Gallienus und der Osten
von Claire Franklin-Werz
Am 15. Februar 2018 findet in Weil am Rhein die 46. Auktion der Münzen & Medaillen GmbH statt. Unter den antiken Münzen gibt es dabei eine Serie von Münzen, die unter Gallienus (und seiner Familie) in den östlichen Gebieten des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. geprägt wurden. Die meisten dieser Münzen stammen aus der Sammlung des verstorbenen Markus Weder (1953-2016).
Gallienus. Antoninian, Rom. Rv. Reh n. l. stehend. Aus Slg. Weder. Schätzung: 20 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 933.
Markus Weder war ein anerkannter Experte für die römischen Münzen des 3. Jahrhunderts, und er war vielen Sammlern durch seine Artikel in der Schweizerischen Numismatischen Rundschau bekannt, in denen er die stilistischen Besonderheiten bestimmter Münzstätten und Münzserien herausarbeitete. Er ging davon aus, dass bestimmte Serien nur durch eine Stiluntersuchung geordnet werden können (1994: 245), im Gegensatz zu Robert Göbls Methode, die Münzen in „Emissionen“ zu unterteilen. Markus Weder stellte einige der Kriterien für Göbls Einteilungen in Frage. Dafür sammelte Markus Weder bestimmte Münztypen in Serien, was ihm ermöglichte, solche stilistischen Aspekte zu untersuchen, und er verwendete oft seine eigenen Münzen für seine Arbeiten. Als er starb, war die jetzt angebotene Sammlung östlicher Ausgaben noch in seinem Besitz. Anscheinend erwarb er sie in den 1970er Jahren. Leider veröffentlichte er keine umfassende Studie dieser Serien.
Shapur I. führt die besiegten römischen Kaiser vor: Vor ihm kniet Philippus Arabs, sein Pferd trampelt Gordian III. nieder und an seiner rechten Hand führt er Kaiser Valerian in die Gefangenschaft. Felsenrelief Tang e-Showgan. Foto: KW.
Die Zeit, die zur Herrschaft des Kaisers Valerian und seines Sohnes Gallienus führte, war eine turbulente Zeit, in der Rom von inneren und äußeren Problemen geplagt war und kurzlebige Soldatenkaiser, Gegenkaiser und Usurpatoren regierten. Im Sommer 253, nach dem Tod des Trebonianus Gallus und der Machtergreifung des Aemilian (siehe Nr. 920-921), dessen Regierung nur drei Monate währte, wurde Valerian von seinen Soldaten zum Kaiser erhoben. Er war ein Mitglied der alten römischen Senatorenklasse, der römischen Oberschicht, und er war etwa 53 Jahre alt. Er sah, dass er seine Macht absichern musste, und ernannte deshalb bald darauf seinen erwachsenen Sohn Gallienus zum Mitkaiser. Für die nächsten acht Jahre blieb der Ostteil des Reiches, der durch die persischen Sassaniden bedroht war, unter der Kontrolle Valerians, während Gallienus von Rom aus den Westen kontrollierte. Nach 260 führte das Wegbrechen des Gallischen Sonderreiches unter Postumus und seinen Nachfolgern dazu, dass Gallienus im Westen intensiv beschäftigt war.
Valerian reiste bald nach seiner Regierungsübernahme in den Osten, um gegen Shapur I. Krieg zu führen, der die frühere römische Provinz Armenien erobert hatte. Große Mengen Münzen wurden nun in den östlichen Münzstätten hergestellt, denn die Armee im Osten musste bezahlt werden. Einige Münzen tragen Umschriften, die die Hoffnung auf zukünftige Siege ausdrücken, wie VICTORIA AVGG (Nr. 927), was Göbl als wahrscheinlich „proleptisch“ bezeichnet, d. h. die Siege wurden gefeiert, bevor sie gewonnen worden waren (unglücklicherweise bewies die nachfolgende Geschichte, dass das keine gute Taktik war). –AVGG bezieht sich auf die zwei Augusti, Valerianus und seinen Mitkaiser Gallienus.
