Deutschlands Fehlstart: Die missglückte Kaiserwahl von 1849
Erwählt zum Kaiser der Deutschen, den 28. März 1849, Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen, so steht es auf einem Doppelgulden des Jahres 1849 zu lesen, den die Konstituierende Versammlung in der Stadt Frankfurt herausgab. Nur 200 Exemplare wurden von dieser seltenen Emission geprägt. Das hatte einen guten Grund: Die Nationalversammlung hatte nicht damit gerechnet, dass Friedrich Wilhelm IV. sich nur wenige Tage danach weigern würde, diese Wahl anzunehmen.
Die Märzrevolution von 1848
Alles begann mit einer gesamteuropäischen Wirtschaftskrise. Eine hungernde Arbeiterschaft und ein um seinen Wohlstand fürchtendes Bürgertum verbündeten sich gegen die absolutistischen Regimes, die alle keine Antwort hatten auf die Nöte und Ängste ihrer Bürger. In ganz Europa folgte ein Aufstand auf den nächsten, so auch in den deutschen Teilstaaten. Dort forderte eine intellektuelle Oberschicht schon lange nicht nur eine Beteiligung an der Regierung, sondern die Vereinigung zu einem deutschen Nationalstaat. Ende März 1848 waren die Aufständischen so mächtig, dass alle Regierungen Zugeständnisse machen mussten, unter anderem die Wahl einer gesamtdeutschen Nationalversammlung. Sie sollte unter der Leitung ihres Präsidenten Heinrich von Gagern eine Verfassung erarbeiten, die alle deutschen Teilstaaten in einem konstitutionellen Kaiserreich vereinen würde.
Es war das aufgeklärte Bildungsbürgertum, das mit 81,7 % den größten Teil der Abgeordneten stellte. Bauern oder Arbeiter fehlten völlig. Dementsprechend waren die politischen Schwerpunkte recht einseitig. Schon ein hessischer Gulden des Jahres 1848 zeigt, welche Prioritäten die bürgerlichen Revolutionäre setzten: allem voran die Pressefreiheit. Diese hatten sich die Aufständischen in vielen deutschen Staaten erkämpft, auch im Großherzogtum Hessen, wie uns dieser Gulden von 1848 zeigt.
Großherzog Ludwig II. ließ ihn prägen. Er sollte seine Zugeständnisse im ganzen Volk bekannt machen. So ist nicht er selbst auf der Vorderseite abgebildet, sondern sein Sohn Ludwig III., den er als Mitregent einsetzte, weil sich das Volk von einem jungen Mann eine fortschrittlichere Regierung versprach. Überall in Deutschland wurden damals Herrscher ausgetauscht. Ludwig I. von Bayern stolperte zum Beispiel über die Affäre Lola Montez. Und der fesche Franz Joseph folgte in Wien seinem etwas beschränkten Onkel Ferdinand.
Unser Gulden zeigt aber noch etwas anderes, nämlich Zugeständnisse, wie sie damals viele Herrscher (vorläufig) machten: Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgerichtsbarkeit, Religionsfreiheit und ein deutsches Parlament.
Eine deutsche Nationalversammlung
Also, das deutsche Parlament bzw. die deutsche Nationalversammlung. Sie tagte symbolträchtig in Frankfurt, der alten Kaiserstadt, wo vor Napoleon die Kurfürsten zusammengekommen waren, um den nächsten deutschen Herrscher zu küren.
Doch so weit sind wir noch nicht. Erst einmal hielten es all die Herren Beamten und Professoren, die da in der Paulskirche diskutierten, für unverzichtbar, einen verbindlichen Katalog der Menschen- und Bürgerrechte aufzustellen. Schließlich war das der Bereich, in dem sie sich am besten zurechtfanden. Jeder wusste, wo ihn die staatlichen Eingriffe am meisten schmerzten. Schließlich kannte jeder einzelne Abgeordnete irgendjemanden, der wegen eines Zensurvergehens in Festungshaft genommen worden war. Deshalb stand die Pressefreiheit ganz oben auf der Liste der Grundrechte, genauso wie die Vereins- und Versammlungsfreiheit sowie die Freiheit von Wissenschaft und Lehre.
Monatelang debattierte man über die Grundrechte. Dies war nicht umsonst: Viele Formulierungen und Inhalte gelten heute noch, weil sie in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen wurden. Allerdings zahlte Deutschland für diese Priorisierung einen hohen Preis: Die Diskussion über die Menschenrechte verzögerte die Meinungsfindung über die zukünftigen politischen Institutionen eines konstitutionellen Kaiserreichs Deutschland. Und als das auf der Tagesordnung stand, hatte sich das Parlament bereits lächerlich gemacht und die Fürsten ihre Macht zurückgewonnen.
