Anselmo Banduri: Erforscher der spätantiken Münzprägung
Dass solch ein Überblick möglich ist, ist auch das Verdienst eines Benediktinermönches, Anselmo Banduri (Anselmus Bandurius), der 1671 oder 1675 als Matija Banduri in der Republik Ragusa geboren wurde, dem heutigen Dubrovnik im Süden Kroatiens. Banduri kam nach Rom, als er noch sehr jung war, und studierte anschließend in Neapel, Florenz und ab 1702 in Paris, wo er unter den Einfluss Bernhards de Montfaucon (1655-1741) kam, eines Benediktinermönchs und Gelehrten, der als der Begründer der wissenschaftlichen Paläographie gilt, der Lehre von alten Schriften. Banduri veröffentlichte eine Arbeit über die Antiquitäten Konstantinopels, die auf byzantinischen griechischen Manuskripten basierte, von denen viele nach Jahrhunderten der Nichtbeachtung gerade erst (wieder)entdeckt worden waren. Anschließend wendete Banduri seine Aufmerksamkeit den Münzen zu. 1718, dem Alter nach ein Mitt-Vierziger, veröffentlichte er sein Buch „Numismata Imperatorum Romanorum a Trajano Decio ad Palaeologos Augustos“ in Paris. Er widmete es Elisabeth Charlotte, Gräfin von Orléans, und ihrem Sohn Philipp, an den die recht lange „Epistola“ am Anfang des Werkes gerichtet ist. Elisabeth Charlotte, Gräfin von Orléans, ist uns besser unter ihrem deutschen Namen Liselotte von der Pfalz (1652-1722) bekannt. Sie war die Gemahlin des Grafen von Orléans, des Bruders Ludwigs XIV. Die königliche Familie finanzierte dankenswerterweise diese mit hohen Kosten produzierte numismatische Arbeit. Es sind zwei Bände mit einem Umfang von mehr als 1.300 Folio-Seiten und einem Gewicht von mehr als 12 Kilogramm.
Dieses Werk ist eine der ersten Studien speziell über die spätrömischen Kaiser – wie der Titel schon sagt, von der Herrschaft des Traianus Decius (249-251) bis zum letzten byzantinischen Kaiser, Konstantin IX. Palaeologos (1449-1453), dessen Herrschaft mit der Eroberung Konstantinopels durch die Ottomanen endete. Banduris Werk umfasst demnach die Geschichte von mehr als 1.200 Jahren. Die meisten Historiker damals begannen mit der Gründung Roms oder dem Beginn des römischen Kaiserreichs, und viele beschränkten sich auf das erste und zweite Jahrhundert n. Chr. Die späteren Zeiten wurden traditionell als kulturell und moralisch degeneriert angesehen. Noch heute interessieren sich viele Sammler römischer Münzen nur für die Münzen der ersten zwölf Kaiser.
Selbstverständlich bietet Banduris Werk nicht das Verständnis von Münzfunden, Historiographie, Metallurgie oder Archäologie, das wir heute haben. Hilarius Eckhel hatte noch nicht sein achtbändiges Werk veröffentlicht, mit dem er eine Struktur für das Studium der antiken Numismatik vorgab. Das erschien erst 1792-1798. Und Edward Gibbons hatte sein monumentales Geschichtswerk „The Decline and Fall of the Roman Empire“ noch nicht veröffentlicht, denn das erschien 1776-1788. Trotzdem gibt Banduri im Vorwort einen Überblick über die Arbeiten vieler Vorgänger (eine vollständige Liste erscheint auf den Seiten CXXVII-III, enthalten sind unter anderem Occo, Goltzius, Spanheim, Mediobarbus und Foy-Vaillant). Banduri war sich vollkommen bewusst, dass er in einer etablierten wissenschaftlichen Tradition arbeitete, und er mit der Sekundärliteratur seines Arbeitsgebietes genauso vertraut wie mit den Texten der Primärquellen. Er nennt die Sammlungen und die Orte, wo er die einzelnen Münzen sah (darunter der Palazzo Farnese, die Sammlung des Königs von Frankreich und die Sammlung des Kurfürsten von Brandenburg), und er weist oft auf Münzen hin, die er für besonders selten hält.
Banduri nähert sich dem Feld der Numismatik des 3. Jahrhunderts mit großer Offenheit, und er hat ein erstaunlich umfassendes Verständnis für die verschiedenen Wissenschaftszweige, die zu seiner Zeit gepflegt wurden. Zu jedem Kaiser erzählt er den historischen Hintergrund, basierend auf antiken Schriftstellern wie Orosius, Zosimus und Aurelius Victor. In seinem Vorwort schreibt er, dass man datierte Münzen von Alexandria für die Zeitbestimmung nutzen kann. Er gibt einen Überblick über die Münzen eines jeden Kaisers getrennt nach Gold, Silber und Bronze-Ausgaben sowie „maximi moduli, vulgò Medaglioni“ (genaue Größen- und Gewichtsangaben spielen noch keine Rolle). Er beschreibt auch viele Provinzausgaben („griechische“ Münzen), wobei er zwischen Reichsprägungen und den in den Provinzen oder für die Provinzen geprägten Münzen nicht klar trennt.
