Anlagemünzen Teil 6: Das Vreneli

Insgesamt 58,6 Millionen Vrenelis prägte die Schweizerische Münzstätte in den Jahren zwischen 1897 und 1949. Kein Wunder, dass davon noch jede Menge vorhanden sind und in vielen Banken zum Goldpreis mit einem kleinen Aufschlag als Anlagemünzen gekauft werden können.
Das 20-Franken-Stück wurde im Rahmen der Bestimmungen der Lateinischen Münzunion ausgeprägt und konnte in allen Mitgliedsstaaten zirkulieren. Sein Ende als Umlaufmünze kam erst im Jahr 1936. Gezwungen durch die Maßnahmen der anderen Mitglieder der Lateinischen Münzunion passte der Bundesrat die Schweizerische Währung den internationalen Verhältnissen an und wertete den Franken um rund 30 % ab. Der Wert eines Schweizer Frankens wurde auf 190 bis 215 mg Feingold festgelegt, während er vorher 290 mg betragen hatte. Damit stieg der Goldwert des 20-Franken-Stückes auf 28 Franken. Die Folge war, dass es aus dem Umlauf verschwand, ohne offiziell außer Kurs gesetzt worden zu sein. Nichtsdestotrotz wurden in den Jahren 1945, 1946 und 1947 noch rund 20 Millionen davon geprägt. 

20 Franken 1888. Aus Auktion Sincona 1 (2011), 2069.

Die schwierige Geburt des Vreneli

Im Jahre 1895 schrieb das Eidgenössische Finanzdepartement einen Wettbewerb aus, der dazu dienen sollte, ein neues Design für die als altmodisch empfundenen 20-Franken-Stücke zu finden. Dabei formulierte die Kommission überaus deutlich, was man sich vorstellte: „Das neue Münzbild soll durch ein schweizerisches, nationales Motiv, durch allegorische oder historischsymbolische Darstellung der Schweiz – die Helvetia – zum allgemein-verständlichen Ausdrucke bringen.“

So sah der Künstler Fritz Landry die moderne Helvetia. Abbildung aus: Broschüre Swissmint, Das Goldvreneli.

Gesucht war also ein Bild, das nicht austauschbar war wie bisherige Allegorien, sondern schweizspezifische Besonderheiten aufwies. Leider entsprach keines der eingereichten Modelle den Vorstellungen. Ein erster Preis wurde deshalb nicht vergeben. Den zweiten Preis gewann Fritz Landry, dessen Kopf der Helvetia den Herren der Kommission zu jung, zu individuell, zu schwärmerisch erschien. Der Künstler solle diesen Entwurf erst einmal überarbeiten, ein bisschen mütterlicher gestalten, dann könne man sich vielleicht mit dieser Helvetia abfinden.
Landry tat wie ihm geheißen und legte bereits im Herbst 1895 einen neuen Entwurf vor. Wieder war man von offizieller Seite nicht wirklich glücklich damit. Der als Gutachter herangezogene Maler Anker sprach gar von einer Art „heiliger Cäcilie“, einer „figure pastorale“. Doch der berühmte Numismatiker Imhoof-Blumer, ebenfalls um eine Beurteilung gebeten, setzte sich mit seiner Meinung durch: „Der Entwurf lässt die Banalität, die ausgetretenen Pfade, hinter sich. Er zeigt für einmal etwas anderes als die gewohnten antiken Köpfe, durch die man bisher die Republiken darstellte.“

Die Stirnlocke der jungen Dame auf der ersten Probeprägung zur neuen 20-Franken-Münze erschien strengen Beamten in Bern als zu frivol. Aus Auktion Sincona 14 (2013), 3560 – So ein Stirnlockenvreneli kann weit über 100.000 Franken kosten!

Das Stirnlockenvreneli

Damit wurden die ersten Probeprägungen angefertigt, zum zuständigen Magistrat wegen der Genehmigung zum Prägebeginn geschickt – und prompt zurückgewiesen. Die Stirnlocke gebe doch „dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen“. Und dies sei nun wirklich nicht mit der Würde einer Personifikation der Schweiz vereinbar.

