Griechische Söldner in persischen Diensten
Als Alexander der Große Persepolis eroberte, fand er in der königlichen Schatzkammer nicht nur kostbare Gewänder, aufwändig produzierte Möbel und einzigartige Edelsteine; er erbeutete vor allem Gefäße aus Silber und Gold, deren Metallwert die antiken Autoren mit 120.000 Talenten Silber beziffern.
Apadana in Persepolis: Ein Inder bringt den berühmten Goldstaub aus dem Industal als Geschenk für den König. Foto: KW.
Münzen dagegen wurden in der Schatzkammer kaum aufbewahrt. Warum auch? Man brauchte sie ausschließlich, wenn der persische König Geschäfte am Mittelmeer zu erledigen hatte. Und spätestens seit seinem Eingreifen in Kleinasien gab es dort genügend zu tun (und zu bezahlen). Die Perser unterhielten vor Ort nämlich eine große Flotte, deren Aufbau und Unterhalt mit königlichem Silber finanziert wurde.
Der persische König Dareios I. thronend; er begrüßt die Gesandtschaften, die ihm ihre Geschenke bringen. Foto: KW.
Dafür wurde nicht nur mit den von König Dareios I. geschaffenen Gold-Dareiken und Silber-Sigloi bezahlt. Im Gegenteil. Auf Anordnung des Königs ließen die zuständigen Satrapen den budgetierten Betrag in den vor Ort beliebtesten Münzen ausprägen. Sie waren dabei nicht auf „persische“ Währung beschränkt, sondern benutzten die unterschiedlichsten Münzdarstellungen. Diese durften allerdings nicht, und das untermalt der „Fall Aryandas“, den uns Herodot schildert, den Eindruck vermitteln, ein Satrap sei ihr Urheber gewesen. So soll Dareios I. im Jahr 500 v. Chr. Aryandas für das Vergehen, Silbermünzen mit dem eigenen Porträt geprägt zu haben, hinrichten haben lassen. Wobei die Numismatik leider keine Münzen des Aryandas kennt und so die Wahrheit von Herodots Behauptung nicht belegen kann.
Kyros der Jüngere, +401. Tetradrachme, um 407/4. Unikum. Sehr schön. Schätzung: 12.500 Euro. Aus Auktion Künker 304 (19. März 2018), Nr. 548.
Leo Mildenberg stellte 1993 in seinem Artikel über das Münzwesen im Perserreich fest, dass vor allem die Eulen aus Athen gerne von persischen Satrapen imitiert wurden. Viele dieser Imitationen sind für uns auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennbar. Sie erweisen sich nur dann als persisch, wenn sie hinsichtlich Stil oder gar Abbildung deutlich von den Originalen abweichen.
Detail der vorherigen Tetradrachme.
Dies tut das bei Künker unter Nummer 548 angebotene Stück. Dieses Unikum inspirierte Wolfram Weiser zu einer detailliert ausgearbeiteten Hypothese, in welcher historischen Situation diese Münzen geprägt worden sein könnten. Von entscheidender Bedeutung ist für ihn die Tatsache, dass der kleine Kopf, der auf dieser Münze abgebildet ist, auf der einen Seite durch die aufgestellte Tiara als königlich charakterisiert wird, auf der anderen Seite nicht, wie im Perserreich üblich, einen langen Kinnbart trägt. Weiser will deshalb dieses Porträt mit Kyros dem Jüngeren identifizieren, der 407 v. Chr. von seinem Vater zu einem mit Sondervollmachten (und eigenem Budget) ausgestatteten Feldherrn (Karanos) ernannt wurde. Kyros dürfte zum damaligen Zeitpunkt höchstens 16 Jahre alt gewesen sein. Aus diesem Grund stellte ihm sein Vater den erfahrenen Satrapen Tissaphernes an die Seite.
Astyra. Tissaphernes. AE 400-395. Gutes sehr schön. Schätzung: 75 Euro (sic!). Aus Auktion Künker 304 (19. März 2018), Nr. 427. – Ähnlich wie im römischen Reich scheinen die lokalen Autoritäten hinsichtlich der lokalen Bronzeprägungen im Perserreich größere Freiheiten genossen zu haben.
