Ägypten und Alexandria. Ein numismatischer Streifzug: Teil 2
Folgen Sie uns durch die Geschichte Ägyptens und seiner Hauptstadt Alexandrias anhand der Münzprägung. Heute steht der Konflikt zwischen Juden und Griechen in Alexandria im Mittelpunkt des Zeitgeschehens.
Der erste Aufstand der Juden
Unter Nero kam es zum ersten wirklich großen Aufstand der alexandrinischen Juden.
Nero, 54-68. Tetradrachmon, 67/8. Rv. „Sebastophoros“ Schiff n. r. fahrend. Münzhandlung Basel 6 (1936), 107.
Der Anlass war relativ harmlos: Die Alexandriner planten, eine Gesandtschaft zum Kaiser zu schicken und hatten, um darüber zu entscheiden, wer gehen solle, die Bürger der Stadt ins Amphitheater eingeladen. Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde wollten wissen, was beschlossen werde und schlichen sich zwischen den zur Beratung gerufenen Alexandrinern ein, obwohl ihnen ihr Rechtsstatus keinen Besuch der Volksversammlung erlaubte. Sie wurden entdeckt, festgenommen und von einem wütenden Mob abgeurteilt. Die Strafe: Tod durch Verbrennen.
Galba, 68-69. Tetradrachmon, 68. Rv. Kratesis frontal stehend mit Nike und Trophäe. Kratesis hat ihren Namen vom griechischen „krateo“ (= ich herrsche). Sie war die Gottheit, welche die Macht der Römer über Ägypten erhielt. Deshalb sind ihre Attribute eine kleine Nike sowie eine Trophäe. MMDe 12 (2003), 474.
Kein Wunder, dass dieses grausame Urteil die Wut der jüdischen Gemeinde anstachelte. Es kam zu einem bewaffneten Aufstand, der erst mittels zweier römischer Legionen, die im jüdischen Viertel einmarschierten, niedergeschlagen werden konnte.
Liebe, Geld und ein Kaiserthron
Der reichen jüdischen Oberschicht von Alexandria war es gelungen, sich aus den Auseinandersetzungen herauszuhalten. Aber natürlich war man sich auch in diesen Kreisen bewusst, dass man nun sehr vorsichtig sein musste.
Im Jahre 68 stand vor Jerusalem ein römisches Heer, um die Stadt zu erobern, und es war mehr als unklar, wie die Zukunft der Exiljuden aussehen würde. In dieser Situation präsentierte Berenike, Schwester des Herodes Agrippa II. und Witwe eines der reichsten Männer Alexandrias, des Juden Marcus Iulius Alexander, ihrem ehemaligen Schwager Tiberius Iulius Alexander, derzeit Praefectus Aegypti eine unerwartete Lösung: Seit der Ermordung des Galba gehe es in Rom sowieso nur drunter und drüber. Warum also nicht einen Mann auf den Thron bringen, der den Juden Alexandrias wohl gesinnt sei?
Sie hatte auch schon einen Kandidaten in petto: den Vater ihres Geliebten Titus, den alten Haudegen Titus Flavius Vespasianus. Er könne auf die Unterstützung des syrischen Statthalters und damit die drei syrischen Legionen rechnen. Dazu kämen noch seine eigenen, vor Jerusalem stationierten – und wenn man dazu noch die zwei ägyptischen nähme …
Vespasian, 69-79. Tetradrachmon, 69. Rv. Büste des Titus n. r. Aus Auktion 89 (2004), 1763.
Tiberius Iulius Alexander teilte die Meinung seiner ehemaligen Schwägerin: Am 1. Juli des Jahres 69 proklamierte er Vespasian zum Kaiser und befahl, alle Lieferungen von Korn an Rom einzustellen. Schließlich wurde die römische Plebs mit ägyptischem Korn ruhig gestellt. Warum sollte man dem aktuellen Herrn von Rom seine Lage nicht noch ein bisschen schwieriger machen?
Im November des Jahres 69 kam Vespasian selbst nach Ägypten. Rom eroberten derweil andere für ihn, während er sich in Alexandria in einen Gott verwandelte. Dazu war es zunächst nötig, einen günstigen Termin zu wählen.
Nil. Satellitenbild der NASA.
Vespasian legte also den Zeitpunkt seiner Ankunft auf den Beginn der jährlichen Nilflut. So konnte sich der zukünftige Kaiser als Fruchtbarkeitsbringer feiern lassen.
Nilometer. Mosaikboden aus dem Haus der Leontis, Beth Shean, 6. Jh. n. Chr. Israel Museum. Foto: UK.
Tatsächlich soll Vespasian sogar ein Steigen des Nils um eine ganze Handbreit bewirkt haben, ein bis dahin einmaliges Ereignis, aus dem Lobredner die besondere göttliche Gnade ablesen wollten.
