Die letzten Münzen des unabhängigen Syrakus
Doch nun ist der alte Hieron II. gestorben. Sein Enkel Hieronymos besteigt den Thron, und der 15-jährige findet einen Kriegshelden wie Hannibal weitaus beeindruckender als die römischen Senatoren, die da eine Schlacht nach der anderen verlieren. Er schickt zu Beginn des Jahres 214 Gesandte zu Hannibal, die in seinem Namen ein Bündnis schließen. Hieronymos plant, sein eigenes Reich im Schatten Hannibals zu vergrößern. Doch noch ehe sein in Leontinoi versammeltes Heer den geplanten Feldzug nach Messina beginnt, fällt Hieronymos einem Attentat zum Opfer; und in Syrakus bricht daraufhin beinahe ein Bürgerkrieg aus.
Zwischen Frieden und Krieg
Wie gerne tendiert man dazu zu vergessen, dass auch in der Antike Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen die Städte bevölkerten! So stritten die Syrakusaner nach dem Mord an Hieronymos heftig darüber, ob sie sich nun mit den Karthagern oder den Römern verbünden sollten. Diejenigen, die auf Rom setzten, suchten das Gespräch mit dem römischen Konsul Marcus Claudius Marcellus. Doch ihre Bemühungen verliefen im Sand. Das Heer in Leontinoi ruinierte alle Friedensverhandlungen.
Denn die jungen Soldaten unternahmen lukrative Raubzüge auf römisches Gebiet und hielten sich dabei für äußerst heldenhaft. Doch diese Herausforderung konnte und wollte sich der römische Proconsul Marcus Claudius Marcellus natürlich nicht gefallen lassen. Er befahl den Angriff auf Leontinoi, und seine Legionäre nahmen die Stadt im Sturm. Viele Syrakusaner starben bei der Verteidigung von Leontinoi, viele Zivilisten bei der anschließenden Plünderung. Damit erregte der Konsul natürlich den Zorn der Syrakusaner, von denen plötzlich viel weniger für ein Bündnis mit Rom plädierten. Eine im Winter 214/3 durchgeführte Wahl katapultierte die zwei Gesandten Hannibals an die Spitze der Stadt, und sie nutzten ihr Strategenamt, um auf Sizilien eine zweite Front gegen Rom zu eröffnen.
Eine Münzserie, um den Kampf gegen Rom zu finanzieren
Irgendwo in diesen Zusammenhang gehört eine umfangreiche Emission von syrakusanischen Münzen, die kein Herrscherporträt auf der Vorderseite zeigen, sondern die wichtigsten Götter der Stadt. Man kann davon ausgehen, dass diese Münzen vor allem dazu dienen sollten, den Soldaten ihren Sold auszuzahlen, damit diese ihre Nahrungsmittel nicht rauben mussten, sondern kaufen konnten. Das war die einzige Möglichkeit, in einer reichen und dicht besiedelten Stadt wie Syrakus, in der sich ein großes Heer befand, die Ruhe aufrecht zu erhalten.
Die Reihe der Nominale war dementsprechend detailliert gegliedert. Es gab Münzen zu 16, 12, 10, 8, 6, 4 und 2 1/2 Litren, die auf der Basis einer Litra von 0,84 g ausgeprägt wurden.
Das Auktionshaus Künker kann im Rahmen der Sammlung Dr. Guy Sylvain Paul Bastin in Auktion 367 am 6. April 2022 drei unterschiedliche, zum Teil äußerst seltene Nominale dieser Reihe anbieten.
Zweifellos war es ein besonders begnadeter Stempelschneider, von denen Syrakus ja viele hervorgebracht hat, der die Stempel zu diesem 16 Litren-Stück schuf. Es zeigt auf der Vorderseite ein monumentales Antlitz des Zeus, dem die Syrakusaner etwas außerhalb der eigentlichen Stadt seinen Tempel errichtet hatten. Sie verehrten Zeus als Olympios und erinnerten damit daran, dass Priester aus Olympia die ersten Siedler auf ihrer Reise ins Ungewisse begleitet hatten. Deshalb präsentiert die Rückseite ein siegreiches Viergespann, eine seit der frühesten Münzprägung der Stadt bekannte Anspielung auf die regelmäßige Teilnahme der Syrakusaner an den Wagenrennen der Olympischen Spiele.
Das 12 Litren-Stück war das am häufigsten ausgeprägte Nominal dieser Emission. Während es von den 16 Litren-Stücken lediglich drei verschiedene Vorderseitenstempel gibt, wurden für die 12 Litren-Stücke mindestens 14 Stempel angefertigt, wie Andrew Burnett in seiner Stempelstudie recherchiert hat.
Athena und Artemis waren beide zentrale Gottheiten in Syrakus. Jeder, der die Stadt jemals besucht hat, erinnert sich, wie eindrucksvoll die immer noch sichtbaren Säulen des alten Athenatempels im Mauerwerk der heutigen Kathedrale sind. Artemis teilte sich den heiligen Bezirk mit Athena. Sie besaß direkt daneben einen eleganten ionischen Tempel. Diese geographische Nähe findet ihren numismatischen Niederschlag in dieser Münze.
