MenschenGesichter Teil 3: Die Quellnymphe Arethusa
mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich
Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“ dem die Texte unserer neuen Serie entnommen sind.
Syrakus (Sizilien). Dekadrachmon, 400-395 v. Chr. Werk des Stempelschneiders Euainetos, dessen Signatur man im Halsabschnitt unter dem Delphin erkennen kann. © MoneyMuseum.
Pausanias überliefert in seinem Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten Griechenlands, dass Arethusa einst eine Jägerin gewesen sei, die sich von Alpheios verfolgt sah. Doch ehe der junge Mann das Mädchen vergewaltigen konnte, verwandelten sie die Götter in eine Quelle. In ihrer neuen Gestalt gelangte Arethusa bis zur Insel Ortygia, dem befestigten Zentrum der Stadt Syrakus. Alpheios aber wurde zu einem Fluss und folgte der Entflohenen. Er soll noch heute seine Wasser mit denen der Arethusa mischen und damit reich sprudelndes Süßwasser auf einer ansonsten vom Meerwasser umschlossenen Insel liefern.
Die dem Festland vorgelagerte Insel Ortygia aus der Vogelperspektive. Markos90 / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en.
Soweit der Mythos, der in historischer Zeit an einen viel älteren Kult anknüpfte. Denn die Verehrung einer Naturgottheit, verkörpert in der Quelle Arethusa, war in Syrakus wesentlich älter. Das Erlebnis, auf einer steinigen Insel, umgeben vom nicht genießbaren Salzwasser des Mittelmeeres, eine Süßwasserquelle zu finden, die noch dazu ausreichte, um eine kleine Stadt zu versorgen, dies empfanden die Menschen in der Antike als einen göttlichen Gnadenerweis. So wurde Arethusa, die Gottheit, die in der Quelle gegenwärtig war und ihre sprudelnden Wasser den durstigen Menschen schenkte, von Syrakus als eine Staatsgottheit verehrt. Den Bürgern der Polis war sie so wichtig, dass sie die Quellnymphe praktisch von Anfang an auf den Münzen der Stadt abbildeten.
Schon bald wurden Arethusa als Attribut vier um sie herumschwimmende Delphine beigegeben. Diese Tiere waren nicht willkürlich gewählt. Der Delphin galt in der Antike als das Tier, das – von Apoll gesandt – dem Schiff sichere Überfahrt signalisierte. Wichtig für das Gelingen einer weiten Schifffahrt über das Mittelmeer waren vor allem die Häfen, die ein von Stürmen bedrängtes Schiff anlaufen konnte. Und die Götter hatten die Stadt Syrakus wahrlich gesegnet: Gleich zwei Häfen, ein großer und ein kleiner, boten je nach Windrichtung Schutz vor den Unbilden des Wetters. Im Jahre 734 v. Chr. soll eine Gruppe von korinthischen Kolonisten diesen idealen Platz für eine Siedlung entdeckt und okkupiert haben. Es war also in erster Linie die geografische Lage, durch die Syrakus in sehr kurzer Zeit zu einer der größten und bedeutendsten Handelsstädte der antiken Welt wurde. Und dies empfanden ihre Bewohner als Gottesgeschenk.
Sie stellten auf der Rückseite ihrer Münzen eigentlich ein Abbild ihrer Stadt aus der Vogelsicht dar: Die Quelle Orthygia in der Mitte, umgeben von den ringsum flutenden Wassern des Mittelmeeres.
In der nächsten Folge lernen Sie Philipp, den Vater Alexanders des Großen als Münzherrn kennen.
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Alle Teile der Reihe finden Sie hier.
Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.