Gallienus. Antoninian, Antiochia. Rv. LVNA LVCIF Luna Lucifera mit Mondsicheldiadem n. r. gehend. Aus Slg. Weder. Schätzung: 75 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 944.
Die Münzstätte vieler dieser Prägungen war Antiochia am Orontes, die Hauptstadt der römischen Provinz Syrien und eine der größten Städte des ganzen römischen Reiches. Allerdings erscheint der Name der Stadt nicht auf den Münzen. Es geschieht in dieser Zeit oft, dass die Münzstätten auf den Münzen nicht genannt werden. Antiochia hatte, gemeinsam mit seinem Hafen Seleukeia Pieria, lange Zeit eine wichtige Rolle in der Verwaltung des römischen Reiches und als Handelszentrum gespielt, da hier mehrere aus dem Osten kommende Handelswege zusammentrafen. 17 km vom Meer entfernt, lag Antiochia auf der Ebene zwischen dem Fluss Orontes und den Bergen. Es hatte eine große städtische Bevölkerung, mehrere Vorstädte und weitläufige Olivenplantagen. Die Stadt blühte bis weit in die Spätantike, wie die Werke späterer Einwohner wie des Schriftstellers Libanius zeigen. Während der Zeit von Valerian und Gallienus wurde Antiochia mindestens zweimal von den Persern erobert, scheint sich aber jedes Mal wieder erholt zu haben.
Valerianus. Antoninian, Samosata. Rv. RESTITVT ORI-ENTIS Der Kaiser, r. mit Zepter, erhält Kranz von einer Frau mit Mauerkrone. Aus Slg. Weder. Schätzung: 50 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 923.
Außerdem wurden für Valerian Münzen in einer noch weiter östlich gelegenen Münzstätte geprägt, die Pierre Bastien und Helène Huvelin in ihrer 1969 veröffentlichten Arbeit über einen großen syrischen Münzfund als „deuxième atelier d’orient“ bezeichneten. Markus Weder bekam Münzen aus diesem syrischen Münzfund, nachdem er veröffentlicht und versteigert worden war. Robert Göbl identifizierte diese zweite östliche Münzstätte als Samosata, eine Stadt am Fluss Euphrat in Mesopotamien, Geburtsstätte des römischen Satirenschreibers Lucian/Loukian. Heute liegt dieser Ort (Samsat in der Provinz Adiyaman, Türkei) unter einem Stausee. Wie Antiochia spielte auch Samosata eine wichtige Rolle für die antiken Händler, die die östlichen Handelsstraßen nach Damaskus und dem Oasen-Königreich Palmyra bereisten. Samosata arbeitete als Münzstätte vermutlich zwischen 255 und 258. Möglicherweise ersetzte sie die Münzstätte in Antiochia, das in dieser Zeit mehrmals geplündert wurde, so im Jahr 253 während der Herrschaft des Trebonianus Gallus, dann 256 und noch einmal 260. Die historischen Quellen für diese Zeit sind recht lückenhaft. Unter den Prägungen Samosatas sind Münzen, die RESTITVT ORIENTIS verkünden, in der – wiederum irreführend optimistischen – Annahme, dass Valerian schnell die Kontrolle über den Osten für Rom wiedergewinnen würde (Nr. 923).
Gallienus. Antoninian, Antiochia. Rv. AETERNITAS AVG Die römische Wölfin mit Romulus und Remus. Im Abschnitt Zweig. Aus Slg. Weder. Schätzung: 75 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 946.
Von Valerian wird berichtet, dass er 254-255 in Antiochia residierte SEG 17,528) und im Mai 258 (Codex Justinianus 5,3,5,9,9,18). Für Gallienus als Caesar wurden im Osten keine Münzen geprägt, und nur wenige unter seiner gemeinsamen Herrschaft mit Valerian, denn hier war nicht sein Einflussgebiet: Er blieb im Westen, wo er den germanischen Alemannen und dem Usurpator Postumus in Gallien gegenüberstand. Ungefähr im Juni oder Juli 260 jedoch (das genaue Datum ist unbekannt) wurde Valerian von dem Sassanidenkönig Shapur I. in der Nähe von Edessa gefangengenommen. Er kehrte nie nach Rom zurück.
