Endlich – oder Herzog August feiert Geburtstag
Feste wie der Geburtstag dienten im Zeitalter des Barock als perfekte Bühne, um sich und die eigene Bedeutung zu zelebrieren. Denn so ein Fest zementierte den eigenen Rang innerhalb der Hierarchie des Heiligen Römischen Reichs. Und August der Jüngere hatte im April des Jahres 1638 allen Grund, sich wegen einer Standeserhöhung zu brüsten: Kaiser Ferdinand III. hatte ihm das Privilegium de non appellando verliehen. Das war nicht nur ein finanzielles Privileg, sondern gleichzeitig die kaiserliche Billigung, dass August der Jüngere als Oberhaupt des reichen Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel agierte. Dafür hatte August seit dem Ableben von Friedrich Ulrich im August des Jahres 1634 gekämpft. Nun war das Ziel erreicht. Endlich! Ein Grund, es der ganzen Welt mitzuteilen. Und dafür eignete sich im Barock nichts besser als ein Fest.
Geburtstag des Herrschers
Wenn wir heute vor den prachtvollen Schlössern des Barock stehen, vergessen wir nur zu gern, dass sie weniger Wohnstätte als vielmehr Bühne waren, die ihre volle Bedeutung erst entfalteten, wenn ein Fürst zum Feiern lud. Ob Taufe, Begräbnis, Heirat oder eben Geburtstag, ein Anlass ließ sich immer finden. Und dann kamen Höflinge, Botschafter und adlige Nachbarn, um in großartigen Paraden einzuziehen, üppig zu speisen, Konzerte, Opern oder Ballette zu beobachten, zu jagen und das Feuerwerk zu bewundern. Der Rang eines Gastgebers wurde danach bemessen, wie hochrangig seine Gäste waren und in welchem Maße es ihm gelang, sie zum Staunen zu bringen. Und um dieses Staunen über das eigentliche Fest hinaus zu verewigen, verteilte der Gastgeber bei der Feier Geschenke an seine Gäste.
Eigentlich war die Natur der Ehrengabe dem Schenkenden überlassen. Aber der überlegte natürlich auch, womit er den größten Effekt erzielen konnte. Erinnern wir uns daran, dass im Barock jeder Fürst, der etwas auf sich hielt, eine Münzsammlung pflegte. Diese Münzsammlung war kein sorgfältig gehütetes Geheimnis, sondern ein Besitz, der allen Besuchern von Rang gezeigt wurde. Eine auffällige Münze kam also nicht nur dem Beschenkten zu Gesicht, sondern vermehrte den Ruhm des Prägenden auch unter denen, die diese Münzsammlung besichtigten.
Was lag also näher für die Herzöge von Braunschweig, die über reiche Silbervorkommen im Harz verfügten, als eindrucksvolle Münzen zu verschenken, die wegen ihrer Größe sofort ins Auge sprangen.
Auch die Löser, die August der Jüngere anlässlich seiner Geburtstagsfeier verschenkte, sind überaus eindrucksvoll. Diese Schaumünzen boten den zusätzlichen Vorteil, dass sie in verschiedenen Gewichten ausgegeben werden konnten. Das war wichtig: Jeder Besucher, jeder Botschafter legte Wert darauf, ein Geschenk zu erhalten, das seinem Stand entsprach. Größere Präzision bei der Festlegung des Werts, als sie eine Löseremission mit unterschiedlichen Talergewichten bot, ging einfach nicht.
August der Befreiende, Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft
Und es ging nicht nur um das verarbeitete Silber. Schließlich war August der Jüngere nicht irgendein Fürst. Er war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft. In ihr feierten die Mitglieder aus Adel und Reichsfürstenstand die Kunst der Konversation. Wer zu diesem erlauchten Kreis gehörte, war geradezu verpflichtet, seine sprachliche Finesse zu demonstrieren.
Neben dem lateinischen Ausruf TANDEM (= Endlich) und der Titulatur (in Übersetzung) August von Gottes Gnaden Herzog von Braunschweig und Lüneburg, lesen wir auf der Rückseite in einer Mischung aus Latein und Italienisch (in Übersetzung) Bedenke erst die Kosten, dann mach’s.
Diese Sprachmischung ist kein Zeichen von bäurischem Latein, sondern eine Verbeugung vor der damaligen Lingua Franca, dem Italienischen. Drei Fremdsprachen zu sprechen, galt nämlich als Zeichen des gebildeten Menschen. Während ein Pastor stolz darauf war, Latein, Griechisch und Hebräisch zu beherrschen, studierte ein Fürst oder Diplomat Latein, Französisch und Italienisch.
Die Darstellung des Lösers bewegt sich im bekannten Bereich: Der Herzog sitzt in der Pose des Feldherrn in Rüstung und mit Marschallstab auf seinem nach rechts sich aufbäumenden Pferd. Diese Pose wird gerne in Anspielung auf das Schlachtfeld gewählt. Indem ein Reiter sein gut gedrilltes Ross zur Levade versammelt, nutzt er den Körper des Tiers, um den eigenen Leib vor Kugeln zu schützen. Unter den Hufen des Pferdes sehen wir eine detaillierte Bergbauszenerie, mit der August auf seine reichhaltigen Ressourcen an Silber anspielt.
Ein Blick in die Literatur des 18. Jahrhunderts
Die Information, dass die Löser mit der Aufschrift TANDEM anlässlich des Geburtstages von Herzog August dem Jüngeren geprägt wurden, verdanken wir einem Braunschweiger Historiker, der auf Initiative eines braunschweig-lüneburgischen Kanzlers die Möglichkeit erhielt, die Archive von Wolfenbüttel auszuwerten: Philipp Julius Rehtmeyer (1678-1742). Er verfasste nicht nur seine Braunschweiger Kirchengeschichte, sondern auch ein dreibändiges Werk über die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, das umso konkreter wird, je mehr sich der Autor seiner eigenen Zeit nähert. Wir möchten zum Abschluss Rehtmeyers Text zitieren – und zwar ins moderne Deutsch übersetzt: „Auf den 10. April fiel sein jährlicher Geburtstag, an dem der berühmte Martin Nessel ihm einen Panegyricus widmete. Er ließ an diesem Tag ohne Zweifel den silbernen Löser zu 5 Talern prägen, auf dem der Herzog auf dem Pferd sitzt, daneben steht TANDEM und darum der Titel. Auf der Rückseite das Wappen und um sein Wappen auf Latein und Italienisch EXPENDE. PRIMA. PENSA. POI. FA. ANNO. M. DC. XXXVIII.“
Es lohnt sich, diese alten Bücher zu lesen, denn sie enthalten oft äußerst interessante Informationen, die wir uns sonst mühsam erschließen müssten.
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Lesen Sie hier über einen interessanten Löser auf den Tod von Johann Friedrich von Braunschweig-Calenberg.
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