Und endlich das Vreneli. Aus Auktion Sincona 13 (2013), 2924.

Endlich ein Vreneli!

So ließ man also die Locke weg, prägte die ersten Münzen, setzte sie in Umlauf und löste eine gewaltige Diskussion aus. Die einen meinten, die Schweiz sei nicht mit einem jungen Mädchen, sondern höchstens mit einer schönen Frau und Mutter zu vergleichen. Die anderen opponierten gegen die Berge im Hintergrund, schließlich wolle man als moderner Industriestaat endlich vom Image des Berg- und Hirtenvolks loskommen. Wieder andere hätten sich gar den Wilhelm Tell als Münzbild gewünscht.
Was damals umstritten war, ist bis heute in der Schweiz die beliebteste Goldmünze überhaupt, die immer noch zu den traditionellen Festen wie Geburt oder Konfirmation verschenkt wird.

Wie wurden die 20 Franken zum Vreneli?

Mit Sicherheit benutzten diejenigen, die tagtäglich mit den 20-Franken-Stücken zahlten, dafür noch nicht den Ausdruck „Vreneli“. Der wurde erst 1943 zum ersten Mal gedruckt, so dass wohl erst gegen Ende des 2. Weltkriegs das „Vreneli“ in der schweizerischen Umgangssprache auftauchte. Übrigens ist Vreneli eine von Verena abgeleitete Verkleinerungsform. Verena ist auch noch heute ein sehr beliebter Name in der Schweiz. 

Die Prägungen nach dem Krieg

Vom Februar 1945 an wurde ein Teil der Goldbestände der Schweizerischen Nationalbank zu „Vrenelis“ verprägt. Woher diese reichen Goldbestände kamen, darüber hegten vor allem die Alliierten Vermutungen: Man nahm an, dass die Schweizer Banken Goldvorräte aus Besitz des Deutschen Reiches, für die es nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg keinen juristischen Eigentümer mehr gab, eingezogen und an die Schweizerischen Nationalbank verkauft hatten.
Die daraus geprägten Münzen waren als reine Anlagemünzen gedacht. Man hielt es aus verschiedenen Gründen nicht für opportun, die Stücke mit der aktuellen Jahreszahl zu versehen. Man wählte stattdessen das Jahr 1935, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Münzen in Gewicht und Feinheit dem Standard der bis 1935 geprägten Goldmünzen entsprachen. Um die Neuprägungen von den tatsächlichen Prägungen des Jahres 1935 unterscheiden zu können, entschied man sich, der Jahreszahl ein L für Lingot (= Barren) vorauszustellen.
Nach dem Washingtoner Abkommen von 1946 über deutsche Vermögenswerte in der Schweiz, bei dem sich die Schweiz ohne Anerkennung eines Rechtsgrunds zur Zahlung von 250 Millionen Franken verpflichtete als Entschädigung für die einbehaltenen Goldvorräte aus dem Besitz des Deutschen Reichs, versah man die „Vrenelis“, mit der richtigen Jahreszahl und änderte die Randschrift. Ende 1949 wurde die Prägung der beliebten Goldmünze endgültig eingestellt.
Nichtsdestotrotz können sie heute noch in den meisten Schweizer Banken zum Tageskurs ge- und verkauft werden.

Numismatische Daten des Vreneli

Münzbeschreibung:
Vorderseite: HELVETIA Frauenbüste mit geflochtenem, aufgebundenem Zopf n. l., das Kleid mit Edelweiß bestickt, im Hintergrund Bergmassiv. Im Armabschnitt Signatur des Stempelschneiders F. LANDRY.

Rückseite: 20 – FR Schweizer Wappen auf Schild, darunter Jahreszahl und B für die Münzstätte Bern, dahinter Zweige mit Eichenlaub.

20 Franken / 900 / 6,452 g (5,8068 g) / 21 mm / 1,25 mm

Eine ausführliche Dokumentation zur Entstehungsgeschichte des Vreneli finden Sie hier.

Alle Folgen der Serie „Anlagemünzen“ finden Sie hier.