Fälschungen erkennen – leicht gemacht
mit freundlicher Genehmigung des IBSCC
Teil 1: Fälschungen von neu geschnittenen Stempeln
Jeder Münzsammler, der nicht ausschließlich bei Münzhändlern kauft, die für die Echtheit der von ihnen verkauften Münzen bürgen (was z. B. alle Mitglieder der International Association of Professional Numismatists tun) muß sich darüber Sorgen machen, ob er am Ende gar Fälschungen erwirbt.
Und die Verunsicherung ist groß. Gerade im Internet tummeln sich jede Menge von selbst ernannten Spezialisten, die ihre Meinung über die Echtheit von Münzen ungefragt kundtun und das – was noch schlimmer ist – ohne die Münzen, über die sie urteilen, in den eigenen Händen gehabt zu haben. Sie kümmern sich nicht um eine wissenschaftliche Argumentation und sie verunsichern die Sammler, die es sich bisher noch nicht zutrauen, selbst Fälschungen zu erkennen. Deshalb hat das IBSCC eine kleine Leitlinie veröffentlicht, wie jeder Sammler selbst „einfache“ Fälschungen entlarven kann. Und mehr als 90 % von allen Fälschungen, die auf dem Markt auftauchen, gehören zu den Fälschungen, die mit simplen Methoden, die wir im Verlauf dieser Kolumne beschreiben werden, identifiziert werden können.
Zwei wesentliche Voraussetzungen gibt es, um ein verantwortungsvolles Urteil über eine Münze abgeben zu können:
1.) Man muß die fragliche Münze in den eigenen Händen halten. Ein Urteil, das lediglich auf einem Foto basiert, muß immer unverbindlich bleiben.
2.) Für die Untersuchung der fraglichen Münze braucht es eine ganz bestimmte Art von Vergrößerungsgläsern. Wir empfehlen, ein Vergrößerungsglas mit der größtmöglichen Vergrößerungsstufe zu kaufen. Die meisten Mitglieder des IBSCC benutzen eine Lupe, die Details auf das 15fache ihrer ursprünglichen Größe vergrößert.
Abb. 1 und 2: Links der Paduaner – und rechts das Original aus der Sammlung Bally, Münzen und Medaillen AG, Basel 93 (2003), 200
Fälschungen von neu geschnittenen Stempeln
Beginnen wir mit Fälschungen aus der Vergangenheit. Schließlich begann die Nachahmung von Münzen ziemlich genau zum selben Zeitpunkt wie das Sammeln. Als sich also das Interesse an antiken Münzen im Italien der Renaissance verbreitete, gab es sofort einige tüchtige Handwerker, die bereit waren, den Bedarf zu decken. Zu dieser Zeit nannte das übrigens niemand „Fälschen“. Die gerade vollendete Münze, die ein antikes Vorbild mustergültig nachahmte, wurde genauso bewundert wie das antike Original. Der Namengeber der Paduaner, wie diese Nachahmungen heute allgemein genannt werden, war Giovanni da Cavino aus Padua, ein angesehener Handwerksmeister und eine Zierde seiner Zunft. Er wurde in Streitfällen innerhalb seiner Gilde als Schiedsrichter angerufen und wäre höchst schockiert, wenn er wüßte, daß wir ihn heute in erster Linie als Vater aller Münzfälscher kennen. Abb. 1 zeigt ein hervorragendes Beispiel seiner Arbeit, einen Sesterz des Pertinax, den man hier mit einem Original aus der Sammlung Bally vergleichen kann (Abb. 2).
Abb. 3 und 4: Das C – links der Paduaner – und rechts das Original
Giovanni da Cavino beherrschte sein Handwerk. Seine Fälschungen waren und sind technisch gesehen perfekt, weil er genau die gleiche Methode anwandte wie seine Vorgänger, die Stempelschneider der Antike und die Angestellten der Münzstätten, die für die Prägung verantwortlich waren. Er schnitt den Stempel und prägte dann seine Münzen mit dem Hammer auf dem Amboß. Aber genau das ist es auch, was uns die Möglichkeit eröffnet, diese Sorte von Fälschungen zu erkennen. Wann immer ein neuer Stempel geschnitten wird, unterscheidet er sich vom Original in Details – unwichtigen Details und entscheidenden Details. Sehen wir uns das hier einmal für die Form der Buchstaben an. Ein gutes Beispiel ist das C und das S in der Vorderseitenlegende. Die Buchstaben wurden in den antiken Stempel mit einem Werkzeug eingegraben, das einen dreieckigen Grundriß aufwies. Am Beginn der Linie des S nehmen wir dort, wo der Grabstichel angesetzt wurde, eine dreieckige Vertiefung wahr. Eine ähnliche dreieckige Vertiefung kann man am Ende des S sehen.
Abb. 5 und 6: Das S – links der Paduaner – und rechts das Original
Auch das C hat dasselbe Erscheinungsbild. Jeder Buchstabe auf dem antiken Original ist nicht eine einfache Linie, sondern eine Linie, die dicker und dünner wird, tiefer und weniger tief. Wenn man das Original der Münze mit dem Paduaner vergleicht, den Cavino anfertigte, sieht man sofort, daß die Buchstaben nicht so geformt sind wie die antiken Vorbilder. Alle Linien sind dünn und fein, ohne die Verdickung am Ende. Schon diese besondere Form der Buchstaben wäre Grund genug, die Münzen des Cavino zu verurteilen.