Danach standen Orakel und Wunder auf dem Programm. Aber folgen wir hier doch Sueton (Vesp. 7): „Hier betrat er, um ein Orakel über den Bestand seiner Herrschaft einzuholen, ohne Begleitung ganz allein den Tempel des Serapis. Als er sich nach einem langen inbrünstigen Gebet an den Gott endlich umwandte, glaubte er seinen Freigelassenen Basilides zu erblicken, der ihm, wie es dort Sitte ist, heilige Kräuter nebst Kränzen und Opferkuchen brachte. Dabei stand fest, dass niemand ihn in den Tempel hineingelassen hatte, ja, dass Basilides auch wegen eines Nervenleidens seit langer Zeit kaum mehr gehen konnte und sich außerdem weit entfernt befand.“
Büste des Vespasian. Gipsabguss im Puschkin-Museum, St. Petersburg, nach einem Original im Louvre. Foto: shakko / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Das Orakel war eingeholt, nun fehlte nur noch das Wunder: „Noch fehlte Vespasian … das Ansehen und eine vom Gott bestätigte Majestät. Aber auch dies wurde ihm zuteil. Zwei Leute aus dem Volke, ein Blinder und ein Lahmer, traten vor sein Tribunal und flehten ihn um Heilung an. Sie sei ihnen von Serapis im Traum verheißen. Der Gott hätte ihnen prophezeit, Vespasian werde dem Blinden das Augenlicht wiedergeben, wenn er die Augen mit seinem Speichel benetze, und das Bein des Lahmen heilen, wenn er geruhe, es mit seiner Ferse zu berühren. Vespasian glaubte selbst kaum daran, dass die Sache glücken würde. Deswegen konnte er sich nicht einmal zu einem Versuch entschließen. Endlich, auf Zureden seiner Freunde, unterzog er sich mitten in der öffentlichen Versammlung beidem, und siehe, der Erfolg blieb nicht aus.“ Wir dürfen sicher sein, dass die ägyptische Priesterschaft wohl wusste, wie man ein solches Wunder vorbereiten konnte. Nun musste sich der neue Kaiser nur noch im Hippodrom der Öffentlichkeit präsentieren, wo Sprechchöre ihn als neuen Herrscher feierten.
Giulio Romano (1499-1546), Der Triumph von Vespasian und Titus. Öl, Louvre, Paris. Quelle: Wikipedia.
Mitte August fuhr Vespasian von Ägypten aus nach Rom. Dort hatte die nach der Eroberung wieder pünktlich eintreffende Getreideflotte ihm die Beliebtheit der Massen gesichert. Sein Sohn Titus traf noch später ein als sein Vater. Schließlich musste er nicht nur vorher Jerusalem erobern, sondern sich auch noch der Bevölkerung von Alexandria (und wohl wesentlich wichtiger, seinen Finanziers) als offizieller Nachfolger präsentieren. Erst danach reiste Titus nach Rom ab, um dort gemeinsam mit seinem Vater den Triumph zu feiern. Die Nacht davor verbrachten die beiden im stadtrömischen Tempel der Isis. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir dies als eine Geste der Dankbarkeit gegenüber Ägypten verstehen.
Der große Judenaufstand in Alexandria
Das Ende des ersten jüdischen Krieges brachte für viele Extremisten das Exil. Sie mussten sich eine neue Heimat suchen, in der sie eine gewisse Anonymität fanden in Verbindung mit der Möglichkeit, ihren Kampf fortzusetzen. Alexandria war dafür natürlich ein mehr als geeignetes Pflaster. So sahen sich die Ältesten der dortigen jüdischen Gemeinde damit konfrontiert, dass schon wieder Mitbürger zum Krieg aufriefen. Das war es nun wirklich nicht, was die reichen Juden mit ihrer Unterstützung des flavischen Kaiserhauses zu bewirken versucht hatten. Man wollte den Frieden mit Rom. Und so stellte sich der jüdische Ältestenrat aktiv gegen den Aufstand, indem er selbst die schlimmsten Hetzer unter Arrest stellte. Doch viele Extremisten entkamen nach Oberägypten. Dort bereiteten sie ihren Krieg gegen Rom vor.
Traianus, 98-117. AE, 109/110. Rv. Nike mit Palmzweig, eine Trophäe bekränzend. MMDe 14 (2004), 766.
Sie sahen ihre Chance gekommen, als Traianus eine der beiden in Ägypten stationierten Legionen für den Partherkrieg abzog. Zunächst begann es mit kleinen, lokalen Unruhen, bald befand sich ganz Ägypten im Ausnahmezustand. Alexandria erlebte einen Bürgerkrieg in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Erst behielten die Juden die Oberhand, plünderten und zerstörten griechische und ägyptische Tempel. Doch ihr Triumph war nur von kurzer Dauer.
