Die Münzen Alexanders III. des Großen von Makedonien

 

Waren die Eulen von Athen die wichtigste Währung der Griechen in klassischer Zeit, so ist die Epoche des Hellenismus geprägt von den Münzen Alexanders. Grund für seine riesige Prägung war die Notwendigkeit, die erbeuteten persischen Schätze für die Finanzierung des Kriegszuges nutzbar zu machen. Nur als Münzen konnte Alexander sie einsetzen. Sie dienten zur Besoldung der Soldaten, als Bezahlung für Vorräte und als Geschenke für wichtige Städte und Persönlichkeiten im griechischen Mutterland.

Alexander der Grosse. Büste im British Museum. Foto: Jastrow / Wikipedia.

Dabei war es zu Beginn der Herrschaft Alexanders nicht vorhersehbar, daß der makedonische König jemals über so unermeßliche Schätze verfügen sollte, daß seine Münzen für Jahrhunderte zur Leitwährung werden konnten. Im Gegenteil, bei Amtsantritt erbte Alexander nur 500 Talente Schulden. Wegen der großen Ausgaben für die verschiedenen Feldzüge, die sein Vater Philipp hatte führen müssen, um sich als Hegemon Griechenlands durchzusetzen, waren die Schatzkammern leer. Nur 60 Talente Bargeld lagerten noch darin, dazu ein paar Gold- und Silbergeräte, die man im Notfall einschmelzen und ausmünzen konnte. Damit konnte Alexander keine großen Sprünge machen. So mußte der junge König sich bei seinem Regierungsantritt erst einmal 800 Talente leihen, um die finanziellen Mittel zu haben, die Grenzen seines Reiches gegen die einfallenden Thraker zu sichern.
Nach diesem Kriegszug, der reiche Beute brachte, besserte sich die angespannte finanzielle Situation ein wenig, doch die Vorbereitungen des Feldzuges gegen die Perser rissen wieder ein tiefes Loch in die königliche Kasse. Zum Zeitpunkt von Alexanders Aufbruch nach Kleinasien standen 70 Talente Silber in der Schatzkammer 200 Talenten Schulden gegenüber. Außerdem verfügte das Heer über Vorräte für einen Zeitraum von 30 Tagen. Alexanders Feldzug war also mit mehr Wagemut als Mittel vorbereitet. Er mußte möglichst schnell siegen, um das Geld zu erbeuten, das seinen Weitermarsch erst finanzieren konnte.

Alexander der Sieger. Mosaik aus Pompeij. Foto: Ruthven / Wikipedia

Wir alle kennen den dramatischen Siegeszug der griechischen Armee. Alexander schlug die persischen Statthalter schon im Mai 334 beim Granikos und gewann damit das Geld, das er für eine Fortführung seiner militärischen Bemühungen unbedingt brauchte. Schon die Siege in Kleinasien brachten dem König mehr Beute ein, als er jemals bar in seiner Schatzkammer gesehen hatte. So konnte er zum Beispiel von der Beute, die er bei der Eroberung Sardeis 333 erwarb, seine ganzen restlichen Schulden auf einmal zurückzahlen. In Damaskus erbeutete Alexander ein Jahr später über 2.600 Talente, also das 13fache der Schulden bei seinem Abmarsch. Doch erst das persische Mutterland sanierte Alexander für den Rest seines Lebens. Susa brachte 50.000 Talente, Persepolis 120.000 und Ekbatana 180.000. Hätte Alexander allein diesen letzten Betrag von 180.000 Talenten Silber ausgemünzt, so hätte er damit theoretisch – 1 Talent mit 6.000 Drachmen gerechnet – 1.080.000.000 Drachmen oder 270.000.000 Tetradrachmen prägen können, eine fast unvorstellbare Menge.
Doch der König brauchte solche Summen. Sein Heer war teuer. Ein Tag Feldzug mit seiner Armee kostete ihn – nach modernen Schätzungen – 20 Talente. Das macht also 7.500 Talente im Jahr, eine Summe die bei seinem Regierungsantritt utopisch gewesen wäre. Natürlich mußte der König seine Soldaten nicht Tag für Tag zahlen. Sie erhielten ihren Lohn nur bei besonderen Gelegenheiten oder wenn sie das Heer verließen, um in die Heimat zurückzukehren. Trotzdem war der Bedarf an geprägtem Geld sehr groß. Die Kosten des gesamten Feldzugs Alexanders werden heute auf über 80.000 Talente geschätzt, ungefähr das 1300fache der Summe, die er bei seinem Herrschaftsantritt in der Schatzkammer liegen hatte, aber mittlerweile nur mehr eine kleine Summe für den siegreichen König. Allein mit der Beute aus Ekbatana hatte sich dieser Krieg mehr als 100prozentig bezahlt gemacht.