Abb. 7: Eine moderne Fälschung eines Denars des Septimius Severus
Erfreulicher Weise haben nicht nur die Fälscher aus der Zeit der Renaissance Probleme, Buchstaben auf römischen Münzen nachzuahmen. Ein Blick darauf, wie die Buchstaben auf einer Münze geformt sind, ist eine der grundlegenden Untersuchungsmethoden, die man anwenden kann. Abb. 7 zeigt eine Fälschung, die erst kürzlich hergestellt wurde. Sie gehört zu der Gruppe, die man heute die „Bulgarischen Fälschungen“ nennt. Das Stück imitiert einen Denar des Septimius Severus, und der Fälscher studierte sehr genau die antiken Münzen, um die Buchstaben richtig zu gestalten. Wir sehen, daß er sich bemüht hat, die Art und Weise, wie römische Buchstaben geformt sind, zu kopieren. Aber das Ergebnis ist nicht gerade überzeugend zu nennen. Die Buchstaben sind viel zu steif. Unser Fälscher erkannte, daß jede Linie beim Ansatzpunkt tiefer und breiter ist. Aber er merkte nicht, daß die römische Münzstätte unter Septimius Severus ihre Technik bereits umgestellt hatte. Die Buchstaben wurden nicht mehr einzeln in den Stempel graviert, sondern mit einer Punze eingestempelt. Deshalb sehen die Buchstaben anders aus. Besonders das E mit seinen horizontalen Linien, die viel zu lang ausgefallen sind, fällt ab im Vergleich zu den originalen Stücken aus dieser Epoche.
Abb. 8 und 9: Links die Fälschung, rechts das Original
Mit der Hilfe der alten und bekannten Fälschungen des Cavino haben wir also ein Charakteristikum erarbeitet, auf das man immer sehr sorgfältig achten sollte – die Buchstaben der Inschrift und die Art, wie diese Buchstaben gemacht sind. Aber bitte denken Sie daran, wenn Sie ein fragliches Stück untersuchen: Es muß immer mit einem Original aus der Zeit und der Gegend verglichen werden. Die Art und Weise, wie Buchstaben graviert oder eingepunzt wurden, änderte sich auch in antiker Zeit.
Natürlich ist nicht nur der Stil der Buchstaben ein Argument für bzw. gegen die Authentizität von Münzen. Auch der Stil der Darstellung kann entlarvend sein. Aber den Stil einer Darstellung zu beurteilen ist sehr schwierig. Es braucht ein gutes Auge und eine Menge Erfahrung, um eine Münze aus stilistischen Gründen zu verdammen. Sogar Archäologen, deren Beruf es ja gerade ist, über Stil nachzudenken, haben von Zeit zu Zeit Fehler gemacht, wenn sie sich zu einer Münze äußern sollten, die aus einer Münzstätte von den Rändern der klassischen Welt kam. Falls nicht ausreichendes Material vorhanden ist, das man für einen Vergleich nutzen kann, wird es nie genug Beweise geben, um eine Münze endgültig aufgrund stilistischer Abweichungen zu verurteilen.
Abb. 10: Abstruse Fälschung einer Oktodrachme Alexanders I. von Makedonien
Hier finden Sie drei Exemplare von Fälschungen, die als solche mittels ihres Stils entlarvt werden können. Sie reichen von einfach bis schwer. Die erste Münze soll eine Oktodrachme von Alexander I., König von Makedonien imitieren (Abb. 10). Der Stil ist völlig abstrus. Er ist so abstrus, daß man im ersten Moment denken könnte, es handle sich hier um eine keltische Imitation, einfach weil sich niemand vorstellen kann, daß ein Fälscher ein derartig krudes Stück zu verkaufen trachtet.
Abb. 11: Fälschung eines Sesterzes der Didia Clara
Der Sesterz der Didia Clara ist bereits ein wenig gefährlicher (Abb. 11). Er hat eine wundervolle grüne Patina, die einen Sammler dazu veranlassen könnte, dieses Stück für echt zu kaufen.
Abb. 12 und 13: Zwei sehr gefährliche Fälschungen eines 25-Litren Stücks aus Syrakus
Abb. 12 und 13 zeigen sehr gefährliche Fälschungen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Die Stücke sollen 25 Litren aus Elektron imitieren, wie sie in Syrakus geprägt wurden. Wenn man nur eine der beiden Münzen zu sehen bekäme, bräuchte man schon ein sehr geschultes Auge um festzustellen, ob der Stil gut ist oder nicht. Glücklicherweise kamen diese beiden Stücke innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne auf den Markt. Das heißt natürlich nicht automatisch, daß sie falsch sein müssen, aber es ist ein Grund, mißtrauisch zu werden und ein starkes Motiv für eine genaue Betrachtung der fraglichen Münzen.
In der nächsten Folge werden wir Sie darüber informieren, wie Sie gegossene Münzen erkennen.
IBSCC ist die Abkürzung für International Bureau for the Suppression of Counterfeit Coins. Es wurde im Jahr 1975 von der IAPN gegründet, der International Association of Professional Numismatists, einer gemeinnützigen Organisation von angesehenen Münzhändlern auf der ganzen Welt, die für die Echtheit der von ihnen verkauften Münzen garantieren. |