Am Vorabend der Schlacht von Philippi: ein Aureus mit dem Brutusporträt
von Ursula Kampmann im Auftrag von NGSA
Numismatica Genevensis versteigert am 9. Dezember 2024 einen äußerst seltenen Porträt-Aureus des Brutus. Die mit 750.000 CHF geschätzte Münze wurden geprägt, um an Soldaten verteilt zu werden, die bei der Endschlacht vor Philippi für Brutus kämpften.
Inhalt
Drei Dinge braucht es, um Kriege zu führen, so soll Trivulzio einst den französischen König belehrt haben: Geld, Geld und nochmals Geld. Das wussten natürlich auch die Mörder Caesars. Sie mussten sich spätestens am 28. November 44 eingestehen, dass ein friedlicher Neuanfang der alten Republik ausgeschlossen war. An diesem Tag wurden nämlich unter Leitung von Konsul Marcus Antonius die Provinzen den neuen Statthaltern zugelost. Zum Zuge kamen dabei ausschließlich seine Anhänger. Brutus und Cassius verloren ihre Ämter als Statthalter von Kreta resp. Kyrene. Nicht dass das eine Rolle gespielt hätte, denn die beiden erfahrenen Politiker waren sowieso nicht dorthin gegangen. Sie reisten in reichere Provinzen, wo genug Gold lag, um ein Heer zu finanzieren.
Der Schatz der Caesarenmörder
Unmittelbar nach Caesars Tod begannen die Anhänger der alten Republik nämlich, eine gemeinsame Kriegskasse anzulegen. Cicero bat seinen Freund, den Financier Atticus, diese zu verwalten. Der lehnte ab. Die Sache war ihm zu heikel. Er blieb neutral. Das zahlte sich aus: Atticus gehört zu den wenigen Freunden Ciceros, die auch unter Augustus eine Rolle spielten.
Das Problem Kriegskasse musste also anders gelöst werden. Brutus tat dies in seinem Sinne. Er selbst verwaltete den Schatz. Um ihn zu vermehren, zog er nach Makedonien, wo einer seiner Verwandten als Statthalter wirkte. Dort überbrachte ihm der Quaestor der Provinz Asia Mitte des Jahres 44 16.000 Talente. Das war eine immense Summe! Daraus ließen sich 96 Mio. Denare prägen. Das reichte, um ein Heer aufzustellen und zu finanzieren. Damit stellte Brutus innert weniger Wochen 7 oder 8 Legionen auf, mit denen er den Norden Griechenlands kontrollierte. Nun konnte er nach Rom melden, dass sich Makedonien und Illyrien in der Hand der Republik (sprich: seiner eigenen) befänden. Da Cicero bis zum unglücklichen Ende des Mutinesischen Kriegs im April 43 v. Chr. Rom und damit den Senat kontrollierte, sorgte er dafür, dass Brutus offiziell in seinem Amt bestätigt wurde.
Kleinasien wird ausgeplündert, die Thraker überfallen
Das bedeutete, dass Brutus – genau wie Cassius in Syrien – die Steuerhoheit innehatte. Da ein römischer Beamter seine Steuern nach Gutdünken festlegen konnte, war das eine Lizenz zum Plündern. Denn die 16.000 Talente reichten Brutus bei weitem nicht.
Das Problem für Pergamon, Ephesos und all die anderen Provinzmetropolen bestand darin, dass nicht nur Brutus, sondern auch seine Gegenspieler sich bei ihnen mit Geld versorgten. An Dolabella zahlte Pergamon zum Beispiel 50 Talente, nur um nach dessen Niederlage noch einmal mit einer Kontribution von 200 Talenten bestraft zu werden. Die Pergamener werden ihr Bestes getan haben, sie aufzubringen. Man wusste, was Cassius in Tarsos getan hatte: Nachdem er die Stadt mit einer Kontribution in Höhe von 1.500 Talenten bestraft hatte, weil Dolabella sich hinter ihren Mauern verschanzt hatte, zog er zunächst alle öffentlichen und privaten Gelder ein. Als dies seine Forderung nicht deckte, ließ er das Edelmetall der Tempel einschmelzen und vermünzen. Als das immer noch nicht reichte, verkaufte er die Bevölkerung in die Sklaverei: erst die jungen Männer, dann die Mädchen, Frauen und Familienväter, zuletzt gar die Greise. Und immer noch fehlte ein großer Teil des Betrags. Cassius blieb nichts anderes übrig, als der Stadt die Restsumme zu erlassen, weil sie aus ihr nicht einmal mehr ein Quadrans herauspressen ließ.