Das Felsrelief von Naqsh i Rostam. Foto: KW.
Die siegreichen Perser bildeten in einem Felsrelief bei Naqsh i Rostam die Szene mit dem sich unterwerfenden Valerian ab, und er starb wohl in der Gefangenschaft. Shapur, der sich „König der Könige von Iran und Nicht-Iran“ nennen ließ, erwähnt in der Inschrift am Felsrelief von Naqsh i Rostam ausdrücklich Antiochia und Samosata in der Aufzählung der Städte, die er von den Römern eroberte (Textübersetzung Soward, E-Sasanika Sources). Der genaue Zeitpunkt von Valerians Tod ist unbekannt und ist schon viel diskutiert worden.
Gallienus herrschte allein ab 260. Wir wissen nicht, ob oder wann er weitere Feldzüge in den Osten unternahm – er war mit den Ereignissen im Westen beschäftigt – , aber er beanspruchte östliche Titel, einen Sieg über die Parther 257 und den Titel Persicus oder Parthicus Maximus wahrscheinlich im Jahr 265 (Kienast). Unter seiner alleinigen Regierung wurden Antoniniane in Antiochia geprägt, meist mit der Umschrift GALLIENVS AVG. Sie sind von ziemlich geringem Gewicht, denn die Währung war durch Inflation und die Kosten des Krieges abgewertet. Die Münzen hatten einen dünnen Silberüberzug, der ihnen, solange er intakt war, ein silberglänzendes Aussehen gab, was den Wertverfall kaschieren sollte. Die Portraits auf den Münzen, die unter Gallienus in Antiochia geprägt wurden, sind klein und flach, aber fein geschnitten, wie auch die Rückseiten. Die Umschriften sind normalerweise präzise geschnitten mit gleichmäßiger Verteilung der Buchstaben.
Gallienus. Antoninian, Antiochia. Rv. MINEREA (sic!) AVG Minerva mit Lanze und Schild n. r. stehend, im Abschnitt Zweig. Aus Slg. Weder. Schätzung: 65 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 951.
Es kommen aber Rechtschreibfehler vor wie z. B. MINEREA statt MINERVA (Nr. 951), möglicherweise ein Versuch eines Griechisch sprechenden Stempelschneiders, MINERBA zu schreiben, was ein öfter vorkommender Fehler dieser Zeit war, da im späteren Latein die Aussprache des „v“ sich dem bilabialen Reibelaut „b“ annäherte. IVBENTVS statt IVVENTVS, Jugend, ist ein weiteres Beispiel für diese Veränderung der gesprochenen Sprache, die Auswirkungen auf die Münzinschriften hat (Nr. 979). FORTVNA REOVX statt REDVX enthält ebenfalls einen Schreibfehler (Nr. 978).
Gallienus. Antoninian, Antiochia. Rv. ROMAE AETERNAE Roma n.l. thronend, Victoria in der Rechten, Lanze in der Linken haltend, im Felde l. Stern. Aus Slg. Weder. Schätzung: 50 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 955.
Markus Weder besaß eine Reihe verschiedener Typen, manchmal auch mit verschiedenen Daten: Anders als bei den meisten Ausgaben dieser Zeit trugen einige östliche Ausgaben Daten oder Kontrollmarken. Leider ist ihre Reihenfolge nicht geklärt, und verschiedene Wissenschaftler haben unterschiedliche Ansichten darüber geäußert, wie die Kontrollmarken zu interpretieren sind. In der hier besprochenen Auswahl kommen die Kontrollmarken VIIC (7. Konsulat ?), PXV (möglicherweise 267; Roger Bland und andere meinen, es sei später) und CVIPP (vielleicht 265) vor, sowie verschiedene Punkte, Sterne, Halbmonde und Zweige. Sie könnten sich auf verschiedene Ereignisse beziehen, über die wir nur Vermutungen anstellen können.