Die Identifizierung des kleinen Porträts mit Kyros dem Jüngeren ist umso faszinierender, als wir zahlreiche Informationen über den von ihm gezahlten Sold haben. Aber sehen wir uns zunächst einmal die historische Situation an, in der Kyros zum Karanos wurde:
Wir befinden uns zeitlich in der Endphase des Peloponnesischen Krieges, in dem die Spartaner gegen die Athener um die Vormacht in der griechischen Welt kämpften. Athen war das Geld ausgegangen. Und Alkibiades, der nach dem Hermenfrevel zu den Spartanern übergelaufen war, lockte die Athener mit dem Versprechen, die Perser seien bereit, finanziell einzuspringen, würde man die Demokratie durch eine Oligarchie ersetzen und ihn mit allen Ehren zurückrufen. Tatsächlich kam es daraufhin zu einem Umsturz, der allerdings nur kurzzeitig Erfolg hatte und nach seinem unrühmlichen Ende die radikalen Demokraten unter der Führung des Kleophon an die Macht brachte. Gegen sie verbündete sich der spartanische Feldherr Lysander mit Kyros dem Jüngeren.
Artaxerxes II.(?), 404-358. Tetradrachme 404-401. Äußerst selten. Vorzüglich. Schätzung: 1.000 Euro. Aus Auktion Künker 304 (19. März 2018), Nr. 547.
Zu diesem Zweck stattete Lysander Kyros dem Jüngeren in Sardeis einen diplomatischen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit schlossen er und der junge Karanos ein Bündnis. Kyros verfügte über ein Budget von 500 Talenten. Er konnte also nicht die etwas übertriebene Forderung des Lysander von einer Drachme Sold pro Mann und Tag einfach so abnicken. Bisher hatten die Perser nämlich nur drei Oboloi für den Söldner gezahlt. Nach langen Verhandlungen einigte man sich auf vier Oboloi pro Mann und Tag. Das bedeutete pro Schiff und Monat 4.000 Drachmen bzw. 1.000 Tetradrachmen, umgerechnet entsprach das fünf Tetradrachmen pro Mann im Monat.
Dareios II.(?), 423-404. Tetradrachme 407-404. Sehr selten. Sehr schön. Schätzung: 10.000 Euro. Aus Auktion Künker 304 (19. März 2018), Nr. 546.
Um diese Zahlungen zu leisten, soll Kyros Tetradrachmen nach athenischem Vorbild herstellen haben lassen. Hatten sich die Perser früher auf dem freien Markt Münzen dieser Währung besorgt, war dies, so Weiser, im Jahr 407 nicht mehr möglich, da die Athener deren Prägung praktisch eingestellt hatten. Deshalb übergab der Feldherr das rohe Silber einer Münzstätte in Sardeis, in der „Griechen, wenn nicht sogar Athener, die sich nach Schließung der attischen Münzstätte in Sardeis verdingt haben könnten“ arbeiteten.
Detail der vorherigen Tetradrachme.
Diese lösten das Problem, persische Münzen nach Athener Vorbild zu produzieren, indem sie aramäische Buchstaben oder – wesentlich spektakulärer – kleine Köpfe der persischen Autoritäten als Beizeichen auf die Münzen setzten. Weil man am persischen Hof aber nicht mit dieser Darstellung einverstanden war, tilgte man die Köpfe von den Stempeln und stellte später Stempel ohne diese Porträts her.
Die These Weisers ist verführerisch. Sie bringt diese Münzen mit einem Mann in Verbindung, den viele durch die Anabasis, das großartige Werk Xenophons über den Rückmarsch der Griechen ans Meer, seit ihrer Schulzeit kennen (und vielleicht sogar bewundern). Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass diese These eine These ist. Und dass diese Münzen auch in einem anderen historischen Zusammenhang entstanden sein könnten. Schließlich ließen die Perser immer wieder Münzen prägen, um Söldner zu bezahlen oder in die innergriechischen Auseinandersetzungen einzugreifen. So nennt Hilmar Klinkott in seinem Buch über die Satrapen allein 40 Zitate aus den Werken der antiken Schriftsteller, in denen es um persische Subsidien geht.
Apadana in Persepolis: Die Ionier bringen dem persischen König edle Stoffe und Gefäße aus Edelmetall als Geschenk. Foto: KW.
Auf jeden Fall sind die bei Künker angebotenen Tetradrachmen nach athenischem Vorbild, die durch ihre Beizeichen eindeutig zu verstehen geben, dass sie im persischen Auftrag entstanden, von höchstem historisch-numismatischen Interesse und eine Schlüsselprägung, wenn es darum geht, die monetären Verstrickungen zwischen Persern und Griechen zu durchschauen.
Und last but not least sind sie ein wunderbares Zeugnis dafür, dass das Verhältnis zwischen Griechen und Persern wesentlich komplexer war, als es uns manch modernes Hollywood-Märchen glauben machen mag.
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