Ein machtloses Parlament
In der Schleswig-Holstein-Krise zeigten sich nämlich die wahren Machtverhältnisse im Reich. In Schleswig war es zu Aufständen gegen den dänischen König gekommen; der versuchte, den Landesteil in sein Königreich zu integrieren. Doch die Bewohner Schleswigs empfanden sich als Angehörige der deutschen Nation. Ihnen sagte die Nationalversammlung Hilfe zu, musste sich dafür aber auf den preußischen Staat verlassen. Als der nun vom Ausland gezwungen einen Waffenstillstand mit dem dänischen König schloss, wollte ein Teil der Abgeordneten dies nicht akzeptieren. Mit einer hauchdünnen Mehrheit entschied sich die Nationalversammlung am 5. September 1848, diesem Waffenstillstand nicht zu ratifizieren. Sie revidierte ihre Entscheidung keine zwei Wochen später, und stimmte – mit einer fast genauso hauchdünnen Mehrheit – einer Annahme desselben Waffenstillstands zu. Damit enthüllte die Nationalversammlung nicht nur ihre Hilflosigkeit, sondern auch die Grenzen des demokratischen Systems, bei dem einige wenige Stimmen, die mal der einen, mal der anderen Seite zuneigten, die Entscheidung brachten.
Der hier abgebildete, in Altona geprägte Kupfer-Sechsling aus dem Jahr 1850 erinnert an die Schleswig-Holstein-Krise und den Versuch der Nationalversammlung, sie zu meistern. Bereits im März 1849 brach Dänemark nämlich den Waffenstillstand und löste damit erneut einen Krieg um das Schicksal Schleswig-Holsteins aus. Die Nationalversammlung berief diesmal eine deutsche Statthalterschaft, die zwischen 1849 und 1851 im Namen von Schleswig-Holstein Münzen ausgab, und das obwohl sie tatsächlich nur Holstein kontrollierte.
Wir müssen uns jetzt nicht mit dem komplexen Fortgang der dänischen Frage beschäftigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Nationalversammlung in Frankfurt sich blamiert hatte, derart blamiert, dass Befürworter einer republikanischen oder gar demokratischen Verfassung mit Waffengewalt die Auflösung der Nationalversammlung forderten. Während auf den Frankfurter Straßen wieder Barrikaden errichtet wurden, diskutierte man in der Paulskirche die Freiheit der Wissenschaften und verließ sich für den Schutz vor den Revolutionären ganz auf österreichische und preußische Truppen. Damit war das Rad der Geschichte bereits zurückgedreht. Unter dem Motto „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ wurden die Aufständischen militärisch unterdrückt.
Und während die Kanonen donnerten, disputierten in der Paulskirche die Herren Abgeordneten, wer nun zum Herrscher in ihrem konstitutionellen Kaiserreich werden sollte. Der neue österreichische Kaiser Franz Joseph winkte beizeiten dankend ab: Er herrsche über ein multinationales Reich und solange dies nicht Teil eines deutschen Nationalstaates werden könne, verzichte er auf eine leitende Stellung. Damit blieb nur die kleindeutsche Lösung unter dem preußischen König.
So votierten also die Abgeordneten am 27. März 1849 für die neue deutsche Verfassung. Am 18. März wählten sie den preußischen König zum Kaiser der Deutschen. Am 2. April stand die so genannte Kaiserdeputation im Thronsaal des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und trug ihm das Kaiseramt an. Was der davon hielt, wissen wir aus einem Schreiben, das er bereits im Dezember 1848 verfasst hatte: „Einen solchen imaginären Reif, aus Dreck und Letten gebacken, soll ein legitimer König von Gottes Gnaden … sich geben lassen…“ Nein, Friedrich Wilhelm ließ ihn sich nicht geben. Am 28. April 1849 wies er die Krone offiziell zurück.
Die Ablehnung sorgte verständlicherweise für einige Bestürzung unter den Abgeordneten. Die Prägung der Gedenkmünzen auf die Kaiserwahl wurde sofort eingestellt, der Grund warum nur so wenige Stücke überhaupt existieren.
Und nun schlugen die Fürsten zurück. Sie lösten die Parlamente in ihren eigenen Teilstaaten auf, so dass die von dort entsandten Abgeordneten ihre Legitimierung verloren. Progressive Abgeordnete versuchten, einen Staat auf demokratischer Basis zu errichten, worauf viele Konservative ihr Mandat endgültig niederlegten. Am 30. Mai beschloss der Rest der Nationalversammlung mit 71 gegen 64 Stimmen und 4 Enthaltungen, vorsichtshalber nach Stuttgart umzuziehen, weil ein preußischer Einmarsch in Frankfurt befürchtet wurde. In Stuttgart durften sie noch bis zum 18. Juni Nationalversammlung spielen, bis der württembergische König die noch aus etwa einhundert Mann bestehende Versammlung mit Gewalt auflösen ließ.
Das war das vorläufige Ende der Bemühungen, einen fortschrittlichen deutschen Staat zu begründen. Die vier hier gezeigten Münzen sind numismatische Zeugnisse für diese Geschichte. Wir haben bewusst auch Münzen mit zweistelligen Schätzungen als Illustration gewählt, um so den Beweis zu führen, dass man auch für wenig Geld viel Geschichte kaufen kann.
Alle Münzen der Auktion 360 finden Sie im Onlinekatalog.
Für weitere Informationen zum Auktionshaus besuchen Sie die Website von Künker.