Neun Vorderseitenstempel existieren zum 6 Litren-Stück, das auf der Vorderseite Herakles zeigt, auf der Rückseite eine von Nike gelenkte Biga. Ihn verknüpft der einheimische Mythos mit der Quelle Kyane, die – auch wenn Arethusa natürlich wesentlich bekannter ist – im religiösen Jahr der Syrakusaner eine wichtige Rolle spielte.
Herakles soll bei seiner Reise durch Sizilien festgelegt haben, wie dieses Fest zu feiern sei: Das dabei geopferte Rind wurde nicht wie üblich geschlachtet, sondern ins Wasser getrieben, um dort zu ertrinken. Man weiß aus Ciceros Rede gegen Verres, dass dieses Fest noch zu Zeiten der Römer begangen wurde.
Archimedes und die Belagerung von Syrakus
Und damit wäre man bei der Katastrophe angelangt, die der Seitenwechsel der Syrakusaner auslöste. Syrakus vertraute auf seine Mauern, die als uneinnehmbar galten. Marcellus griff die Stadt trotzdem an. Er verheizte seine Männer bei seinem sinnlosen Sturmangriff.
Geschichtsschreiber bringen an dieser Stelle immer den genialen Mathematiker Archimedes ins Spiel, dessen Kriegsmaschinen so viele Römer das Leben gekostet haben sollen. Das Scheitern und die Toten einem Genie anzulasten, fiel den Römern offenbar leichter, als sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass ihre Proconsuln Jahrzehntelang zugeschaut hatten, wie sich Syrakus unangreifbar machte. Man darf ziemlich sicher sein, dass es in erster Linie die Mauern waren, die eine sofortige Eroberung der Stadt verhinderte, so interessant die Wurfmaschinen und Greifkräne des Archimedes auch gewesen sein mögen.
Der Tod des Archimedes – und vieler seiner Mitbürger
Was die Botschafter Hannibals beabsichtigt hatten, funktionierte: Rom teilte seine Kräfte, und Hannibal gewann auf Sizilien eine Nachschubbasis. Im Spätherbst 213 war ein großer Teil der Insel in seinen Händen, was Marcellus nicht von seiner Belagerung abbrachte.
Geduldig wartete er ab, bis sich ihm eine Chance bot. Es war leicht in Erfahrung zu bringen, wann die Syrakusaner ihre Feste feierten. Und genauso gehörte es zum Allgemeinwissen, dass im Rahmen des jährlichen Artemisfestes große Mengen an Wein kultisch getrunken wurden. Dies nutzte Marcellus. Er schickte einen Stoßtrupp, der ein unbewachtes Stück des gewaltigen Mauerrings überstieg und das Hexapylon-Tor öffnete, um das gesamte Heer einzulassen. Doch damit war erst der erste Mauerring überwunden. Das eigentliche Stadtzentrum verfügte über eigene Befestigungen.
So ging die Belagerung also weiter, und zwar so lange, bis die Karthager allmählich auf ganz Sizilien ins Hintertreffen gerieten. Sobald die Syrakusaner realisierten, dass von ihren Bündnispartnern nichts mehr zu erwarten war, schickten sie Boten zu Marcellus. Doch der ging darauf nicht ein. Er war der Sieger. Und als ein iberischer Söldnerführer ihm ein Tor zur Inselfestung Orthygia öffnete, schickte er eine kleine Abteilung, um den syrakusanischen Staatsschatz in seine Hände zu bringen, und gab den Rest der Stadt zur Plünderung frei.
Livius ist eine detaillierte Schilderung des anschließenden Grauens zu verdanken. Die Antike kannte kein Völkerrecht und keine Schonung der Zivilbevölkerung. In diesen Zusammenhang gehört die Schilderung vom Tod des Archimedes und das bekannte Zitat „Stör mir meine Kreise nicht“. Ob diese Anekdote wahr ist? Wer weiß? Se non è vero è ben trovato.
Vielleicht steht Archimedes auch als Symbol für die römische Trauer darüber, eine der großartigsten Heimstätten von Kunst und Kultur, die das antike Griechenland hervorgebracht hatte, vernichtet zu haben.
Welche schöpferische Kraft Syrakus vor der Belagerung, noch im Jahr 214 v. Chr. aufzubringen vermochte, das zeigen nicht nur die Erfindungen des Archimedes, sondern auch das großartige 16 Litren-Stück mit dem Zeuskopf, das einen Vergleich mit den besten Werken der klassischen Kunst nicht zu scheuen braucht.
Weiterführende Literatur:
- Andrew Burnett, The Enna hoard and the silver coinage of the Syracusan democracy. SNR 62 (1983), S. 5-45
- Herbert Heftner, Der Aufstieg Roms. Regensburg (1997), S. 250-258
- Petra Reichert-Südbeck, Kulte von Korinth und Syrakus. Dettelbach (2000)
Hier lesen Sie einen ausführlichen Vorbericht zum ersten Teil von Künkers Frühjahrsauktionen.
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