Bronze geprägt.

Sachsen. Silbermedaille auf die Treibjagd in den Elbauen am 18. September 1719 von O. Wif. Sehr selten. Fast vorzüglich. Taxe: 750,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2423.

Sachsen. Silbermedaille auf die Treibjagd in den Elbauen am 18. September 1719 von O. Wif. Sehr selten. Fast vorzüglich. Taxe: 750,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2423.

Im Zeichen der Diana

Während zweier Ruhetage, an denen „nur“ eine mehrstündige Oper bzw. Komödie bewältigt werden mussten, schöpften die Teilnehmer Kraft für das Fest des Jupiter, dessen Höhepunkt ein prächtiges Pferdekarussell war. Wie so etwas ausgesehen haben mag, können wir uns dank Reenactment-Aufführungen zum Beispiel in Sanssouci vorstellen. Danach gab es wieder einen Ruhetag und ein türkisches Fest mit Janitscharenaufzug und italienischen Akrobaten, ehe am 18. September Diana, die Jagd- und Mondgöttin, mit einer großen Jagd in den Elbauen gefeiert wurde.

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Diese Medaille gibt einen hervorragenden Eindruck davon, wie man im Barock jagte. Auch wenn immer wieder Treiber und Hunde ums Leben kamen, war die Gefahr für die adligen Jäger und Jägerinnen minimiert. Das Wild wurde ihnen direkt vor die Flinte resp. die Lanze getrieben. Dazu bediente man sich aufgespannter Netze, die von den Treibern immer enger gezogen wurden. Dadurch bewegten sich die Hirsche in Richtung Elbe. Ihr einziger Ausweg war das Wasser, doch dort drohte ebenfalls Gefahr: Auf den Booten saßen weitere „Jäger“, die die um ihr Leben kämpfenden Tiere regelrecht abschlachteten.

Was auf uns nur widerlich wirken kann, war damals symbolisch aufgeladen. Die Jagd auf bestimmte Tiere war mit ganz besonderen Privilegien verbunden. Deshalb sind – trotz des kleinen Formats – auf der Medaille eindeutig identifizierbar Hirsche mit prächtigem Geweih dargestellt. Sie gehörten zum Hochwild, das nur der Hochadel jagen durfte.

In der Mitte des Münzbildes sehen wir ein Prunkschiff, das Teil der Inszenierung war. Auf ihm wurde Diana herangefahren, um „persönlich“ der Jagd beizuwohnen.

Silbermedaille auf das Bergfest zu Ehren Saturns am 26. September 1719 von O. Wif. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 1.000.- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2424.

Silbermedaille auf das Bergfest zu Ehren Saturns am 26. September 1719 von O. Wif. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 1.000.- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2424.

Im Zeichen des Saturn

Das Fest des Saturn wurde zum Abschluss und Höhepunkt. In ihm feierte Sachsen seinen Reichtum an Bodenschätzen, schließlich basierte die bevorzugte Stellung des Landes vor allem auf seinem Überfluss an Silber.

Für das Fest hatten die Künstler einen Saturntempel gebaut, und zwar nicht in der Dresdner Innenstadt, sondern im damals noch relativ wilden Plauenschen Grund. Er wurde bekrönt von einer gewaltigen Statue des Saturn, die auf der Vorderseite der Medaille zu sehen ist. Saturn hält in der einen Hand eine Kristallstufe, in der anderen eine Bergbarte, also eine Zeremonialaxt, wie sie die Bergleute bei Umzügen mit sich führen.

Die Bögen des beeindruckenden Bauwerks erinnern an die Eingänge von Stollen. Hier saß das adlige Publikum, um die Darbietung der aus allen Bergrevieren des Landes angereisten Kumpel zu verfolgen. Im nächtlichen Festzug paradierten 1.600 Personen mit ihren Fackeln.

Ganz klein, zwischen Bergleuten und Saturntempel sind verschiedene Gerätschaften und Szenen zu sehen, die zur Metallgewinnung und -verhüttung gehörten. Damit spielt der Stempelschneider auf die 170 Bilder an, die als wichtigste Arbeitsgänge des Bergbaus von den Bergleuten vorgeführt wurden.

Auswurfjeton, der während des Saturnfestes am 26. September 1719 hergestellt wurde. Gutes sehr schön. Taxe: 150,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2425.

Auswurfjeton, der während des Saturnfestes am 26. September 1719 hergestellt wurde. Gutes sehr schön. Taxe: 150,- Euro. Aus Künker eLive Premium Auction 389 (23. Juni 2023), Nr. 2425.

Einer dieser Arbeitsgänge ist die Münzprägung. Um sie zu demonstrieren, zog im Festzug eine kleine Prägepresse auf einem Wagen mit, auf der Jetons hergestellt wurden. Sie wurden unter den Anwesenden verteilt.

Neueste Forschungen vermuten, dass das Saturnfest Augusts des Starken einen erheblichen Einfluss auf die Volkskunst hatte. Seine Dekoration soll die Herstellung Schwibbogen, Pyramide und Bergmannszug inspiriert haben.

Man schätzt, dass die Gesamtkosten der Feierlichkeiten rund 6 Millionen Taler betrugen. Damit verschuldete sich Sachsen auf viele Jahrzehnte. Dennoch stellte sich der erhoffte Prestigegewinn nicht ein. Die kleine Maria Theresia überlebte, und nicht Friedrich August, sondern ihr Mann Franz Stephan von Lothringen wurde zum Kaiser gewählt. Auch die polnische Krone ging übrigens nicht in den Erbbesitz der Wettiner über. Zwar folgte Friedrich August seinem Vater als König von Polen, doch musste er seine Krone gegen den von Frankreich unterstützten Gegenkönig Stanislaus Leszczyński verteidigen. Vielleicht wäre er in dieser Situation froh gewesen, hätte er die 6 Millionen Taler, die für sein Hochzeitsfest draufgegangen waren, für Soldaten ausgeben können.

Sekundärliteratur

  • Claudia Schnitzer, Constellatio Felix. Die Planetenfeste Augusts des Starken. Dresden, 2014.
  • Monika Schlechte, Recuil des dessins et gravures representent les solemnites du mariages. Das Dresdner Fest von 1719 im Bild. In: Chloe 15 (1989), S. 117-169

In diesem Video werden weitere Münzen August des Starken präsentiert:

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