Wann Alexander seine neuen Münzen einführte, ist unter Wissenschaftlern noch umstritten. Die einen denken an einen Termin gleich nach seinem Herrschaftsantritt, andere plädieren für den Zeitpunkt, als Alexander zum ersten Mal größere Summen in seiner Hand hatte, für die Zeit nach der Eroberung von Tarsos im Jahre 333. Wie es auch sei, Alexander schuf ein Währungssystem, das Jahrhunderte lang Bestand haben sollte.

Alexander III. Goldstater, Salamis, zu Lebzeiten. Aus Auktion Gorny & Mosch 185 (2010), 84.

Er ließ Goldstatere prägen, die auf der Vorderseite den Kopf der Göttin Athena zeigen, auf der Rückseite eine Nike, die eine Stylis hält. Wenn man sich das Bild der Athena ansieht, so fällt auf, daß sie einen korinthischen Helm trägt, eine Helmform, die in Makedonien nie üblich und selbst in Griechenland zur Zeit des Feldzugs schon längst aus der Mode war. Doch für Alexander hatte dieser Helm besondere Bedeutung. Er charakterisierte die Göttin als die Schutzgöttin von Korinth, der Heimat des Korinthischen Bundes. Sowohl er selbst als auch sein Vater hatten ja viel Geld und Mühe darauf verwandt, daß die Mitglieder des Korinthischen Bundes sie zu ihren Feldherren wählten. Gemeinsam wurde dann der Rachefeldzug gegen die Perser beschlossen und erst Philippos, später Alexander mit dessen Durchführung beauftragt. So ist die Wahl einer Darstellung von Athena für die Vorderseite nicht weiter verwunderlich. Zum einen galt sie als diejenige, die im Krieg die schlauen Pläne und Gedanken eingab, mit denen man die Feinde vernichten konnte, zum anderen war sie die Göttin, die am meisten durch den Feldzug der Perser vor mehr als 100 Jahren verloren hatte. Es war ihre Stadt gewesen, die die Perser niederbrannten. Ihr Tempel ging in den Flammen auf. Sie mußte vor allen anderen griechischen Göttern daran interessiert sein, Alexander bei seinem Rachefeldzug beizustehen. So war die Wahl der Athena als Vorderseitenbild der Goldstatere eigentlich logisch. Sie war die Göttin, bei der sich Alexander nach der Schlacht am Granikos im Mai 334 bedankte: Er weihte ihr einen Teil der Beute, 300 komplette persische Rüstungen. Sie wurden mit der Aufschrift versehen „Alexander, der Sohn des Philipp, und die Hellenen außer den Spartanern von den Barbaren, die Asien bewohnen.“ (Plutarch, Alexander 16, 8)

Alexander III. Golddoppelstater, zu Lebzeiten, Aigai. Aus Auktion Gorny & Mosch 185 (2010), 82.