Außerdem gab es noch andere Möglichkeiten. Ein Amt bedeutete nicht nur die Steuerhoheit, sondern auch das Recht, Kriege zu führen. Und klug gewählte Kriege versprachen große Beute. So erfand Brutus einen fadenscheinigen Grund, ins goldreiche Thrakien zu marschieren. Das lohnte sich. Er erbeutete unter anderem den Staatsschatz des Sadalas II., einen gewaltigen Haufen von goldenen Gefäßen, aus denen sich prächtige Aurei herstellen ließen.
Zur Datierung des Aureus RRC 507 mit dem Brutus-Porträt
Tatsächlich überliefert uns Cassius Dio 47,25,3, dass aus dem Gold der Thraker Münzen mit dem Porträt des Brutus geprägt wurden. Er bringt sie in Verbindung mit denen, auf denen der Freiheitshut zwischen zwei Dolchen zu sehen ist. Allerdings dürfte Cassius Dio, der erst rund zwei Jahrhunderte nach der Schlacht von Philippi geboren wurde, die Münzen falsch datiert haben. Das Brutus-Porträt ist nämlich immer mit dem Titel IMP[erator] gekoppelt und kann deshalb erst nach der Annahme dieses Titels während der Konferenz in Sardes im Sommer des Jahres 42 entstanden sein.
Damit stehen alle Aurei, die das Brutus-Porträt zeigen, in Verbindung mit einem höchst ungewöhnlichen Geschehen: Wie uns Appian IV, 118 überliefert, zahlte Brutus nämlich bereits vor der Schlacht von Philippi seinen Soldaten ein hohes Donativ.
Geldgeschenke vor der Schlacht
Brutus verteilte kurz vor der Schlacht die unglaubliche Summe von 1.500 Denaren pro Legionär. Welchen immensen Wert das darstellte, zeigt uns die Tatsache, dass nach dem Tod des Augustus die Legionäre einen täglichen Lohn von einem Denar forderten. Die 1.500 Denare dürften also mehr als dem Sold von vier Jahren entsprochen haben.
Das Heer des Brutus soll 80.000 Legionäre, 20.000 Reiter sowie Hilfstruppen umfasst haben. Allein die Summe, die er den 80.000 Legionären übergab, belief sich auf 120 Mio. Denare. Dazu kamen Gelder für die anderen Truppenteile sowie höhere Zahlungen an Zenturionen und Legaten. All diese Münzen bereitzustellen und zu verteilen war eine beeindruckende logistische Leistung. Dabei bot die Prägung von Aurei eine enorme Erleichterung. Schließlich ersetzte ein Aureus 25 Denare.
Vier Legaten wurden beauftragt, die Münzprägung zu leiten. Für Cassius agierte M. Servilius, für Brutus der Legat Costa, sowie die Beamten L. Plaetorius Cestianus und Casca Longus. Das Programm der Münzprägung wurde fein und zentral abgestimmt. In den Emissionen aller drei Beamten spielt das Brutus-Porträt eine zentrale Rolle.
Casca Longus und das Brutus-Porträt
Sehen wir uns die Münze an, die auf Befehl des Brutus unter Aufsicht des Casca Longus geprägt wurde. Sie zeigt auf der Vorderseite das Porträt des Brutus mit der Umschrift BRVTVS IMP; den Kopf umgibt der Lorbeerkranz des Apollon als Zeichen dafür, dass Apollon Brutus bei seinen Siegen beigestanden habe.
Auf der Rückseite sehen wir ein bemerkenswertes Tropaion. Es steht auf zwei Schiffsproren und weist damit darauf hin, dass Brutus nicht nur über eine starke Landmacht verfügte, sondern auch über eine schlagkräftige Flotte. Diese wurde von den Rhodiern und den Lykiern bemannt, die Cassius resp. Brutus noch im Frühsommer 42 unterworfen hatten.