Banduri diskutiert solche Fragen wie die erstaunlichen Münzen des Gallienus mit seinem Namen offenbar in der weiblichen Form, GALLIENAE AVGVSTAE, oder ob die Abkürzung GM in der Legende der VICTORIA GERMAN-Münzen des Claudius Gothicus für GOTHICVS MAXIMVS oder GERMANICVS MAXIMVS steht. Wie zu erwarten ist, kann er nicht immer zwischen Original-Münzen und lokalen Imitationen oder „barbarous radiates“ unterscheiden, was bei seiner Behandlung der Münzen des Tetricus I. und II. klar wird, wo er mehrere mit barbarisierten Legenden unter den Reichsprägungen aufführt. Im Fall des Usurpatoren Aureolus, der im Heer des Gallienus als „magister equitum“ in Mailand diente und die Seiten wechselte, um unter Postumus zu dienen, scheint Banduri eine spezielle Phantasiemünze mit der Legende IMP C AVREOLVS AVG (p. 327) entworfen zu haben, die weit entfernt ist von den Antoninianen mit dem besonderen Stil des Postumus-Portraits und im Namen des Postumus, die spätere Numismatiker dem Aureolus zugeschrieben haben.
Der zweite Band beginnt mit den Münzen des Diocletianus (284-305). Für diese Zeit steht Banduri mehr epigraphisches Material zur Verfügung, und er fügt seinem Text Transkriptionen bemerkenswerter Inschriften bei. Er zeigt auch, dass ihm die Wichtigkeit der unterschiedlichen Münzzeichen bewusst ist, nur versteht er ihr System nicht – wie könnte er auch? Die wissenschaftlichen Arbeiten von Cohen, Voetter, Alföldi, Bruun und Bastien lagen ja alle noch in der Zukunft. Nur ab und zu unterläuft Banduri ein richtiger Fehler: So bildet er auf S. 577 eine Münze ab mit der Legende ATVEL/VLATOS und schreibt sie dem berühmten Hunnenkönig Attila zu. Tatsächlich handelt es sich um einen keltischen Quinar von ca. 50-30 v. Chr., den man dem gallischen Stamm der Remi zuweist. Die Welt der Kelten lag noch außerhalb der wissenschaftlichen Forschungen seiner Zeit. Nun, niemand kann alles wissen.
Für die Abbildungen war Banduri auf Kupferstecher angewiesen, und es war ihm selbstverständlich nicht möglich, alle Münzen abzubilden, die er im Text erwähnt. Aber das Werk wurde ja vom König von Frankreich finanziert, und das sieht man ihm an. Das Buch ist für seine Zeit reich mit Kupferstichen illustriert. Die des ersten Bandes wurden von P. Giffart und P. Simmoneau fils hergestellt, die des zweiten Bandes von F. Ertinger. Und fast alle dieser klaren, detailreichen Kupferstich-Abbildungen entsprechen den tatsächlichen Münzen so genau, dass man die Münzen nach ihnen bestimmen kann, so z. B. bei den vielen Varianten der Probus-Büsten, die er abbildet (Banduri kann die Varianten zeigen, aber er kann die Münzstätten nicht bestimmen).
Alles in allem ist Banduris Buch ein reizvolles, selten angebotenes Werk über ein interessantes numismatisches Gebiet, das zwar kein Zitierwerk nach heutigen Begriffen ist, aber eine wichtige Entwicklung in der Geschichte der spätrömischen Numismatik darstellt, geschrieben von einem Universalgelehrten. Und ganz abgesehen davon ist es ein attraktives Buch. Das Exemplar, das in der nächsten Electronic Auction der Münzen & Medaillen GmbH, Weil am Rhein, am 25. Juni 2021 angeboten wird, ist in Ganzleder mit Goldprägungen gebunden. Die Rücken beider Bände sind repariert worden, aber die Bindung ist trotz des Gewichts der beiden Folio-Bände von mehr als 12 Kilogramm stabil. Die Lederdeckel sind mit einer Helmzier nach Art der englischen Heraldik beprägt, und die Exlibris nennen als Besitzer William Charles de Meuron, 7th Earl Fitzwilliam (1872-1943), einen der reichsten Männer seiner Zeit in Großbritannien, der Land, Fabriken und Bergwerke besaß.
Münzen & Medaillen GmbH Electronic Auction 1 wird am Freitag, 25. Juni 2021 ab 18 Uhr im Internet stattfinden. Es wird die Bibliothek eines alten Berufsnumismatikers versteigert, die aus 495 Losen besteht, vor allem zur griechischen, römischen und keltischen Numismatik.