Das Rückseitenbild ist wesentlich schwieriger zu deuten. Nike, die griechische Siegesgöttin, hält in der einen Hand einen Kranz, in der anderen die Stylis. Dieser Mast mit einem Querbalken war bei antiken Schiffen am Heck angebracht, in der Nähe des Aphlaston, der Verzierung des Schiffes am Heck. Er war eine Art Schiffspalladion, ein Ersatz für die sperrigen und schwer zu transportierenden Götterbilder. Auf dem Querbalken konnte der Name der Gottheit stehen, die man in besonderen Notlagen anrufen wollte. Hier opferten die Seeleute vor der Abfahrt und bei der Ankunft, vor der Schlacht und bei schlechtem Wetter. Dadurch, daß dieser Mast so nahe am Aphlaston angebracht und so leicht zu entfernen war, wurde er – genau wie das Aphlaston selbst – zu einer typischen Trophäe in einer Seeschlacht.
Nike allein, einen Kranz haltend, wäre für eine Prägung Alexanders leicht zu erklären: Die vergangenen und für die Zukunft erhofften Siege wären darin angesprochen. Doch die typisch maritime Siegestrophäe gibt den Forschern Rätsel auf. Schließlich litt der Feldzug Alexanders ja gerade an dem Fehlen einer eigenen Flotte, die die Operationen zu Lande sinnvoll hätte begleiten können. Und einen echten Seesieg gibt es in der ganzen Geschichte des Alexanderzuges nicht. Welcher Seesieg ist also mit dem Münzbild gemeint? Auch hier sind sich – wieder einmal – die Forscher noch nicht ganz einig. Einer von ihnen will den Übergang von Europa nach Asien, der natürlich auf Schiffen bewerkstelligt werden mußte, als „Seesieg“ interpretieren. Doch dies befriedigt nicht ganz. Alexander hatte es schlicht nicht nötig, solche Marginalien als Sieg herauszustreichen. Es scheint sinnvoller, die Darstellung anders zu interpretieren. Warum muß sie sich überhaupt auf einen Sieg Alexanders beziehen?

Wilhelm von Kaulbach (1805-1874), Die Seeschlacht von Salamis im Maximilianeum, dem bayerischen Landtag.

Es gab in der griechischen Geschichte einen großen und symbolischen Seesieg über die Perser und das war die Schlacht bei Salamis. Hier hatten die vereinten Kräfte der griechischen Städte den persischen Großkönig bezwungen. Warum sollte dieser Sieg nicht als gutes Omen für den neuen Feldzug des Korinthischen Bundes auf der Münzprägung Alexanders wieder heraufbeschworen werden? Dies würde auch zur Vorderseite passen, denn Salamis war der erste große Sieg der Griechen nach der Zerstörung Athens. Und er wurde – gemäß griechischem Glauben – mit Hilfe Athenas gewonnen, die Themistokles eingegeben hatte, wie er die Perser überlisten konnte. So spielen also die Goldstatere auf den Kriegszug der Perser im Jahre 480 an. Sie weisen auf den ersten Sieg der Griechen hin und beschwören einen neuen Siegeszug herauf.

Alexander III., Tetradrachme zu Lebzeiten, Makedonien. Aus Auktion Gorny & Mosch 186 (2010), 1252.