Traianus, 98-117. AE, 109/110. Rv. Triumphbogen. MMDe 14 (2004), 765.
Das römische Militär brachte innerhalb kürzester Zeit die Situation wieder unter Kontrolle. Leidtragende waren nicht die heimatlosen Widerstandskämpfer, sondern die jüdische Zivilbevölkerung, deren Kinder erschlagen, deren Besitz beschlagnahmt wurde. Die wenigen Überlebenden mussten ihre Heimat Alexandria verlassen und sich jenseits der Stadtgrenze in einem neuen Viertel ansiedeln. Die wirtschaftliche und politische Macht der jüdischen Gemeinde war damit gebrochen. Sie hörte auf, ein wichtiger Faktor der ägyptischen Geschichte zu sein.
Hadrianus, 117-138. AE, 130/1. Rv. Kaiser hilft Alexandria auf. CNG 13 (1990), 112. Die Rückseitenmotive des Jahres 130/1 ranken sich ausschließlich um den Kaiserbesuch. Im folgenden Jahr kehrte die Münzstätte Alexandria wieder zu ihren gewöhnlichen Münzrückseiten zurück.
Hadrian besucht Ägypten
Hadrian besuchte Ägypten in den Jahren 130/1. Er traf am 13. August 130 mit seinem Gefolge in Alexandria ein.
Hadrianus, 117-138. AE, 130/1. Rv. Schiff n. l. fahrend, darauf der Kaiser in militärischer Tracht, die Rechte erhoben. CNG 13 (1990), 514.
Dort konnte er nach Herzenslust mit den Gelehrten des Museion diskutieren, Löwen in der libyschen Wüste jagen und sich als Bauherr betätigen. Im Oktober brach der Kaiser dann auf zu seiner berühmt-berüchtigten Nilfahrt. Sie gehört zu einer der am häufigsten beschriebenen Kaiserreisen, denn im Gau von Hermopolis fand der schöne Antinoos, ein Mitglied des kaiserlichen Gefolges den Tod.
Antinoos, + 130. AE, 134/5. Rv. Antinoos n. r. reitend. CNG 13 (1990), 80.
Wer oder was dieser Antinoos eigentlich war, das ist bis heute für die Wissenschaft nicht greifbar. Wir wissen lediglich, dass er irgendwann zwischen 111 und 115 in Bithynion-Klaudiopolis / Bithynien geboren wurde, wunderschön war und Kaiser Hadrian faszinierte, als dieser durch die Heimat des Antinoos reiste. Fortan begleitete Antinoos den Kaiser.
Statue des Antinoos. Nationalmuseum von Neapel. Foto: UK.
Es ist durchaus vorstellbar, dass Hadrian mit seiner Liebe zu diesem Knaben das altgriechische Ideal der seelischen, aber auch körperlichen Erziehung des edlen Heranwachsenden durch einen reifen Mann nachahmen wollte. Wie auch immer, Hadrian war untröstlich, als ihm mitgeteilt wurde, dass sein Freund in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober 130 n. Chr. in den Nil gefallen und ertrunken war. Wie es zu diesem tragischen Unfall kommen konnte, wird bis heute diskutiert. Hatten politische Neider den jungen Mann ins Wasser gestoßen? War es Selbstmord, weil Antinoos mit seiner Schönheit das kaiserliche Interesse schwinden sah? Die romantischste Version erzählt vom Opfertod, den Antinoos auf sich nahm, um die eigenen Lebensjahre denen des Kaisers hinzuzufügen.
Vom Leben und vor allem vom Sterben des Antinoos zeugen Münzen und verhältnismäßig viele Statuen, die Hadrian anfertigen ließ. Ihre geheimnisvolle, verträumte Schönheit verzaubert heute noch Ästheten in aller Welt.
Hadrian konnte nicht allzu lange trauern. Die Logistik, die es brauchte, um seine rund 5.000 Begleiter zu verpflegen, zwang ihn schon nach wenigen Tagen weiterzureisen. Zunächst nach Theben, dann über Oxyrhynchos und die Tebtynis zurück nach Alexandria und weiter nach Syrien.
In der nächsten Folge erfahren Sie etwas von den spannenden Prägungen mit astrologisch-astronomischem Hintergrund, die Antoninus Pius geschickt für sich nutzte, sowie über die schwierige Zeit am Ende des 2. Jahrhunderts.
Die anderen Teile dieser Reihe finden Sie hier.
Ursula Kampmann hat zusammen mit Thomas Ganschow einen Katalog der alexandrinischen Münzen herausgegeben. Wenn Sie ihn bestellen möchten, klicken Sie hier.