Ebenfalls auf der Rückseite finden wir den Namen des verantwortlichen Beamten: Publius Servilius Casca Longus. Auch er war schon bei der Ermordung Caesars dabei, soll sogar, wie uns Plutarch überliefert, für den ersten Dolchstoß verantwortlich gewesen sein. Im Dezember 44 machte ihn der von Cicero beeinflusste Senat zum Volkstribun. Doch nach der Niederlage Ciceros im Mutinensischen Krieg floh Casca zu Brutus nach Makedonien. Nach der Schlacht von Philippi verlieren sich seine Spuren.
Von größter historischer Bedeutung und höchster Seltenheit
Die bei Numismatica Genevensis angebotene Münze ist also von höchster historischer Bedeutung. Sie zeugt von der Siegesgewissheit, die Brutus und Cassius vor der Schlacht gegen die Caesarianer fühlten. Sie illustriert aber auch die Zweifel, die Brutus hinsichtlich der Loyalität seiner Soldaten hegte. Er musste sich ihre Treue kaufen. Keiner von ihnen interessierte sich für vollmundige Freiheitsparolen.
Und so gewann nicht Brutus die Schlacht, sondern die Caesarianer. Ihr unbestrittener Anführer war Marcus Antonius. Auch er hatte vor seinem Kampf die Legionäre mit einer Rede angespornt. Darin versprach er ihnen kein Donativ. Er hätte nicht die Mittel gehabt, es auszuzahlen. Er versprach ihnen, dass sie nach dem Sieg Gold und Nahrungsmittel im Lager der Feinde erbeuten würden. Was sie dann auch taten.
Genau das ist der Grund, warum uns so wenige Münzen mit dem Porträt des Brutus erhalten sind: natürlich zogen sie die Sieger aus dem Verkehr und schmolzen sie ein. Aus ihrem Edelmetall wurden all die Münzen hergestellt, mit denen Augustus das römische Reich überschwemmte.
Von dem Aureus des Casca mit dem Brutus-Porträt gibt es dagegen nur noch 17 Exemplare.
Brutus: Überzeugter Demokrat oder typischer Vertreter der römischen Aristokratie?
Vielleicht sind die Münzen mit dem Brutus-Porträt gerade wegen ihrer Seltenheit zu einer Ikone der Numismatik, einem Symbol der Freiheit geworden. Das überrascht. Schließlich wurde Caesar u. a. wegen des Tabu-Bruchs, sein eigenes Porträt wie ein hellenistischer Fürst auf Münzen abzubilden, ermordet. Wollte Brutus nun, nur zwei Jahre später, mit seinem Porträt andeuten, dass er ähnliche Pläne hegte?
Sicher nicht. In der kurzen Zeit zwischen den Iden des Märzes 44 und dem Sommer des Jahres 42 hatte sich das Porträt als Münzmotiv etabliert. Alle hatten sie sich darstellen lassen: Marcus Antonius genauso wie Octavian, Lepidus oder Sextus Pompeius. Das erste Brutus-Porträt findet sich übrigens nicht auf den Münzen, die Brutus selbst in Auftrag gab, sondern auf einer Münze, die in Rom entstand. Münzmeister L. Servius Sulpicius Rufus, dessen Familie auf der Seite Ciceros und damit von Brutus stand, setzte Brutus – ohne dessen Namen zu nennen und wahrscheinlich auch ohne dessen Wissen – auf seine Münzen.
Trotzdem dürfte Brutus oft an Caesar gedacht haben. Er befand sich seit dem November 44 in einer ähnlichen Position wie Caesar vor seiner Überquerung des Rubicon: Die Caesarianer hatten ihn seiner gesellschaftlichen Stellung beraubt. Wenn er sie zurückgewinnen wollte, musste er um sie kämpfen. Doch anders als Caesar siegte nicht er, sondern seine Gegner.
Dass Brutus heute als Kämpfer für Demokratie und Freiheit gilt, hängt nicht mit seiner Person oder gar seiner Politik zusammen, sondern damit dass die aufbegehrende Republik der Niederlande seine Münzbilder als Symbol für ihren eigenen Freiheitskampf nutzte.
Dass letztendlich weder die Niederländer noch Brutus für die Freiheit kämpften, sondern für ihre eigenen Interessen, ist eine ganz andere Geschichte.