Auch für seine Tetradrachmen und Drachmen wählte Alexander einen neuen Münztyp: Er ließ sie mit dem Bild des Herakles auf der Vorderseite und dem des Zeus auf der Rückseite ausbringen. Drei Gründe mögen ihn dazu bewogen haben, Herakles auf der Vorderseite seines wichtigsten Nominals darzustellen. Erstens war der Typ des bartlosen Herakles schon in der Münzprägung seines Vaters präsent, wenn auch selten und nur auf kleineren Nominalen. Traditionell sah das Königshaus der Argeaden, das über Makedonien herrschte und dem Alexander angehörte, in Herakles den Stammvater seines Geschlechtes. Diese Abstammung bezeugte, daß die Argeaden zum Kreis der Hellenen gehörten. Der zweite Grund für Alexanders Wahl war die persönliche Verehrung, die er Herakles entgegenbrachte. Zum dritten galt Herakles als ein kämpfender Held und Retter, der Hilfe gegen das Böse brachte. Alexander, der aufgebrochen war, um die Griechen vor den Barbaren zu schützen und befreien, sah in ihm eine perfekte Symbolgestalt für seine eigenen Pläne.
Häufig liest man bei Beschreibungen dieser Münzen, die Darstellung des Herakles porträtiere in Wahrheit Alexander. Das war mit Sicherheit in der Anfangsphase der Münzprägung nicht so beabsichtigt. Den Griechen und Makedonen lag es noch fern, einen lebenden Menschen auf ihren Münzen abzubilden. Nur die „barbarischen“ Perser, bzw. die von ihnen in Kleinasien eingesetzten Satrapen taten so etwas. In der Anfangsphase seiner Herrschaft hatte Alexander auch noch durch keine Tat erwiesen, daß er über einen normalen Makedonenherrscher herausragte. Erst nach dem Tod Alexanders, als die Tetradrachmen zu einer überall gültigen Währung geworden waren, gestalteten die Stempelschneider das Gesicht des Herakles ähnlich den Zügen Alexanders.
Zeus, den Philippos II. noch auf der Vorderseite seiner Tetradrachmen dargestellt hatte, wanderte unter Alexander auf die Rückseite. Es ist verführerisch, darin die Abrechnung zu sehen, die ein Sohn mit seinem übermächtigen Vater hält. Doch wollen wir uns lieber an die Tatsachen halten. Eines steht fest: Zeus, Herakles, Athena, das waren genau die Götter, die programmatisch als die Schützer und Helfer im Feldzug gegen die Perser standen. Ihnen opferte Alexander bei seiner Abfahrt in Europa und seiner Ankunft auf asiatischem Boden. An der Stelle seines Opfers ließ er jeweils einen Altar errichten.
Sieht man sich die Umschriften der verschiedenen Tetradrachmen und Drachmen an, so fällt auf, daß Alexander gelegentlich – aber bei weitem nicht immer – als BASILEUS, als König bezeichnet ist. Dieser Titel galt im demokratischen Griechenland immer noch als nicht „salonfähig“. So dachte Alexander nicht daran, seinen Titel in einer Münzprägung zu erwähnen, die für die gesamte griechische Welt gedacht war. Erst gegen Ende seiner Regierung begannen die Münzstätten in Babylon, Südkleinasien und Phönizien, wo die Bezeichnung König nicht die negativen Assoziationen hervorrief wie auf dem Festland, Tetradrachmen und Drachmen mit diesem Titel zu prägen. In Makedonien folgte man ihnen darin wohl um 323, vielleicht sogar etwas früher. Da Alexander kurz darauf starb, konnte er wohl kein Edikt mehr erlassen, in dem er für alle Münzstätten verbindlich regelte, ob sein Titel auf den Münzen erwähnt werden sollte oder nicht. So konnten die Münzstätten selbst entscheiden, wie sie diese Angelegenheit handhaben wollten.

Odessos (Thrakien). Tetradrachme, 125-70 v. Chr. Der Herakleskopf trägt hier die Gesichtszüge Mithradates III. Aus Auktion Gorny & Mosch 186 (2010), 1285.

Die Tetradrachmen Alexanders überschwemmten sein ganzes neugeschaffenes Reich. Sie erwarben allein durch ihre Allgegenwart einen großen Bekanntheitsgrad in der griechischen und nichtgriechischen Welt und wurden überall gerne akzeptiert. Deshalb prägte man sie noch lange nach dem Tode Alexanders weiter. Sie dienten vor allem im internationalen Handel. So hatten viele Städte sozusagen zwei Währungen: Für den Handel innerhalb der Stadt prägte man Geldstücke mit lokalen Symbolen; für den Handel mit weiter entfernten Städten wurden Tetradrachmen nach dem Alexandertyp angefertigt. Bis ins 1. Jahrhundert vor Christus liefen in der gesamten antiken Welt Münzen nach diesem Vorbild um. Kein anderer einzelner Mensch hat so zahlreiche und andauernde Spuren in der Numismatik hinterlassen wie der große Makedonenkönig.