Gallienus. Antoninian, Antiochia. Rv. VIRTVS AVG Der Kaiser n. r. stehend, Lanze und Globus haltend. Im Abschnitt Zweig. Aus Slg. Weder. Schätzung: 60 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 959.
Viele der in Antiochia geprägten Typen sind in einem lokalen Stil geschnitten, während die Typen selber auch in anderen Teilen des Reiches benutzt wurden. Wahrscheinlich wurden viele für die Bezahlung der römischen Soldaten gebraucht und nicht so sehr für Zahlungen an die lokalen Führungsschichten, und deshalb wurden die gängigen römischen Münzbilder benutzt. AETERNITAS AVG (Nrn. 946 und 992) zeigt das traditionelle Bild der römischen Wölfin mit Romulus und Remus, eine Verbindung von Umschrift und Bild, die auch von Probus und Aurelianus verwendet wurde. ROMAE AETERNAE bildet eine deutliche Verbindung zur Mutterstadt (Nr. 955). Interessanterweise sieht jedoch der Typ VIRTVS AVG, der den Kaiser abbildet (Nrn. 959 und 965) ganz anders aus als der in Rom geprägte Typ mit der gleichen Umschrift. VIRTVS AVGVSTI (Nr. 960) andererseits trägt ein Bild des Hercules, das den Statuen des Farnese-Typs entspricht, mit Keule und Löwenfell. Der Typ LVNA LVCIFERA (Nr. 944) war auch unter Iulia Domna schon geprägt worden, aber die Umschrift deutet eine Herkunft aus archaischer latinischer Religion, wo Alliterationen oft vorkamen. Das Bild auf Nr. 977, ein Löwe mit einem Stierkopf im Maul, ist schwer zu deuten; ähnliche Darstellungen sind weit verbreitet und kommen z. B. in Ostia und Ephesos vor.
Salonina. Antoninian, Antiochia. Rv. AEQVITAS AVG Aequitas n.l. stehend, Waage und Füllhorn haltend, im Abschnitt Datum VIIC. (= 266 n. Chr.). Aus Slg. Weder. Schätzung: 50 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 1005.
Auch für Salonina, die Gemahlin des Gallienus, wurden Münzen in großer Zahl im Osten geprägt. Die Sammlung enthält zwei in Antiochia geprägte Beispiele, von denen eines datiert ist (AEQVITAS AVG, datiert VIIC, Nr. 1005). Viele Typen waren die gleichen wie für ihren Gemahl.
Valerian II. Caesar. Antoninian, Samosata. Rv. PRINC IVVENTVTIS Der Caesar l. bekränzt Tropaion r. Aus Slg. Weder. Schätzung: 90 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 1009.
Die hier beschriebene Sammlung enthält kein Exemplar von Gallienus‘ Sohn Valerian II. aus Antiochia, aber eines aus Samosata (Nr. 1009). Valerian II. war der Sohn von Gallienus und Salonina. Ab 255 war er Caesar (Göbl S. 58), aber er starb jung und wurde ca. 258 konsekriert.
Saloninus Caesar. Antoninian, Köln. Rv. PIETAS AVG Priestergeräte. Aus Slg. Weder. Schätzung: 75 Euro. Aus Auktion Münzen & Medaillen GmbH 46 (15. Februar 2018), Nr. 1011.
Sein Bruder Saloninus (siehe Nr. 1010-1011) wurde nach Gallien geschickt, wo er in Köln von Postumus ermordet wurde. Für ihn wurden Münzen mit dem Titel Princeps Iuventutis, „Anführer der Jugend“, geprägt, einem Titel, den Augustus für seine adoptierten Söhne Gaius und Lucius erfunden hatte.
Diese und andere Münzen und numismatische Bücher werden in Auktion 46 der Münzen & Medaillen GmbH, Weil am Rhein, am 15. und 16. Februar 2018 versteigert. Der Katalog ist im Internet zu sehen. Internet Live Bidding ist möglich für Kunden, die sich rechtzeitig vorher anmelden.