Das mittelalterliche Sizilien Teil 4: Die Normannen kommen
Die politische Lage um 1000 n. Chr.
Um das Jahr 1000 war Sizilien fest in arabischer Hand. Unteritalien teilten sich das byzantinische Reich und die Langobarden. Deren Gebiet war in viele kleine Fürstentümer aufgespalten, die unabhängig von einander agierten.
Die politische Lage in Italien um das Jahr 1000 n. Chr. Quelle: Bamse / CC BY-SA 3.0
Das Herzogtum Amalfi war eine kleine, aber schlagkräftige Handelsrepublik, ähnlich Venedig. Im Norden grenzte der Kirchenstaat an das zerrissene Land. Dies war die politische Situation als in den 30er Jahren des 11. Jahrhunderts, die ersten Normannen nach Sizilien übersetzten. Sie kamen, vertrieben von dem politischen Chaos in ihrem eigenen Land und angelockt von den unglaublichen Erzählungen derjenigen, die den Süden mit eigenen Augen gesehen hatten.
Ein zerrissenes Land und der Traum vom Süden
Denn spätestens seit dem Jahr 1026, als Herzog Richard II. starb, herrschte in der Normandie, Bruderkrieg. Zunächst kämpften seine Söhne um das Erbe. Dabei kamen gleich beide um: Der eine während des Streits, der andere während der Buße für seine Gewalttaten, auf einer Wallfahrt ins Heilige Land. 1035 herrschte nur noch ein siebenjähriger Junge über die ehrgeizigen Burgherren, ein Junge übrigens, den unsere Geschichtsbücher als Wilhelm den Eroberer kennen.
Als die ersten Normannen sich aufmachten, um im Süden eine neue Heimat zu finden, war der große Eroberer ein kleiner Bub, der seine Adligen nicht davon abhalten konnte, sich auf Kosten der Schwächeren zu bereichern. Wer im großen Kampf um die Besitzungen in der Normandie verlor, der suchte eine neue Welt, er ging in den Osten, um sein Glück zu machen. Und im Osten war der wichtigste Arbeitgeber für kampferprobte Männer das byzantinische Reich.
Das Byzantinische Reich auf seinem Machtzenit in mittelbyzantinischer Zeit beim Tode des Kaisers Basileios II. im Jahr 1025. Quelle: Nécropotame, Cplakidas / CC BY-SA 2.5
Ein Kampf um Sizilien
Der byzantinische Kaiser brauchte diese Krieger, um sein Imperium zu beschützen, das an allen Ecken und Enden von arabischen Gegnern bedroht wurde. Hin und wieder unternahm ein Kaiser sogar den Versuch, bereits verlorenes Gebiet zurückzuerobern. In den 30er Jahren des 11. Jahrhunderts bot sich eine hervorragende Chance, Sizilien zu bekommen, das seit nun fast 200 Jahren unter arabischer Kontrolle stand. Der Herrscher von Palermo hatte sich mit seinem Bruder zerstritten. Letzterer sicherte sich die Unterstützung der Fatimiden in Kairo, und war so drauf und dran, seinen Bruder zu vertreiben, als der den byzantinischen Kaiser um Hilfe bat.
Dort überlegte man erst einmal, und während man noch überlegte, war der Hilfesuchende schon ermordet. Nun war ein Eingreifen noch verführerischer, denn die zerstrittenen Aufständischen schienen nicht in der Lage, einem entschlossenen Angriff etwas entgegenzusetzen.
Michael IV., der Paphlagonier, 1034-1041. Histamenon. Aus Auktion NAC 33 (2006), 679.
Damals herrschte in Byzanz Kaiser Michael IV. Dieser war durch eine Palastrevolte an die Macht gelangt. Er soll intelligent gewesen sein, allerdings fehlte es ihm an Bildung und er litt unter epileptischen Anfällen, so dass sein Bruder Johannes, der als Eunuch eine wichtige Stellung im Palast bekleidete, die eigentlichen Regierungsaufgaben übernahm. Es gelang ihm, die Armee und die Finanzen zu reformieren. Dabei wurde u. a. der Feinheitsgehalt der Histamena auf 20 Karat gesenkt. Dies war nur der Anfang, seine Nachfolger sollten immer schlechtere Legierungen für ihre Goldmünzen benutzen, während das Gewicht von 24 Keratia (ca. 4,40 g) gleich blieb.
Kaiser Michael IV. jedenfalls schickte seinen besten Mann, Georgios Maniakes, einen geradezu überlebensgroßen Militär. Der zeitgenössische Historiker Michael Psellos schildert ihn folgendermaßen: „Ich sah den Mann selbst und bewunderte ihn, denn die Natur vereinte in dieser Person alle erforderlichen Qualitäten eines militärischen Befehlshabers. Er war drei Meter groß, so dass die Männer um ihn anzuschauen, den Kopf weit in den Nacken legen mussten, als höben sie den Blick zum Kamm eines steilen Hügelzuges oder zum Gipfel eines hohen Berges. Seine Erscheinung war weder edel noch angenehm, sondern beschwor die Vorstellung eines heftigen Sturmes herauf. Seine Stimme tönte wie Donnerhall, und seine Hände sahen aus, als wären sie dazu geschaffen, Mauern einzureißen oder Bronzetore zu zerschmettern. Er hatte die Sprungkraft eines Löwen, ein Stirnrunzeln löste Entsetzen aus. Diesem Eindruck entsprach auch alles andere an ihm. Wer ihn zum ersten Mal sah, musste feststellen, dass alles, was er über ihn gehört hatte, untertrieben war.“
Harald Hardrada, 1045-1066. Denar. ABH 5.12. Aus Auktion Künker 121 (2007), 696.
Auch das Heer, das dieser überlebensgroße Feldherr anführte, war beeindruckend. Die stärkste Abteilung bildete ein warägisches Kontingent, also eine Wikingertruppe, kommandiert von Harald Hardrada, dem späteren König von Norwegen und Verlierer der Schlacht von Stamford Bridge im Jahre 1066. Das schwächste Glied in der Kette war eine Abteilung murrender Lombarden aus Apulien, die man in byzantinischen Dienst gepresst hatte.
Die Byzantiner landen unter Führung von Georgios Maniakes in Sizilien und schlagen die Araber. Aus einer Handschrift der „Kaisergeschichte“ des Johannes Skylitzes (13. Jh.). Skylitzes Matritensis (Biblioteca Nacional de España), f. 212 r.
Im Spätsommer landete das byzantinische Heer auf Sizilien und eroberte langsam den Osten der Insel. Georgios Maniakes zeigte wieder einmal seine militärischen Fähigkeiten und machte sich beim byzantinischen Adel unbeliebt. In seinem Heer diente der nämlich der junge Schwiegersohn des Kaisers, um unter Anleitung des fähigen Feldherrn Maniakes seine ersten militärischen Erfahrungen zu sammeln.
Georgios Maniakes demütigt Admiral Stephanos öffentlich. Aus einer Handschrift der „Kaisergeschichte“ des Johannes Skylitzes (13. Jh.). Skylitzes Matritensis (Biblioteca Nacional de España), fol. 213v oben.
Wie so häufig hatte der junge Mann eine weitaus bessere Meinung von sich selbst als seine Umwelt. Und Maniakes war nicht taktvoll genug, um dem Neuling seine Eseleien auf höfliche Weise klar zu machen.
Georgios Maniakes wird als Gefangener nach Konstantinopel zurückgebracht. Aus einer Handschrift der „Kaisergeschichte“ des Johannes Skylitzes (13. Jh.). Skylitzes Matritensis (Biblioteca Nacional de España), Fol. 213v unten.
Jedenfalls beschwerte sich der Beleidigte bei seinem kaiserlichen Schwiegervater, Michael IV, der den General Maniakes umgehend nach Konstantinopel beorderte und ins Gefängnis werfen ließ. Das Kommando wurde dem kaiserlichen Schwiegersohn anvertraut mit voraussehbaren Folgen. Der Angriff auf Sizilien scheiterte, das Heer zerstreute sich.
Wappen der Hauteville. Quelle: S@m / CC BY-SA 3.0
Drei Brüder aus Hauteville
Der größte Teil der Soldaten kehrte zurück nach Apulien, wo inzwischen ein Aufstand tobte. Besonders die brutale Rekrutierung für die sizilianische Expedition hatte das Fass zum Überlaufen gebracht: Zunächst gab es einige kleinere Unruhen, dann wurde der byzantinische Statthalter umgebracht und die Bürgerwehren griffen die kaum besetzten Garnisonen an. Die aus Sizilien zurückgekehrten Heeresteile sollten Ordnung schaffen. Sie wurden verstärkt durch gerade erst angeworbene Kontingente aus der Hauptstadt. Zu ihnen gehörten drei Brüder aus dem Cotentin, Wilhelm, Drogo und Humfried, die man nach ihrer Heimat „von Hauteville“ nannte.
Der Kampf für den Kaiser war aussichtslos, was die drei Brüder ziemlich schnell erkannten. Dagegen boten die Wirren hervorragende Chancen, sich eine eigene Herrschaft in diesem von Kriegen zerrissenen Reich zu schaffen. Schließlich war die byzantinische Macht auf wenige Exklaven zurückgedrängt worden, warum sollte man sich nicht etwas von den ehemals byzantinischen Gebieten sichern können?
Lesen Sie in der nächsten Folge, wie es den drei Brüdern ergeht, und wie ein weiterer Protagonist die Bühne betritt: Robert der Schlauberger.
Alle Folgen der Serie finden Sie hier.
Und wenn Sie mehr Bilder aus Sizilien sehen wollen, empfehlen wir Ihnen unsere Serie „Blühendes Sizilien“.